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Voraussetzungen besonders förderungswürdiger Biokraftstoffe

BFH 12.4.2016, VII R 56/13

Die be­son­dere Förde­rungswürdig­keit von Bio­kraft­stof­fen i.S.d. § 50 Abs. 5 (mitt­ler­weile Abs. 4) En­er­gieStG ist re­strik­tiv aus­zu­le­gen. Sie setzt u.a. vor­aus, dass der Kraft­stoff im Ver­gleich zu herkömm­li­chen Bio­kraft­stof­fen ein ho­hes CO2-Min­de­rungs­po­ten­tial auf­weist und auf brei­te­rer bio­ge­ner Roh­stoff­grund­lage her­ge­stellt wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin han­delt mit Mi­ne­ralöl. Sie er­warb von einem Mi­ne­ralölun­ter­neh­men Bio­kraft­stoff mit der Be­zeich­nung X, wel­chen sie den von ihr ver­trie­be­nen Die­sel­kraft­stof­fen bei­mischte. Das Her­stel­lungs­ver­fah­ren von X be­schreibt die Kläge­rin wie folgt:

"Aus­gangs­punkt zur Her­stel­lung von X sind Pflan­zenöle aus Ölsaa­ten, vor al­lem Palm[kern]öl, so­wie ein ge­rin­ger An­teil tie­ri­scher Fette. Pflan­zenöle und tie­ri­sche Fette be­ste­hen zu über 90 Pro­zent aus ver­schie­de­nen Tri­gly­ce­ri­den, also aus Stoff­ver­bin­dun­gen, die aus den Be­stand­tei­len Fettsäure und Gly­ce­rol be­ste­hen. Da zur Her­stel­lung von Bio­kraft­stoff zunächst die Ab­tren­nung der wei­te­ren Be­stand­teile er­for­der­lich ist, wer­den die Aus­gangs­pro­dukte in der Re­gel zunächst vor­be­han­delt.

Die vor­han­de­nen Tri­gly­ce­ride wer­den dann durch eine ka­ta­ly­ti­sche Re­ak­tion mit Was­ser­stoff (Hy­drie­rung), die bei Tem­pe­ra­tu­ren von 320° C bis 360° C und bis zu 80 bar Druck ein­setzt, in Koh­len­was­ser­stoffe um­ge­wan­delt, wo­bei in Abhängig­keit von der ther­mi­schen Be­las­tung und von der Aus­wahl des Ka­ta­ly­sa­tors die Spal­tung der ur­sprüng­li­chen Koh­len­stoff­kette in Mo­leküle mit kürze­rer Ket­tenlänge er­folgt. Ne­ben der Spal­tung des Fettsäur­egly­ce­rids (Hy­dro­cracking) in Pro­pan und Fettsäuren er­folgt durch Iso­me­ri­sie­rung ein Um­bau der Ket­ten­struk­tur. Un­gesättigte Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen so­wie He­ter­oatome, d.h. Atome, die kein Koh­len­stoff oder Was­ser­stoff sind, wer­den da­bei durch Ein­la­ge­rung von Was­ser­stoff eli­mi­niert. End­pro­dukte des Um­wand­lungs­pro­zes­ses sind X (Bio­die­sel­kraft­stoff ...) ei­ner­seits und sons­tige Bio­pro­dukte an­de­rer­seits (flüch­tige Koh­len­was­ser­stoffe, Was­ser, H2)."

Für 2007 be­an­tragte die Kläge­rin eine Steu­er­ent­las­tung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG (in der für das Streit­jahr 2007 gel­ten­den Fas­sung). Das be­klagte Haupt­zoll­amt lehnte den An­trag ab, da es sich bei der Her­stel­lung von X um keine ther­mo­che­mi­sche Um­wand­lung i.S.d. § 50 Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG han­dele.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Der Be­griff "ther­mo­che­mi­sche Um­wand­lung" sei nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers eng aus­zu­le­gen. Es seien nur Bio­mass-to-Li­quid-Kraft­stoffe (BtL-Kraft­stoffe) als be­son­ders förde­rungswürdig i.S.d. § 50 Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG an­zu­se­hen. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass der Ab­leh­nungs­be­scheid des Haupt­zoll­am­tes zu der von der Kläge­rin gem. § 50 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG be­an­trag­ten Steu­er­ent­las­tung für das Jahr 2007 rechtmäßig ist.

