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Ansprüche des Arbeitnehmers bei Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen

BFH 20.4.2016, II R 50/14

Führt ein Ar­beit­ge­ber So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge, die aus Sicht des Ar­beit­neh­mers zu Un­recht ein­be­hal­ten wur­den, an die Ein­zugs­stelle ab, kann der Ar­beit­neh­mer im Re­gel­fall eine Er­stat­tung nur von die­ser ver­lan­gen. Eine An­spruch ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber be­steht nicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war beim be­klag­ten Land Sach­sen-An­halt als Leh­rer an­ge­stellt. Nach­dem das für ihn auf­grund ge­leis­te­ter Mehr­ar­beit geführte Ar­beits­zeit­konto auf­grund ta­rif­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen ge­schlos­sen wor­den war, ent­schied er sich für eine Aus­zah­lung des in Geld be­wer­te­ten Zeit­gut­ha­bens nach Ren­ten­be­ginn. Bis zum Aus­zah­lungs­zeit­punkt stand ihm eine jähr­li­che Ver­zin­sung von 5 Pro­zent zu.

Das Land be­hielt bei der Ge­halts­ab­rech­nung für De­zem­ber 2005 für die Zin­sen für das Jahr 2005 So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ein (Ren­ten­ver­si­che­rung, Kran­ken­ver­si­che­rung, Pfle­ge­ver­si­che­rung und Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung) und führte sie an die zuständige Stelle ab. Da der Kläger den Ein­be­halt der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge als rechts­wid­rig an­sah, er­hob er beim ArbG Klage ge­gen das Land auf Zah­lung des ein­be­hal­te­nen Be­trags. Zur Begründung nahm er u.a. Be­zug auf das Ur­teil ei­nes ArbG, durch das das Land ver­ur­teilt wor­den war, an ihn Lohn­steuer und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge zu zah­len, die das Land im Hin­blick auf die dem Kläger im De­zem­ber 2004 ge­zahl­ten Zin­sen ein­be­hal­ten hatte.

Das ArbG ver­wies das vor­lie­gende Ver­fah­ren auf An­trag des Lan­des an das FG. Zur Begründung führte es aus, ei­gent­li­cher Streit­ge­gen­stand sei nicht der vom Kläger ge­gen das Land gel­tend ge­machte Zah­lungs­an­spruch, son­dern die Frage, ob Zin­sen auf das vom Kläger er­ar­bei­tete Wert­gut­ha­ben Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen oder aus nicht­selbständi­ger Ar­beit seien. Für die Be­ur­tei­lung die­ser Frage sei die Fi­nanz­ge­richts­bar­keit zuständig.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Lan­des hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat zu Un­recht an­ge­nom­men, dass dem Kläger der gel­tend ge­machte Zah­lungs­an­spruch zu­stehe. Für den vom Kläger ge­gen das Land gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­an­spruch gibt es aus­ge­hend von der Recht­spre­chung des BAG und des BGH, der sich der er­ken­nende Se­nat an­schließt, ent­ge­gen der An­sicht des FG keine Rechts­grund­lage.

Nach dem Ur­teil des BAG vom 30.4.2008, 5 AZR 725/07, das den Ein­be­halt von Lohn­steuer und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen für die Zin­sen auf das Gut­ha­ben auf dem Ar­beits­zeit­konto ei­ner Leh­re­rin des Lan­des be­trifft, erfüllt der Ar­beit­ge­ber mit dem Ab­zug und der Abführung von Lohn­be­stand­tei­len (Lohn­steuer, So­li­da­ritätszu­schlag, Ar­beit­neh­mer­beiträge zur So­zi­al­ver­si­che­rung) an das Fi­nanz­amt bzw. die Ein­zugs­stelle im Re­gel­fall seine Zah­lungs­pflicht ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer. Legt der Ar­beit­ge­ber nach­voll­zieh­bar dar, dass er be­stimmte Beträge für Steu­ern oder So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ein­be­hal­ten und ab­geführt habe, kann der Ar­beit­neh­mer die nach sei­ner Auf­fas­sung un­be­rech­tigt ein­be­hal­te­nen und ab­geführ­ten Beträge grundsätz­lich nicht er­folg­reich mit ei­ner Vergütungs­klage gel­tend ma­chen.

Et­was an­de­res gilt nur dann, wenn für den Ar­beit­ge­ber auf­grund der für ihn zum Zeit­punkt des Ab­zugs be­kann­ten Umstände ein­deu­tig er­kenn­bar war, dass eine Ver­pflich­tung zum Ab­zug nicht be­stand. Nur in­so­weit sind die Ge­richte für Ar­beits­sa­chen be­fugt, die Be­rech­ti­gung der Abzüge für Lohn­steuer und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge zu überprüfen. Im Übri­gen be­schränken sich die Rechte des Ar­beit­neh­mers dar­auf, dass er die An­mel­dung der Lohn­steuer an­fech­ten, die Rücker­stat­tung zu Un­recht ent­rich­te­ter So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge gem. § 26 SGB IV for­dern und diese For­de­rung ggf. durch Klage beim SG gel­tend ma­chen kann.

Nach all­dem steht dem Kläger der gel­tend ge­machte Zah­lungs­an­spruch nicht zu. Das Land hat mit dem Ein­be­halt und der Abführung der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge an die Ein­zugs­stelle seine Zah­lungs­pflicht ge­genüber dem Kläger erfüllt. Für das Land war auf­grund der ihm zum Zeit­punkt des Ab­zugs be­kann­ten Umstände nicht ein­deu­tig er­kenn­bar, dass eine Ver­pflich­tung zum Ein­be­halt und zur Abführung nicht be­stand. Die Rechts­lage war viel­mehr noch nicht geklärt. Der Kläger war da­her auf die ihm zur Verfügung ste­hende Möglich­keit be­schränkt, die Bei­trags­er­stat­tung nach § 26 Abs. 2 Halbs. 1 SGB IV zu for­dern und er­for­der­li­chen­falls durch Klage beim SG durch­zu­set­zen. Er­stat­tungsgläubi­ger war gem. § 26 Abs. 3 S. 1 SGB IV der Kläger, der die Beiträge da­durch ge­tra­gen hatte, dass sie von sei­nem Ar­beits­lohn ab­ge­zo­gen wor­den wa­ren.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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