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Anwendung von § 64 S. 1 GmbHG auf den Direktor einer private company limited by shares

BGH 15.3.2016, II ZR 119/14

Auf den Di­rek­tor ei­ner pri­vate com­pany li­mited by sha­res, über de­ren Vermögen in Deutsch­land das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist, kommt § 64 S. 1 GmbHG zur An­wen­dung. Diese Rechts­an­wen­dung steht nicht in Wi­der­spruch zum Uni­ons­recht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Ver­wal­ter in dem In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der K. Ltd. (Schuld­ne­rin). Das Ver­fah­ren wurde am 27.11.2007 vom AG Er­furt eröff­net. Die Schuld­ne­rin ist als pri­vate com­pany li­mited by sha­res (Li­mited) in dem für Eng­land und Wa­les zuständi­gen Han­dels­re­gis­ter in Car­diff ein­ge­tra­gen. Eine deut­sche Zweig­nie­der­las­sung ist in dem zunächst vom AG Er­furt, jetzt vom AG Jena geführ­ten Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Die Be­klagte ist Di­rek­to­rin der Schuld­ne­rin. Die Schuld­ne­rin war über­wie­gend in Deutsch­land tätig. Ihr Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand be­stand in der Mon­tage von Lüftungs­an­la­gen und da­mit ver­bun­de­nen Dienst­leis­tun­gen. Mit der Be­haup­tung, die Schuld­ne­rin sei spätes­tens seit dem 1.11.2006 zah­lungs­unfähig und die Be­klagte habe in der Zeit vom 11.12.2006 bis zum 26.2.2007 Zah­lun­gen der Schuld­ne­rin i.H.v. rd. 110.000 € ver­an­lasst, hat der Kläger die Be­klagte auf Er­satz die­ses Be­tra­ges nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­che An­walts­kos­ten in An­spruch ge­nom­men.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Mit der Re­vi­sion ver­folgt die Be­klagte ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Der BGH setzte das Ver­fah­ren aus und legte dem EuGH fol­gende Fra­gen zur Aus­le­gung der Art. 49, 54 AEUV und des Art. 4 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 1346/2000 über In­sol­venz­ver­fah­ren (Eu­In­sVO) in Be­zug auf § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG in der Fas­sung vor In­kraft­tre­ten des Mo­MiG (in­halts­gleich mit der Neu­fas­sung) zur Vor­ab­ent­schei­dung vor:

  1. Be­trifft eine Klage vor einem deut­schen Ge­richt, mit der ein Di­rek­tor ei­ner Li­mited, über de­ren Vermögen in Deutsch­land nach Art. 3 Abs. 1 Eu­In­sVO das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist, vom In­sol­venz­ver­wal­ter auf Er­satz von Zah­lun­gen in An­spruch ge­nom­men wird, die er vor Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens, aber nach Ein­tritt der Zah­lungs­unfähig­keit ge­leis­tet hat, das deut­sche In­sol­venz­recht i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Eu­In­sVO?
  2. Verstößt eine Klage der vor­ste­hen­den Art ge­gen die Nie­der­las­sungs­frei­heit nach Art. 49, 54 AEUV?

Der EuGH hat hierzu fest­ge­stellt:

  1. Art. 4 Eu­In­sVO ist da­hin aus­zu­le­gen, dass in sei­nen An­wen­dungs­be­reich eine Klage vor einem deut­schen Ge­richt fällt, mit der der Di­rek­tor ei­ner Ge­sell­schaft eng­li­schen oder wa­li­si­schen Rechts, über de­ren Vermögen in Deutsch­land das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist, vom In­sol­venz­ver­wal­ter die­ser Ge­sell­schaft auf der Grund­lage ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung wie § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. auf Er­satz von Zah­lun­gen in An­spruch ge­nom­men wird, die der Di­rek­tor vor Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens, aber nach dem Zeit­punkt, auf den der Ein­tritt der Zah­lungs­unfähig­keit fest­ge­setzt wurde, ge­leis­tet hat.
  2. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV ste­hen der An­wen­dung ei­ner na­tio­na­len Vor­schrift wie § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. auf den Di­rek­tor ei­ner Ge­sell­schaft eng­li­schen oder wa­li­si­schen Rechts, über de­ren Vermögen in Deutsch­land das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist, nicht ent­ge­gen.

