Dazu hat jüngst der BGH mit seinem Urteil vom 12.5.2016 (Az. IX ZR 65/14) zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO die Anforderungen an ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept in Übereinstimmung mit der betriebswirtschaftlichen Literatur weiter konkretisiert und zudem ausgeführt, in welcher Tiefe ein Gläubiger Kenntnis vom Sanierungskonzept haben muss, um sich Anfechtungsansprüchen von Insolvenzverwaltern erwehren zu können. Das Urteil hat große Bedeutung für alle Gläubiger von Krisenunternehmen (z.B. auch Lieferanten), bei denen eine außergerichtliche Sanierung angestrebt wird, wie auch für das Krisenunternehmen selbst und deren Sanierungsberater.

Auch aufgrund der zunehmenden Tendenz zu spektakulären Anfechtungs- und Schadenersatzklagen gegen Kreditinstitute, Organe und Sanierer durch Insolvenzverwalter ist in der Sanierungspraxis zu empfehlen, sich auf einen Qualitätsstandard für Sanierungskonzepte zu verständigen, der größtmöglichen Schutz vor rechtlichen Risiken bietet.
Der IDW Standard Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) hat sich in den vergangenen Jahren zum Benchmark für Sanierungskonzepte entwickelt. Die von der (aktuellen) Rechtsprechung geforderten Anforderungen an Sanierungskonzepte sind im IDW S 6 vollständig abgedeckt und betriebswirtschaftlich konkretisiert. Eine unmittelbare und verbindliche Anwendung des IDW S 6 gibt den Beteiligten (Organe, Konzeptersteller, Bankmitarbeiter, Gläubigern, Aufsichtsbehörden, etc.) die Sicherheit, dass alle Anforderungen der Rechtsprechung im Sanierungskonzept Berücksichtigung finden und das Konzept somit eine Art „Qualitätssiegel“ darstellt, das größtmöglichen Schutz bezüglich straf- und haftungsrechtlicher Risiken sowie regulatorischer bzw. aufsichtsrechtlicher Anforderungen bietet. Ein positives Gutachten nach dem IDW S 6 zu verlangen, um insbesondere Anfechtungsrisiken zu vermeiden, ist weiter der sicherste Weg. Dies gilt auch für kleinere Unternehmen, für die das Sanierungskonzept auch nach IDW S 6 schlank und kostengünstig gehalten werden kann.
Mit einem hohen und regelmäßig kaum vertretbaren Risiko verbunden sind Sanierungskonzepte „in Anlehnung an IDW S 6“, die gemessen an den Kernanforderungen des BGH und IDW S 6 unvollständig sind oder auf einer falschen, unzureichenden oder fehlenden Einschätzung beruhen, wie bspw. bei einer fehlenden positiven Fortbestehens- und Fortführungsprognose, die das Vorliegen von Insolvenzantragsgründen ausschließt.
Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Gläubiger laufen ins Leere, wennauf Schuldnerseite zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein den Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Sanierungskonzept vorlag und er darlegen kann, dass er spätere Zahlungen auf der Grundlage dieses Konzeptes erlangt hat. Der BGH hat in seinem Urteil vom 12.5.2016 von einem Spediteur, der einen Sanierungsbeitrag erbracht hat, verlangt, umfangreiche Informationen einzuholen, was in der bisherigen Praxis im Regelfall nur institutionelle Gläubiger und Großgläubiger gemacht haben. Aus Gläubigersicht ist die BGH-Entscheidung dennoch aus mehreren Gründen zu begrüßen. Der BGH hat klargestellt, dass hinsichtlich der Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen eines ernsthaften Sanierungsversuchs nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind, wie sie für den Schuldner oder dessen Geschäftsführer gelten. Des Weiteren reicht es aus der Perspektive des Gläubigers aus, dass gute Chancen für eine Sanierung vorliegen. Dass die Sanierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein muss, ist aus seiner Perspektive nicht erforderlich. Zudem muss er sich nicht offensichtliche Fehler im Sanierungskonzept zurechnen lassen.
Beim Schuldnerunternehmen wird man wohl ebenso umdenken müssen. Mit der Zustimmung der Gläubiger zu einem Sanierungsvergleich ist künftig nur noch nach umfassender Information über das Sanierungsvorhaben und Begutachtung durch deren Berater zu rechnen. Die Forderung nach finanziellen Sanierungsbeiträgen wird sich damit wohl noch mehr auf die großen und institutionellen Gläubiger konzentrieren.
Für die Ersteller von Sanierungskonzepten kann sich auf Grund ihrer Garantenstellung eine Ausweitung ihrer Haftung ergeben. Wie die Sanierungspraxis damit umgeht, wird noch zu klären sein.