In diesem Zusammenhang wurden u. a. die Vorgaben hinsichtlich der Ausfalldefinition im Rahmen von zwei Standards vereinheitlicht; beide sind bis zum 31.12.2020 von allen CRR-Instituten umzusetzen:
- Der regulatorisch-technischer Standard (RTS) zur Materialitätsschwelle, welcher die (absolute und relative) Erheblichkeitsschwelle eines wesentlichen Zahlungsverzugs konkretisiert, wurde am 6.2.2018 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (Delegierte Verordnung (EU) 2018/171).
Hinweis
Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Solvabilitätsverordnung vom 19.2.2019 (BGBl. 2019 I S. 122) wurde der RTS in deutsches Recht übernommen (siehe novus Finanzdienstleistungen 3. Ausgabe 2018, S. 22). Die Änderungsverordnung trat am 28.2.2019 in Kraft.
- Die EBA-Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition (EBA/GL/2016/07, deutsche Fassung vom 18.1.2017), welche die Ausfalldefinitionen konkretisieren und Vorgaben hinsichtlich der Dokumentationsanforderungen festgelegen, werden mit Rundschreiben 3/2019 (BA) vom 16.4.2019 zum 1.1.2021 in die Verwaltungspraxis der BaFin übernommen.
Hinweis
Die neuen Ausfalldefinitionen sind auch für Institute relevant, die den Kreditrisiko Standardansatz (KSA) nutzen. Daraus ergeben sich nicht nur Auswirkungen auf die Zuordnungskriterien der KSA-Forderungsklasse „Ausgefallene Forderungen“, sondern auch auf die Messung und Schätzung zentraler Risikoparameter.
Wesentliche Inhalte der EBA-Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition sind:
Zahlungsverzug
Die EBA-Leitlinien legen Kriterien zur Bestimmung der Überfälligkeit fest, wenn der Schuldner aufgrund gesonderten Vertragsvereinbarungen z. B. das Recht besitzt, den Rückzahlungsplan zu ändern, auszusetzen oder zu verschieben. Spezielle Vorschriften für Factoring und angekaufte Forderungen geben konkrete Hinweise, ab wann in solchen Fällen Überfälligkeit anzunehmen ist. Darüber hinaus wird klargestellt, welche Fälle von technischen Überfälligkeiten nicht als Ausfall i. S. d. Art. 178 CRR betrachtet werden.
Hinweis
Die Sonderbehandlung von Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten, lokalen
Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen, bei welchen ein Zahlungsverzug erst nach Ablauf von 180 Tagen (gegenüber sonst 90 Tagen) anzunehmen ist, hat die BaFin nicht in ihre Verwaltungspraxis übernommen (Art. 25 und 26 der EBA-Leitlinien).
Institute können gemäß Art. 178 Abs. 1 Satz 2 CRR wählen, ob im Rahmen des Mengengeschäfts (bei KSA-Instituten auch für alle Risikopositionen) die Ausfalldefinition auf Einzelengagement- (einzelne Kreditfazilitäten) oder auf Gesamtengagementebene (Schuldnerebene) erfolgt. Der Anwendungsbereich der Ausfalldefinition muss dabei klar definiert sein und die interne Risikomanagementpraxis widerspiegeln:
- Bei Anwendung auf Einzelengagementebene muss z. B. bei Ausfall eines erheblichen Teils der Forderungen des Kreditnehmers geprüft werden, ob es zum Ausfall aller übrigen Forderungen des Kreditnehmers kommen kann.
- Bei Anwendung auf Gesamtengagementebene müssen Institute u.a. festlegen, wann es zu einer „Ansteckung“ zwischen einzelnen Forderungen des Kreditnehmers kommen kann.
Hinweis
Sofern Institute zur Ausfallstatusbestimmung auf externe Datenquellen zurückgreifen, müssen sie sicherstellen, dass die Ausfalldefinition aus den externen Datenquellen mit der nach Art. 178 CRR sowie mit den eigenen Definitionen im Einklang stehen. Bei Differenzen muss eine Analyse der Differenzen und deren Auswirkungen erfolgen.
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Die EBA-Leitlinien präzisieren bestehende bzw. definieren neue Indikatoren, welche auf die potenzielle Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners hindeuten.

Hinweis
Die EBA-Leitlinien geben darüber hinaus konkrete Hinweise für (interne und externe) Indikatoren, welche die Institute über die Indikatoren des Art. 178 Abs. 3 CRR hinaus selbst festlegen können.
Rückkehr zum Nicht-Ausfall-Status
Die Möglichkeit für eine Gesundung bzw. Rückkehr zum nicht-ausgefallenen Status als Teil einer vollständigen Ausfalldefinition ist gemäß den EBA-Leitlinien nur bei Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen gegeben, u. a.:
- Prüfung, dass keine der ursprünglichen (und während des Ausfalls hinzugetretenen) Ausfallindikatoren mehr vorliegen,
- Nachweis des Wohlverhaltens (mindestens drei Monate bei nicht restrukturierten und mindestens ein Jahr bei restrukturierten Risikopositionen),
- Faktische und dauerhafte Verbesserung der Bonität.
