Zudem richtet die Finanzverwaltung ein besonderes Augenmerk auf jegliche Art von steuerlichen Gestaltungen. Diesen wird allzu häufig das Etikett der Illegalität angehängt. Im Fadenkreuz der Außenprüfer und Steuerfahnder stehen derzeit u.a. die konzerninternen Verrechnungspreise - ein Thema, das gerade auch international aufgestellte mittelständische Unternehmen betrifft. Warum gerade Verrechnungspreise im Fokus der Finanzverwaltung stehen und wie Unternehmen und deren Verantwortliche sich in strafrechtlich prekären Situationen generell aufstellen sollten, darüber sprechen wir mit Timo Schmucker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht bei Ebner Stolz in Stuttgart.

Herr Schmucker, warum greift die Finanzverwaltung in Fahndungsprüfungen verstärkt das Thema Verrechnungspreise auf?
Im Bereich der Verrechnungspreise haben sich die Vorgaben für deren Dokumentation und Angemessenheit in den letzten Jahren immer mehr verschärft. Die Finanzverwaltung profitiert von der - auch international - erhöhten Transparenz. Diese ermöglicht es ihr, interne Preisgestaltungen und deren Zustandekommen in einer Unternehmensgruppe viel detaillierter als bisher zu prüfen. Kommt das Unternehmen den gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentations- und Mitwirkungspflichten nicht oder nur eingeschränkt nach und fallen die Abweichungen des Ist von dem - freilich aus Finanzverwaltungssicht angemessenen - Soll erheblich ins Gewicht, geht die Finanzverwaltung immer häufiger von zumindest bedingt vorsätzlichem und damit strafbarem Verhalten aus. Daraus wird ein Anfangsverdacht in Bezug auf eine Steuerhinterziehung abgeleitet. Dieser mündet dann in eine Durchsuchungsmaßnahme, um belastendes Beweismaterial für ein vorsätzliches Verhalten zu gewinnen.
In welchen weiteren Fällen werden nach Ihrer Erfahrung im Rahmen von Außenprüfungen strafrechtliche Vorwürfe erhoben?
Treten bei früheren Betriebsprüfungen festgestellte Sachverhalte in gleicher Weise auch in Folgejahren auf, ohne dass daraus die zutreffenden steuerlichen Konsequenzen gezogen worden wären, unterstellt die Finanzverwaltung regelmäßig vorsätzliches Handeln und leitet ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Doch selbst wenn die Außenprüfung zwischen dem Finanzamt und dem Unternehmen „nur“ in der Sache festgefahren ist, ist es zwischenzeitlich nicht mehr ungewöhnlich, dass die Steuerfahndung hinzugezogen wird. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen von der Betriebsprüfung angeforderte Unterlagen - möglicherweise zu Recht - nicht vorgelegt werden.
Wie ändert sich das Verfahren, wenn es keine reine Außenprüfung mehr ist, sondern das Steuerstrafverfahren eingeleitet ist?
Ist erst einmal ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, wird die Betriebsprüfung flankierend von der Strafverfolgungsbehörde, also der finanzverwaltungsinternen Straf- und Bußgeldsachenstelle oder in gravierenden Fällen der Staatsanwaltschaft - fortgeführt. Ohne deren Mitwirkung geht dann nichts mehr. In diesem Fall gelten neben den grundsätzlich fortbestehenden steuerlichen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten auch die Eingriffsbefugnisse und Beschuldigtenrechte der Strafprozessordnung. Zwar steht dem Beschuldigten in Bezug auf den Tatvorwurf ein umfassendes Schweigerecht zu und seine Mitwirkung kann in der Außenprüfung nicht mehr mit Zwangsmitteln erzwungen werden, doch eröffnet die Strafprozessordnung den Ermittlungsbehörden regelmäßig Zugriff auf sämtliche für die steuerliche Außenprüfung relevanten Informationen, ohne dafür auf die Kooperation des Steuerpflichtigen angewiesen zu sein.
Welche Folgen hat es konkret, wenn die Steuerfahndung hinzugezogen wird? Worauf müssen die Betroffenen dann achten?
