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Zufluss einer Erwerbsunfähigkeitsrente bei Auszahlung als Kranken- bzw. Überbrückungsgeldes

FG Münster 17.5.2016, 5 K 1620/14 E

In Höhe der Über­zah­lung durch die Kran­ken­kasse bzw. die Agen­tur für Ar­beit gilt der An­spruch des Steu­er­pflich­ti­gen ge­gen die Ren­ten­ver­si­che­rung als ei­gent­li­che Leis­tungsträge­rin gem. § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Mit die­ser Erfüllungs­fik­tion hat sich der Ge­setz­ge­ber aus Gründen der Rechts­klar­heit und der Ver­wal­tungsöko­no­mie für eine un­kom­pli­zierte und im Rah­men des So­zi­al­leis­tungs­rechts ein­heit­li­che Form des in­ter­nen Aus­gleichs von Leis­tungs­be­wil­li­gun­gen ent­schie­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger sind zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer 2011 ver­an­lagte Ehe­gat­ten. Bei der da­ma­li­gen Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer fan­den auch Kran­ken­geld und Überg­angs­geld Berück­sich­ti­gung. Dem Kläger war im Sep­tem­ber 2012 auf­grund ei­nes Erst­be­schei­des der DRV über die Zah­lung ei­ner Rente we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung ab März 2011 eine mo­nat­li­che Rente zu­er­kannt wor­den. Da­mit ver­bun­den war eine Nach­zah­lung i.H.v. 13.034 €, die je­doch vorläufig nicht aus­ge­zahlt wurde. Mit Be­scheid der DRV aus Ok­to­ber 2012 wurde dem Kläger mit­ge­teilt, dass nur ein Be­trag von 1.065 € an ihn aus­ge­zahlt werde, im Übri­gen werde zur Erfüllung er­ho­be­ner Er­stat­tungs­an­sprüche ein Be­trag i.H.v. 4.641 € an die Agen­tur für Ar­beit und rund 7.328 € an die Kran­ken­kasse ab­geführt.

Das Fi­nanz­amt setzte die Ein­kom­men­steuer 2011 auf 2.550 € fest. Im Ver­gleich zur ur­sprüng­li­chen Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung wur­den sons­tige Einkünfte aus der Leib­rente i.H.v. 7.382 € erst­ma­lig berück­sich­tigt und die be­schränkt ab­zieh­ba­ren Son­der­aus­ga­ben um die we­gen Be­zugs der Er­werbs­unfähig­keits­rente zusätz­li­chen Beiträge zur Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung i.H.v. 605 € und 143 €, d.h. um 750 € erhöht. Hier­aus fol­gend änderte sich die Höhe der zu­mut­ba­ren Be­las­tung nach § 33 Abs. 3 EStG und in die Be­rech­nung des Steu­er­sat­zes wur­den nicht mehr nur 13.847 €, son­dern 25.961 € ein­be­zo­gen (Pro­gres­si­ons­vor­be­halt nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG, auf den Ehe­mann ent­fal­lend: 16.943 € an­statt zu­vor 7.681 €).

Hier­ge­gen wand­ten sich die Kläger. Sie wa­ren der An­sicht, der kom­plette Ren­ten­nach­zah­lungs­be­trag für das Jahr 2011 sei erst in 2012 mit Lohn­er­satz­leis­tun­gen ver­rech­net wor­den, so dass dem Kläger Ren­ten­zah­lun­gen in 2011 nicht zu­ge­flos­sen seien und die nach­ge­zahlte Rente auch nicht für das Jahr 2011 zu ver­steu­ern sei. Ren­ten­zah­lun­gen seien erst im Jahr des Zu­flus­ses steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen und würden nicht auf den Zeit­raum ent­fal­len, für den sie be­stimmt seien. Bezüge seien im Zeit­punkt des Zu­flus­ses zu berück­sich­ti­gen.

