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Unentgeltliche Übertragung des Familienheims auf die eigenen Kinder erfüllt Nachversteuerungstatbestand

Hessisches FG 15.2.2016, 1 K 2275/15

Bei der Ge­set­zes­aus­le­gung ist nach h.M. auf den ob­jek­ti­vier­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers ab­zu­stel­len, so wie er sich aus dem Wort­laut der Be­stim­mung und dem Sinn­zu­sam­men­hang er­gibt, in den diese hin­ein­ge­stellt ist. So­wohl die Aus­le­gung nach dem Sinn und Zweck der Norm (te­leo­lo­gi­sche Aus­le­gung) als auch die sys­te­ma­ti­sche Aus­le­gung spre­chen dafür, dass die Steu­er­be­frei­ung für Fa­mi­li­en­heime gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG vor­aus­setzt, dass während ei­nes Zeit­raums von zehn Jah­ren nach dem Er­werb das Fa­mi­li­en­heim nicht nur vom Er­wer­ber be­wohnt wird, son­dern auch das Ei­gen­tum bei die­sem ver­bleibt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Al­lein­erbe sei­ner 2009 ver­stor­be­nen Mut­ter. Be­stand­teil des Nach­las­ses war u.a. ein Ein­fa­mi­li­en­haus. Das Gebäude wurde von der Erb­las­se­rin bis zu ih­rem Um­zug in ein Al­ten­pfle­ge­heim selbst ge­nutzt. Da­nach nutzte es der Kläger ge­mein­sam mit sei­ner Ehe­frau zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte eine Steu­er­be­frei­ung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Im Erläute­rungs­text hieß es hierzu: "Die Steu­er­be­frei­ung fällt mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit weg, wenn der Er­wer­ber das Fa­mi­li­en­heim in­ner­halb von zehn Jah­ren nach dem Er­werb nicht mehr zu Wohn­zwe­cken selbst nutzt."

Im April 2013 über­trug der Kläger die Im­mo­bi­lie an seine bei­den Kin­der, wo­bei er sich das Nießbrauchs­recht an dem Grundstück und ein Dau­er­wohn­recht zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau und sich selbst vor­be­hielt. Dar­auf­hin gewährte das Fi­nanz­amt die Steu­er­be­frei­ung für das Fa­mi­li­en­heim nicht mehr. Es war der An­sicht, die Überg­abe des Grundstücks an die Kin­der erfülle den Nach­ver­steue­rungs­tat­be­stand des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG. Durch die Wei­terüber­tra­gung un­ter Nießbrauchs­vor­be­halt seien die Vor­aus­set­zun­gen für die Steu­er­be­frei­ung des Fa­mi­li­en­heims ent­fal­len.

Der Kläger war der Auf­fas­sung, er habe sei­nen Grund­be­sitz nicht zur Er­zie­lung ei­nes Ge­winns veräußert, son­dern an seine Kin­der in dem Glau­ben ver­schenkt, dass dies kei­nen Ein­fluss auf die Höhe der Erb­schaft­steuer habe. Der im Steu­er­be­scheid ent­hal­tene Erläute­rungs­text sei un­zu­rei­chend und für den Laien nicht nach­voll­zieh­bar ge­we­sen, da er kei­nen Hin­weis auf den Sta­tus als Ei­gentümer ent­halte bzw. nicht auf die Schädlich­keit ei­ner Veräußerung oder ei­ner Schen­kung hin­weise. Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che und zur Fort­bil­dung des Rechts die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte zu Recht eine Nach­ver­steue­rung i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG vor­ge­nom­men.

Auch die un­ent­gelt­li­che Über­tra­gung ei­nes Fa­mi­li­en­heims vier Jahre nach dem Er­werb von To­des we­gen durch den Kläger als Er­wer­ber auf seine Kin­der lässt die Steu­er­be­frei­ung für Fa­mi­li­en­heime rück­wir­kend ent­fal­len. Zwar um­fasst der Wort­laut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG die Bei­be­hal­tung des Ei­gen­tums an dem Fa­mi­li­en­heim nicht, der Se­nat ist aber un­ter An­wen­dung an­er­kann­ter Aus­le­gungs­me­tho­den zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass durch die Über­tra­gung des Ei­gen­tums an dem Fa­mi­li­en­heim auf die Kin­der die Vor­aus­set­zun­gen der Steu­er­be­frei­ung rück­wir­kend ent­fal­len sind.

Bei der Ge­set­zes­aus­le­gung ist nach h.M. auf den ob­jek­ti­vier­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers ab­zu­stel­len, so wie er sich aus dem Wort­laut der Be­stim­mung und dem Sinn­zu­sam­men­hang er­gibt, in den diese hin­ein­ge­stellt ist. Ziel der Aus­le­gung ist die Er­mitt­lung des heute maßgeb­li­chen, also nor­ma­ti­ven Ge­set­zes­sinns, wo­bei eine auf den Zweck der Rechts­norm gestützte Aus­le­gung nicht zur Preis­gabe des Ge­set­zes­wort­lauts führen darf. Im Steu­er­recht, als Be­reich der Ein­griffs­ver­wal­tung, ist zu­dem zu be­ach­ten, dass es nach dem recht­staat­lich ge­bo­te­nen Ge­set­zes­vor­be­halt ei­ner nor­mier­ten Ermäch­ti­gungs­grund­lage be­darf, die die Be­las­tung des Steu­er­pflich­ti­gen mit ei­ner steu­er­li­chen Ab­gabe ausdrück­lich vor­sieht.

Der BFH be­tont stets, dass der Wort­laut ei­ner Steu­ernorm nicht al­lein maßgeb­lich für de­ren An­wen­dung ist. Viel­mehr kann auch eine "über den Wort­laut hin­aus­ge­hende" Aus­le­gung des Steu­er­ge­set­zes ge­bo­ten sein. Der Rich­ter darf sich der ver­schie­de­nen an­er­kann­ten Aus­le­gungs­me­tho­den gleich­zei­tig und ne­ben­ein­an­der be­die­nen, um den je­wei­li­gen Sach­ver­halt ei­ner zu­tref­fen­den Be­steue­rung zu­zuführen. Die­ser Auf­fas­sung hat sich der Se­nat an­ge­schlos­sen. Im vor­lie­gen­den Fall sprach so­wohl die Aus­le­gung nach dem Sinn und Zweck der Norm (te­leo­lo­gi­sche Aus­le­gung) als auch die sys­te­ma­ti­sche Aus­le­gung dafür, dass die Steu­er­be­frei­ung für Fa­mi­li­en­heime vor­aus­setzt, dass während ei­nes Zeit­raums von zehn Jah­ren nach dem Er­werb das Fa­mi­li­en­heim nicht nur vom Er­wer­ber be­wohnt wird, son­dern auch das Ei­gen­tum bei die­sem ver­bleibt. Die im Schrift­tum ver­tre­tene Auf­fas­sung, die Schädlich­keit der Ei­gen­tumsüber­tra­gung sei abhängig von der Per­son des­je­ni­gen zu be­ur­tei­len, der das Fa­mi­li­en­heim über­nimmt, ver­mochte den den Se­nat nicht zu über­zeu­gen.

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