Die Re­vi­sion der Be­klag­ten blieb dar­auf­hin vor dem BGH ohne Er­folg.

Die Gründe:
Nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. sind die Ge­schäftsführer ei­ner GmbH der Ge­sell­schaft oder nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens dem In­sol­venz­ver­wal­ter zum Er­satz von Zah­lun­gen ver­pflich­tet, die nach Ein­tritt der Zah­lungs­unfähig­keit der Ge­sell­schaft oder nach Fest­stel­lung ih­rer Über­schul­dung ge­leis­tet wor­den sind. Zu Recht hat das OLG diese Vor­schrift auf die Be­klagte als die Di­rek­to­rin ei­ner Li­mited an­ge­wandt.

Die Vor­schrift soll Mas­se­verkürzun­gen im Vor­feld des In­sol­venz­ver­fah­rens ver­hin­dern und für den Fall, dass der Ge­schäftsführer sei­ner Mas­se­si­che­rungs­pflicht nicht nach­kommt, si­cher­stel­len, dass das Ge­sell­schafts­vermögen wie­der auf­gefüllt wird, da­mit es im In­sol­venz­ver­fah­ren zur rang­ge­rech­ten und gleichmäßigen Be­frie­di­gung al­ler Ge­sell­schaftsgläubi­ger zur Verfügung steht. Da­mit wird von § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. im Re­gel­fall nicht ein Scha­den der Ge­sell­schaft er­fasst, son­dern ein Scha­den der künf­ti­gen In­sol­venzgläubi­ger. Die ver­bots­wid­ri­gen Zah­lun­gen die­nen in der Re­gel der Erfüllung von Ver­bind­lich­kei­ten der Ge­sell­schaft und führen bei die­ser nur zur Verkürzung der Bi­lanz­summe, nicht aber zu einem Vermögens­scha­den. Ver­rin­gert wird nur die In­sol­venz­masse in dem nach­fol­gen­den In­sol­venz­ver­fah­ren, was zu einem Scha­den al­lein der In­sol­venzgläubi­ger führt.

Die Haf­tung nach § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. setzt im Re­gel­fall die Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens vor­aus. Es ist dann Sa­che des In­sol­venz­ver­wal­ters, den An­spruch gel­tend zu ma­chen. Die­ser Ge­set­zes­zweck trifft auf beide Ge­sell­schafts­for­men zu. So­wohl in der GmbH als auch in der Li­mited haf­ten die Ge­sell­schaf­ter grundsätz­lich nicht mit ih­rem persönli­chen Vermögen für die Ge­sell­schafts­schul­den. In bei­den Ge­sell­schafts­for­men wer­den die Ge­schäfte von ei­ner dafür ver­ant­wort­li­chen, nicht not­wen­dig auch als Ge­sell­schaf­ter be­tei­lig­ten Per­son geführt. Bei bei­den Ge­sell­schafts­for­men be­steht die Ge­fahr, dass der Ge­schäftsführer oder der Di­rek­tor nach In­sol­venz­reife Zah­lun­gen zu Las­ten der späte­ren In­sol­venzgläubi­ger leis­tet und da­mit die In­sol­venz­masse verkürzt. Diese Umstände recht­fer­ti­gen es, den Ge­schäftsführer deut­schen Rechts und den Di­rek­tor eng­li­schen oder wa­li­si­schen Rechts in Be­zug auf die Haf­tung bei der­ar­ti­gen Zah­lun­gen gleich­zu­be­han­deln.

Diese Rechts­an­wen­dung steht nicht in Wi­der­spruch zum Uni­ons­recht. Der EuGH hat viel­mehr fest­ge­stellt, dass § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a.F. auch auf Di­rek­to­ren ei­ner Li­mited an­wend­bar sei, über de­ren Vermögen im In­land das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist. Die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Haf­tung aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. sind erfüllt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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