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BAG zur Kündigung wegen Entwendung von Zigarettenpackungen - Verdeckte Videoüberwachung

Urteil des BAG vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11

Ent­wen­det eine Verkäuferin Zi­ga­ret­ten­pa­ckun­gen aus dem Wa­ren­be­stand des Ar­beit­ge­bers, kann dies auch nach länge­rer - im Streit­fall zehnjähri­ger - Be­triebs­zu­gehörig­keit eine Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses recht­fer­ti­gen. Führte eine ver­deckte Vi­deoüber­wa­chung zur Überführung der Täte­rin, kann das auf diese Weise ge­won­nene Be­weis­ma­te­rial im Be­strei­tens­fall pro­zes­sual al­ler­dings nicht ohne Wei­te­res ver­wer­tet wer­den.

Das ent­spre­chende In­ter­esse des Ar­beit­ge­bers hat ge­genüber dem Schutz des in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­rechts der Ar­beit­neh­me­rin nur dann höheres Ge­wicht, wenn die Art der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung trotz der mit ihr ver­bun­de­nen Persönlich­keits­be­einträch­ti­gung als schutz­bedürf­tig zu qua­li­fi­zie­ren ist. Dies ist bei ver­deck­ter Vi­deoüber­wa­chung nur dann der Fall, wenn der kon­krete Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung oder ei­ner an­de­ren schwe­ren Ver­feh­lung zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers be­stand, es keine Möglich­keit zur Aufklärung durch we­ni­ger ein­schnei­dende Maßnah­men (mehr) gab und die Vi­deoüber­wa­chung ins­ge­samt nicht un­verhält­nismäßig war. Un­ter die­sen stren­gen Vor­aus­set­zun­gen wie­derum ste­hen Vor­schrif­ten des Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes (BDSG) der ver­deck­ten Vi­deoüber­wa­chung auch an öff­ent­lich zugäng­li­chen Ar­beitsplätzen nicht ent­ge­gen. Zwar be­stimmt § 6b Abs. 2 BDSG, dass bei Vi­deo­auf­zeich­nun­gen in öff­ent­lich zugäng­li­chen Räumen der Um­stand der Be­ob­ach­tung und die ver­ant­wort­li­che Stelle er­kenn­bar zu ma­chen sind. Bei einem Ver­stoß ge­gen diese Pflicht wird aber nicht jed­wede Vi­deoüber­wa­chungsmaßnahme an öff­ent­lich zugäng­li­chen Ar­beitsplätzen per se un­zulässig.

In An­wen­dung die­ser Grundsätze hat der Zweite Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG)die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz auf­ge­ho­ben, so­weit diese die Kündi­gungs­schutz­klage ei­ner Verkäuferin ab­ge­wie­sen hat.

Die Be­klagte ist ein bun­des­weit täti­ges Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men. Die Kläge­rin war bei ihr zu­letzt als stell­ver­tre­tende Fi­li­al­lei­te­rin be­schäftigt. Für drei Wo­chen im De­zem­ber 2008 in­stal­lierte die Be­klagte mit Zu­stim­mung des Be­triebs­rats ver­deckte Vi­deo­ka­me­ras in den Ver­kaufsräumen. Sie hat gel­tend ge­macht, es habe der Ver­dacht be­stan­den, dass auch Mit­ar­bei­ter­diebstähle zu ho­hen In­ven­tur­dif­fe­ren­zen bei­ge­tra­gen hätten. Auf dem Mit­schnitt sei zu se­hen, wie die Kläge­rin bei zwei Ge­le­gen­hei­ten je­weils zu­min­dest eine Zi­ga­ret­ten­pa­ckung aus dem Wa­ren­be­stand ent­wen­det habe. Die Be­klagte kündigte das Ar­beits­verhält­nis frist­los, hilfs­weise frist­ge­recht. Die Kläge­rin hat be­strit­ten, Zi­ga­ret­ten ent­wen­det zu ha­ben. Nach Ein­nahme des Au­gen­scheins in die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den Kündi­gungs­vor­wurf als er­wie­sen er­ach­tet und die Klage ge­gen die or­dent­li­che Kündi­gung ab­ge­wie­sen.


Der Se­nat hat die Sa­che zur wei­te­ren Aufklärung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Zwar ist die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht zu be­an­stan­den, die - al­lein noch im Streit ste­hende - or­dent­li­che Kündi­gung sei nach dem zu­grunde ge­leg­ten Sach­ver­halt so­zial ge­recht­fer­tigt. Es steht aber noch nicht fest, ob die Vor­aus­set­zun­gen für eine pro­zes­suale Ver­wer­tung der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen ge­ge­ben sind.

Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BAG Nr. 49/2012 vom 21.06.2012

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