X ist kein be­son­ders förde­rungswürdi­ger Bio­kraft­stoff. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 50 Abs. 1 Nr. 2 En­er­gieStG kom­men bei X von vorn­her­ein nicht in Be­tracht. Darüber hin­aus fällt X aber auch nicht un­ter § 50 Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG. Stellt man al­lein auf den Wort­laut ab, erfüllt X zwar die Vor­aus­set­zun­gen des § 50 Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG. Es han­delt sich um die Her­stel­lung ei­nes syn­the­ti­schen Koh­len­was­ser­stoffs aus Bio­masse. Darüber hin­aus ist das HVO-Ver­fah­ren zu­min­dest auch eine ther­mo­che­mi­sche Um­wand­lung, da die gewünsch­ten che­mi­schen Re­ak­tio­nen eine Tem­pe­ra­tur von 320°C bis 360°C er­for­dern. Al­ler­dings erfüllt X nicht sämt­li­che Ein­schränkun­gen, die auf­grund ei­ner his­to­ri­schen, sys­te­ma­ti­schen und te­leo­lo­gi­schen Aus­le­gung des § 50 Abs. 5 Nr. 1 En­er­gieStG erfüllt sein müssen, um zu ei­ner Steu­er­ent­las­tung zu ge­lan­gen.

Im Rah­men der Aus­le­gung ist zu berück­sich­ti­gen, dass das Bio­kraft­stoff­quo­ten­ge­setz den Aus­bau der Bio­kraft­stoffe auf eine tragfähige fi­nan­zi­elle Ba­sis stel­len wollte, in­dem die Förde­rung durch Steu­er­vergüns­ti­gun­gen im En­er­gieStG ab­ge­baut und statt­des­sen die Förde­rung durch eine Bio­kraft­stoff­quote gem. § 37a ff. BImSchG ein­geführt wird. So­weit es für "be­son­ders förde­rungswürdige" Bio­kraft­stoffe zu ei­ner dop­pel­ten Förde­rung durch die Bio­kraft­stoff­quote ei­ner­seits und eine steu­er­li­che Ent­las­tung an­de­rer­seits kommt, ist so­mit eine re­strik­tive Aus­le­gung ge­bo­ten, die ins­be­son­dere die vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­ten en­er­gie- und um­welt­po­li­ti­schen Ziele Ver­sor­gungs­si­cher­heit und Kli­ma­schutz berück­sich­tigt. Diese Ziele können durch eine sys­te­ma­ti­sche Aus­le­gung an­hand der Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung des § 66 Abs. 1 Nr. 11a En­er­gieStG wei­ter kon­kre­ti­siert wer­den.

Aus Buchst. a er­ge­ben sich zunächst be­stimmte Nach­hal­tig­keits­kri­te­rien, die aber erst durch die Ver­ord­nung vom 30.9.2009 über An­for­de­run­gen an eine nach­hal­tige Her­stel­lung von Bio­kraft­stof­fen (Bio­kraft­stoff-Nach­hal­tig­keits­ver­ord­nung, BGBl I 2009, 3182) um­ge­setzt wor­den sind. Darüber hin­aus wird aus Buchst. e deut­lich, dass sich die be­son­ders förde­rungswürdi­gen Bio­kraft­stoffe zum einen durch ein ho­hes CO2-Min­de­rungs­po­ten­tial und zum an­de­ren durch eine Her­stel­lung auf brei­te­rer bio­ge­ner Roh­stoff­grund­lage aus­zeich­nen.

Da­mit schei­det vor­lie­gend die be­son­dere Förde­rungswürdig­keit von X je­den­falls des­halb aus, weil die Her­stel­lung nicht auf ei­ner brei­te­ren bio­ge­nen Roh­stoff­grund­lage als bei herkömm­li­chen Bio­kraft­stof­fen be­ruht. Viel­mehr wer­den für die Her­stel­lung von X wei­ter­hin vor­wie­gend Ölsaa­ten ver­wen­det. Dies ent­spricht der Roh­stoff­grund­lage herkömm­li­cher Bio­kraft­stoffe (z.B. Bio­die­sel, der eben­falls nur aus Ölsaa­ten - in Eu­ropa meist Raps­sa­men - und an­de­ren ölhal­ti­gen Tei­len der Pflan­zen ge­won­nen wird). Der Ge­set­zes­zweck, die steu­er­li­che Förde­rung von Bio­kraft­stof­fen ein­zudämmen und nur auf be­son­ders förde­rungswürdige Bio­kraft­stoffe zu be­schränken, wird aber nur dann er­reicht, wenn für die Her­stel­lung der be­tref­fen­den Bio­kraft­stoffe die Roh­stoff­grund­lage we­sent­lich ver­brei­tert und möglichst die ge­samte Pflanze ver­wen­det wird.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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