Ist die Steuerfahndung im Boot, hat dies regelmäßig Durchsuchungsmaßnahmen sowie die flächendeckende Beschlagnahme von geschäftlichen und persönlichen Unterlagen sowie Daten und Datenträgern zur Folge. Insbesondere deren Sichtung und Auswertung mit Hilfe von forensischer Software, die auch gelöschte Daten wieder lesbar machen kann, gestaltet sich erfahrungsgemäß extrem aufwendig und streitanfällig. Darüber hinaus machen Betroffene interessanterweise häufig noch während der Durchsuchung bereitwillig Aussagen und stellen Informationen zu den vorgeworfenen Punkten zur Verfügung. Beschuldigte tun dies trotz Belehrung über ihr Schweigerecht nicht selten in dem irrigen Glauben, dass sich die frühzeitige Kooperation am Ende positiv auswirken werde. Bei Unternehmen resultiert dies oftmals aus einem Rechtfertigungsbedürfnis. Sowohl aus strafrechtlicher als auch aus steuerlicher Sicht ist das in diesem frühen Stadium ein Fehler. Beschuldigte und Unternehmen wissen zu Beginn des Verfahrens regelmäßig noch gar nicht, in welchem Kontext die mitgeteilten Informationen später einmal stehen werden. Ist ein Strafverfahren eingeleitet, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Ermittlungsbehörden von einer vorsätzlichen Steuerverkürzung ausgehen und den Sachverhalt zumeist ganz anders einordnen. Die Gefahr einer unnötigen Selbstbelastung ist daher zu Beginn des Verfahrens besonders groß. Deshalb ist dringend anzuraten, die erhobenen Vorwürfe und den zugrunde liegenden Sachverhalt zunächst aus strafrechtlicher wie auch aus steuerrechtlicher Sicht gründlich zu prüfen, bevor man hierzu inhaltlich Stellung nimmt.
Welche Rechte haben das betroffene Unternehmen bzw. dessen Verantwortliche, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wurde?
Für Beschuldigte ist hier an erster Stelle das Schweigerecht zu nennen. Niemand muss sich in unserer Rechtsordnung selbst belasten. Wird hiervon Gebrauch gemacht, darf dies auch nicht zu Lasten des Betroffenen quasi im Sinne eines Schuldeingeständnisses gewertet werden. Da es sich um ein von Amts wegen geführtes Verfahren handelt, kann der Beschuldigte auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sämtliche Umstände bekannt und abgewogen sind, Angaben zur Sache machen. Ferner steht auch Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, soweit sie sich durch eine Aussage selbst belasten würden. So wie sich der Beschuldigte selbstverständlich eines Anwalts bedienen darf, kann sich auch ein Zeuge im Rahmen seiner Vernehmung anwaltlichen Beistands bedienen. Typischerweise ist ein Strafverfahren gerade zu Beginn auch von einer asymmetrischen Informationslage zwischen den Fahndern und den Betroffenen gekennzeichnet. Hier hilft dann das Informations- und Akteneinsichtsrecht. Diese Rechtsposition steht dem beschuldigten Unternehmensverantwortlichen wie regelmäßig auch dem von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen betroffenen Unternehmen gleichermaßen zu. Will sich der Beschuldigte oder das Unternehmen dann gegen Zwangsmaßnahmen wie die Durchsuchung oder Beschlagnahme wehren, steht den Betroffenen regelmäßig ein Beschwerderecht zur Verfügung.
Was ist Unternehmen konkret anzuraten, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wurde?
In erster Linie gilt es für alle Betroffenen, Ruhe zu bewahren. Übersprunghandlungen sind zu vermeiden. Anwaltlicher Beistand ist umgehend in Anspruch zu nehmen. Dabei sollte der Anwalt sowohl strafrechtlichen als auch steuerrechtlichen Sachverstand mitbringen. In steuerstrafrechtlichen Verfahren geht es stets auch und gerade um materiell-steuerrechtliche Fragen, die in aller Regel komplex und nur unter Hinzuziehung entsprechenden Expertenwissens zu beantworten sind. Dies gilt insbesondere für die eingangs erwähnten Fälle im Zusammenhang mit Verrechnungspreisthemen.
Darüber hinaus ist von einem bestehenden Schweigerecht gegenüber der Steuerfahndung Gebrauch zu machen. Durchsuchungen können im Einzelfall abgewendet werden, wenn die gesuchten Unterlagen herausgegeben werden. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass dies nicht freiwillig zur Mitnahme geschieht, sondern dass auf einer förmlichen Beschlagnahme bestanden wird, um umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten offen zu halten. Unbedingt ist auf die Aushändigung des Beschlagnahmeprotokolls zu bestehen. Etwaige Zeugenvernehmungen auf dem Betriebsgelände sind mit Hinweis auf das Hausrecht gegenüber der Steuerfahndung ausdrücklich zu untersagen.
Hat sich die erste Aufregung gelegt, ist an einer Gesamtstrategie des Unternehmens aus strafrechtlicher und steuerlicher Sicht zu arbeiten. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die - grundsätzlich fortzuführende - steuerliche Außenprüfung und das Steuerstrafverfahren „aus einem Guss“ betreut und abgeschlossen werden, um den sich in aller Regel an verschiedenen Stellen bietenden Verhandlungsspielraum bestmöglich nutzen zu können.