Das FG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat das von der Kran­ken­kasse ge­zahlte Kran­ken­geld und das von der Agen­tur für Ar­beit ge­zahlte Überg­angs­geld zu Recht i.H.v. ins­ge­samt 7.382 € als Leib­rente der Be­steue­rung gem. § 22 Nr. 1 S. 3a, aa EStG un­ter­wor­fen, da die Kran­ken­ver­si­che­rung und die Agen­tur für Ar­beit in­so­weit ge­gen die DRV gem. § 103 Abs. 1 u. 2 SGB X i.V.m. § 107 Abs. 1 SGB X einen Er­stat­tungs­an­spruch hat­ten. Die Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung war in­so­weit auch ei­ner Ände­rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zugäng­lich.

Der Be­steue­rungs­an­teil der Rente be­stimmt sich nach der Ta­belle des § 22 Nr. 1 S. 3a, aa S. 3 EStG, der vor­lie­gend un­strei­tig war. Die 2012 im Wege der Erfüllung von Er­stat­tungs­an­sprüchen und der Agen­tur für Ar­beit für das Jahr 2011 nach­ge­zahlte Er­werbs­min­de­rungs­rente der DRV i.H.v. 7.382 € war als Leib­rente be­reits für das Streit­jahr 2011 zu berück­sich­ti­gen. Das da­mals von der Kran­ken­kasse ge­zahlte Kran­ken­geld so­wie das im Jahr 2011 ge­zahlte Überg­angs­geld un­ter­lag in­folge der Erfüllungs­fik­tion des § 107 Abs. 1 SGB X i.H.d. von der DRV für das Jahr 2011 ge­leis­te­ten Er­stat­tun­gen als Leib­rente mit ih­rem Be­steue­rungs­an­teil gem. § 22 Nr. 1 S. 3a, aa S. 3 EStG der Ein­kom­men­steuer.

Zwar wa­ren die Bezüge dem Kläger als Kran­ken­geld bzw. Überg­angs­geld zu­ge­flos­sen. Für die Be­steue­rung war je­doch ent­schei­dend, dass sie ihm auf der Rechts­grund­lage des mit der DRV be­ste­hen­den Ren­ten­ver­si­che­rungs­verhält­nis­ses als Er­werbs­min­de­rungs­rente zu­stan­den. Die­ser - endgültige - so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Rechts­grund ist für die steu­er­li­che Be­hand­lung maßge­bend. Der "Aus­tausch" des so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Rechts­grun­des - Er­werbs­min­de­rungs­rente statt Kran­ken­geld bzw. Überg­angs­geld - wird be­tragsmäßig durch den Er­stat­tungs­an­spruch kon­kre­ti­siert, der im Fall ei­ner zeit­li­chen Über­schnei­dung zweier Leis­tun­gen dem vor­leis­ten­den Ver­si­che­rungsträger auf der Rechts­grund­lage des § 103 SGB X zu­steht.

In Höhe der Über­zah­lung durch die Kran­ken­kasse bzw. die Agen­tur für Ar­beit gilt der An­spruch des Steu­er­pflich­ti­gen ge­gen die Ren­ten­ver­si­che­rung als ei­gent­li­che Leis­tungsträge­rin gem. § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Mit die­ser Erfüllungs­fik­tion hat sich der Ge­setz­ge­ber aus Gründen der Rechts­klar­heit und der Ver­wal­tungsöko­no­mie für eine un­kom­pli­zierte und im Rah­men des So­zi­al­leis­tungs­rechts ein­heit­li­che Form des in­ter­nen Aus­gleichs von Leis­tungs­be­wil­li­gun­gen ent­schie­den. Da­mit soll eine Rück­ab­wick­lung im Verhält­nis zwi­schen vor­leis­ten­dem Träger und Leis­tungs­be­rech­tig­tem (hier: dem Kläger) so­wie ein Nach­ho­len der Leis­tung im Verhält­nis zwi­schen leis­tungs­pflich­ti­gem Träger und Leis­tungs­be­rech­tig­tem ver­mie­den wer­den. Durch die fol­ge­rich­tige Zu­grun­de­le­gung der Erfüllungs­fik­tion des § 107 Abs. 1 SGB X auch bei der An­wen­dung des § 22 EStG liegt der Ren­ten­be­ginn hier in dem Jahr, in dem der Kläger die Leis­tun­gen - un­abhängig von ih­rem Rechts­grund - tatsäch­lich er­hal­ten und sich seine wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit erhöht hat, mit­hin in 2011.

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