Hinweis
Institute müssen eindeutige Kriterien und Richtlinien festlegen, nach denen Schuldner zurück in den nicht-ausgefallenen Status klassifiziert werden. Die Richtlinien und Kriterien müssen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Fazit
Insgesamt erfordern die neuen Anforderungen an die Ausfalldefinition eine Überprüfung des bisherigen Verfahrens zur Verzugsermittlung und zur Entwicklung von eigenen, internen Verfahren zur Erkennung der potentiellen Zahlungsunfähigkeit und zur Rückkehr in den Nicht-Ausfall-Status. Das zeitnahe, taggenaue Erkennen von Ausfällen kann dabei (je nach IT-System) zu einem hohen Grad an Prozess-Automatisierung und IT-Anpassungen führen. Auch die gestiegenen Anforderungen an die interne Governance (Festlegung und Dokumentation von diversen Kriterien, Führung eines Registers mit Definitionen, laufendes Monitoring) erfordern eine Überarbeitung der vorhandenen internen Richtlinien. In Institutsgruppen ist der Schwerpunkt auf eine konzernweite Harmonisierung von Verfahren und Definitionen zu legen.
Hinweis
Auch wenn die Umsetzung der neuen EBA-Leitlinien erst bis Ende 2020 gefordert ist, sind rechtzeitige Auswirkungsuntersuchungen sowie Umsetzungsplanungen unabdingbar.
Leitlinien zur Festlegung von mit hohem Risiko verbundenen Risikopositionsarten
Die Anforderungen für die Klassifizierung einer Forderung als Position mit hohem Risiko sind in Art. 128 CRR dargelegt und führen zur Zuweisung eines Risikogewichts von 150 %. Aufgrund unterschiedlicher Praktiken in der EU bei der Abgrenzung und Risikogewichtung solcher Positionen hat die EBA im Einklang mit dem ihr gemäß Art. 128 Abs. 3 Satz 2 CRR erteilten Mandat Leitlinien zur Festlegung einer allgemeinen Vorgehensweise zur Identifizierung von Forderungen mit hohem Risiko veröffentlicht (EBA/GL/2019/01 vom 17.1.2019).
Diese Leitlinien erläutern im Einzelnen die in Art. 128 Abs. 2 lit a und c CRR genannten Begriffe „Beteiligung an Risikokapitalgesellschaften“ und „Positionen aus privatem Beteiligungskapital“ und legen zudem fest, welche nicht in Art. 128 Abs. 2 CRR genannten Risikopositionsarten unter welchen Umständen mit besonders hohem Risiko verbunden sein können. Grundsätzlich können alle in Art. 112 CRR aufgeführten Risikopositionsklassen Positionen mit besonders hohem Risiko beinhalten, vor allem aber die Risikopositionsklassen Unternehmen (lit. b), Beteiligungsrisikopositionen (lit. p) und sonstige Posten (lit. q). Diese müssen allerdings einen Umfang oder eine Bandbreite von Risikotreibern aufweisen, die bei anderen Schuldnern oder Transaktionen der gleichen Forderungsklasse eher unüblich sind.
EBA identifiziert per se grundsätzlich drei Arten von Positionen mit hohem Risiko:
- Finanzierung von spekulativen Investitionen mit besonders hohem Verlustrisiko und nicht ausreichend anderen Einkünften,
- Spezialfinanzierungen ohne verfügbare spezifische externe Emissionsratings und besonders hohen Verlustrisiken und
- sämtliche Aktienanteile, sofern auf Schuldtitel desselben Emittenten ein Risikogewicht von 150 % angewandt wird bzw. anzuwenden wäre, z. B. weil der Emittent gemäß Art. 178 CRR als ausgefallen gilt.
Hat das Institut darüberhinausgehend weitere Risikopositionsarten mit besonders hohem Risiko identifiziert, sind diese der EBA (über die BaFin) zu melden.
Hinweis
Die Risikopositionsart „spekulative Immobilienfinanzierung“ ist aus dem Anwendungsbereich der Leitlinien explizit ausgenommen worden, da sie von Art. 128 Abs. 2 lit. d) CRR erfasst ist.
Mit Konsultation 11/2019 vom 8.5.2019 hat die BaFin die vollumfängliche Übernahme dieser Leitlinien in ihre Verwaltungspraxis zum 1.7.2019 angekündigt.
Hinweis
Die EBA-Leitlinien gelten möglicherweise nur vorübergehend, da noch abzuwarten bleibt, ob diese auch nach Inkrafttreten der CRR II weiterhin in diesem Umfang Anwendung finden. Aus heutiger Sicht sind die Leitlinien jedoch sowohl im Neu- als auch im Bestandsgeschäft verpflichtend.