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Vererblichkeit von Verlusten - nur bei wirtschaftlicher Belastung des Erben

FG Köln 27.1.2016, 4 K 253/11

Der Erbe kann Ver­luste des Erb­las­sers nur dann ab­zie­hen, wenn er durch sie wirt­schaft­lich be­las­tet war. Den Ver­lust des Erb­las­sers "wirk­lich tra­gen" bzw. durch ihn "wirt­schaft­lich be­las­tet" zu sein, be­deu­tet ge­rade nicht, dass es al­leine dar­auf an­kommt, ob der Erbe recht­lich für Schul­den des Erb­las­sers in An­spruch ge­nom­men wer­den kann.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist ge­mein­sam mit sei­ner Mut­ter zu je ½ Erbe nach sei­nem im Streit­jahr 2006 ver­stor­be­nen Va­ter. In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr wurde ein beim Va­ter ent­stan­de­ner und nicht aus­ge­nutz­ter Ver­lust gel­tend ge­macht. Der Erklärung war der Be­scheid über die ge­son­derte Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­ab­zu­ges zum 31.12.2005 des ver­stor­be­nen Va­ters über 326.159 € bei­gefügt. Der Kläger be­an­tragte da­von die Hälfte bei sei­ner Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung zu berück­sich­ti­gen.

Das Fi­nanz­amt folgte die­sem An­trag nicht. Der Kläger war der An­sicht, dass der vom Va­ter nicht in An­spruch ge­nom­mene ver­blie­bene Ver­lust auch bei ihm ent­spre­chend sei­ner Er­bquote zu berück­sich­ti­gen sei. Zwar habe der Große Se­nat des BFH am 17.12.2007 (Az.: GrS 2/04) ent­schie­den, dass ent­ge­gen der bis­he­ri­gen langjähri­gen ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung ein in der Per­son des Erb­las­sers ent­stan­de­ner Ver­lust nicht mehr auf den oder die Ge­samt­rechts­nach­fol­ger über­gehe. Das BMF wende diese Ent­schei­dung aber erst­mals auf To­desfälle nach der amt­li­chen Veröff­ent­li­chung der Ent­schei­dung, also dem 18.8.2008, an. Der To­des­fall liege hier am 2.7.2006 und da­mit mehr als zwei Jahre vor dem vom BMF an­ge­ord­ne­ten Stich­tag 18.8.2008. Maßge­bend sei da­her nicht der Be­schluss des Großen Se­na­tes, son­dern die bis da­hin gel­tende Recht­spre­chung, die re­gelmäßig den Überg­ang des Ver­lus­tes vom Erb­las­ser auf den Er­ben zu­ließe.

Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde im Hin­blick auf das anhängige Re­vi­si­ons­ver­fah­ren Az.: IX R 30/15 zu­ge­las­sen. Das Ver­fah­ren ist beim BFH un­ter dem Az.: IX R 9/16 anhängig.

Die Gründe:
Ma­te­ri­ell recht­lich sind die in der Per­son des Va­ters/Erb­las­sers ent­stan­de­nen Ver­luste nicht auf den Kläger über­ge­gan­gen. Der Erbe kann nach der Ent­schei­dung des Großen Se­nats (s.o.) einen vom Erb­las­ser nicht aus­ge­nutz­ten Ver­lust­ab­zug nach § 10d EStG nicht bei sei­ner ei­ge­nen Ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer gel­tend ma­chen.

Zwar ist die bis­he­rige ge­gen­tei­lige BFH-Recht­spre­chung aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes wei­ter­hin in al­len Erbfällen an­zu­wen­den, die bis zum Ab­lauf des Ta­ges der Veröff­ent­li­chung die­ses Be­schlus­ses ein­ge­tre­ten sind. Der Be­schluss wurde erst­mals am 12.3.2008 auf der In­ter­net­seite des BFH veröff­ent­licht. Das Bun­des­mi­nis­te­rium der Fi­nan­zen hat mit Schrei­ben vom 24.7.2008 die An­wen­dung der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung bis zum Tag der Veröff­ent­li­chung der Ent­schei­dung im Bun­des­steu­er­blatt (18.8.2008) verlängert. Je­doch schei­tert im Streit­fall eine Über­nahme der Ver­luste des Erb­las­sers durch den Kläger an der feh­len­den wirt­schaft­li­chen Be­las­tung des Klägers.

