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Kindergeld: Keine Berücksichtigung einer Schmerzensgeldrente bei finanziellen Mitteln eines volljährigen behinderten Kindes

BFH 13.4.2016, III R 28/15

Bei der Prüfung, ob ein volljähri­ges be­hin­der­tes Kind über hin­rei­chende fi­nan­zi­elle Mit­tel zur Be­strei­tung sei­nes persönli­chen Un­ter­halts verfügt, ist eine Schmer­zens­geld­rente grundsätz­lich nicht zu berück­sich­ti­gen. Sie ist nicht zur Be­strei­tung des Le­bens­un­ter­halts des Kin­des be­stimmt oder ge­eig­net.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist die Mut­ter des im Jahr 1960 ge­bo­re­nen Soh­nes V. Der un­be­fris­tet gültige Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis vom April 2013 weist V einen Grad der Be­hin­de­rung von 100 so­wie die Merk­zei­chen "G", "B" und "H" zu. V wohnt seit De­zem­ber 2007 in einem ei­ge­nen Haus­halt in einem Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum. Er erhält seit April 2013 nach Ab­zug ei­nes Pfle­ge­ver­si­che­rungs­bei­trags von 1,35 € einen mtl. Lohn i.H.v. rd. 170 €. Wei­ter erhält er auf­grund ei­nes Haft­pflicht­scha­dens aus dem Jahr 1977 mtl. eine Er­satz­leis­tung für fik­ti­ven Ver­dienst­aus­fall i.H.v. rd. 770 € und eine Schmer­zens­geld­rente i.H.v. rd. 200 €.

Die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse hob ge­genüber der Kläge­rin die Kin­der­geld­fest­set­zung für V ab Ok­to­ber 2013 auf, weil V auf­grund der ei­ge­nen verfügba­ren Mit­tel in der Lage sei, sei­nen Le­bens­un­ter­halt selbst zu be­strei­ten.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass die Schmer­zens­geld­rente bei der Er­mitt­lung der V zur Verfügung ste­hen­den Mit­tel nicht zu berück­sich­ti­gen ist.

Es ist u.a. zu prüfen, ob das Kind über hin­rei­chende fi­nan­zi­elle Mit­tel verfügt, die zur Be­strei­tung sei­nes persönli­chen Un­ter­halts aus­rei­chen. Er­gibt sich eine aus­rei­chende Leis­tungsfähig­keit des Kin­des, kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den El­tern kein zusätz­li­cher Auf­wand erwächst, der ihre steu­er­li­che Leis­tungsfähig­keit min­dert. Dann ist es auch ge­recht­fer­tigt, für be­hin­derte Kin­der kein Kin­der­geld oder kei­nen Kin­der­frei­be­trag zu gewähren. Zu den fi­nan­zi­el­len Mit­teln des be­hin­der­ten volljähri­gen Kin­des gehören seine Einkünfte und Bezüge. Man­gels sach­li­cher Ände­rung von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG gilt dies auch nach Weg­fall des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a.F.

Eine Schmer­zens­geld­rente ist bei der Er­mitt­lung der dem Kind zur Verfügung ste­hen­den Mit­tel nicht zu berück­sich­ti­gen, da sie nicht zur Be­strei­tung des Le­bens­un­ter­halts des Kin­des be­stimmt oder ge­eig­net ist. Das Schmer­zens­geld nimmt eine Son­der­stel­lung in­ner­halb der sons­ti­gen Ein­kom­mens- und Vermögens­ar­ten ein. Denn nach der Grund­satz­ent­schei­dung des Großen Se­nats für Zi­vil­sa­chen des BGH vom 6.7.1955 (GSZ 1/55) hat das Schmer­zens­geld recht­lich eine dop­pelte Funk­tion. Es soll dem Ge­schädig­ten einen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich für sol­che Schäden und Le­bens­hem­mun­gen bie­ten, die nicht vermögens­recht­li­cher Art sind. Es soll aber zu­gleich dem Ge­dan­ken Rech­nung tra­gen, dass der Schädi­ger dem Ge­schädig­ten für das, was er ihm an­ge­tan hat, Ge­nug­tu­ung schul­det.

Da­bei steht der Ent­schädi­gungs- oder Aus­gleichs­ge­danke im Vor­der­grund. Der Zweck des An­spruchs ist der Aus­gleich für die er­lit­tene Be­einträch­ti­gung. Der BGH hat den zu­grunde lie­gen­den Ge­dan­ken da­hin for­mu­liert, dass der Schädi­ger, der dem Ge­schädig­ten über den Vermögens­scha­den hin­aus das Le­ben schwer ge­macht hat, nun durch seine Leis­tung dazu hel­fen soll, es ihm im Rah­men des Mögli­chen wie­der leich­ter zu ma­chen. Schmer­zens­geld bei der Be­ur­tei­lung der Leis­tungsfähig­keit ei­nes be­hin­der­ten Kin­des zu berück­sich­ti­gen, stünde mit­hin in Wi­der­spruch zu sei­ner Son­der­funk­tion, im­ma­te­ri­elle Schäden ab­zu­mil­dern. Ent­spre­chen­des gilt für die Aus­gleichs­funk­tion des Schmer­zens­gel­des. Denn es hat auch in­so­weit ge­rade nicht die Funk­tion, zur ma­te­ri­el­len Exis­tenz­si­che­rung bei­zu­tra­gen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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