Nach früherer Recht­spre­chung und Ver­wal­tungs­mei­nung ging bei Erbfällen ein in der Per­son des Erb­las­sers ent­stan­de­ner aber nicht mehr aus­ge­gli­che­ner bzw. rück­ge­tra­ge­ner Ver­lust auf den Er­ben über, der diese Ver­luste bei der Er­mitt­lung des Ge­samt­be­trags sei­ner Einkünfte mit sei­nen Einkünf­ten aus­glei­chen konnte. Je­doch konnte der Erbe Ver­luste des Erb­las­sers nur dann ab­zie­hen, wenn er durch sie wirt­schaft­lich be­las­tet war. Den Ver­lust des Erb­las­sers "wirk­lich tra­gen" bzw. durch ihn "wirt­schaft­lich be­las­tet" zu sein, be­deu­tet ge­rade nicht, dass es al­leine dar­auf an­kommt, ob der Erbe recht­lich für Schul­den des Erb­las­sers in An­spruch ge­nom­men wer­den kann.

Mit der Ent­schei­dung vom 16.5.2001 (Az.: I R 76/99) ist der BFH der Recht­spre­chung, nach der ein Ge­samt­recht­nach­fol­ger einen Ver­lust des Rechts­vorgängers nur dann steu­er­lich gel­tend ma­chen kann, wenn er ihn wirt­schaft­lich ge­tra­gen hat, erst­mals kri­ti­sch ge­genüber ge­tre­ten. Un­ter Ver­weis auf den Vor­la­ge­be­schluss des 1. Se­nats vom 29.3.2000 hat der Se­nat aus­geführt, dass eine "wirt­schaft­li­che Be­las­tung" des Er­ben für die steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung des Ver­lus­tes er­for­der­lich sei, die­ser nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung aber nur fehle, wo der Erbe für die Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten ent­we­der gar nicht oder nur be­schränkt hafte. In den Gründen führt der 1. Se­nat wei­ter aus, dass das Kri­te­rium der "feh­len­den Be­las­tung", selbst wenn man es dem Grunde nach für tragfähig hält, im Streit­fall nicht durch­greift.

Nach Auf­fas­sung des Se­nats ist für Erbfälle, die bis zur Veröff­ent­li­chung des Be­schlus­ses des Großen Se­na­tes am 12.3.2008 ein­ge­tre­ten sind, an dem Er­for­der­nis der "wirt­schaft­li­chen Be­las­tung" fest­zu­hal­ten. Der Kläger kann durch den zu gewähren­den Ver­trau­ens­schutz nicht bes­ser ge­stellt wer­den, als er nach da­ma­li­ger Recht­spre­chungs­lage ge­stan­den hätte. Das Kri­te­rium der "wirt­schaft­li­chen Be­las­tung" ist für Fälle, die in den Überg­angs­zeit­raum fal­len, wei­ter an­zu­wen­den. Für die Be­ur­tei­lung, ob eine sol­che Be­las­tung vor­liegt, ist maßge­bend, dass den Tat­be­stand der Er­zie­lung von Einkünf­ten in Form von Ver­lus­ten aus­schließlich der Erb­las­ser erfüllt. Die Berück­sich­ti­gung ei­nes von ihm nicht aus­ge­schöpften Ver­lust­ab­zugs beim Er­ben durch­bricht die das Ein­kom­men­steu­er­recht be­herr­schen­den Grundsätze der In­di­vi­dual­be­steue­rung und der Be­steue­rung nach der persönli­chen Leis­tungsfähig­keit. Und im vor­lie­gen­den Fall konnte nicht fest­ge­stellt wer­den, dass der Kläger durch die "er­erb­ten" Ver­luste wirt­schaft­lich be­las­tet ist.

Link­hin­weis:

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