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Ehegattensplitting bei fiktiver unbeschränkter Einkommensteuerpflicht

BFH 6.5.2015, I R 16/14

Bei der Frage, ob Ehe­gat­ten die Ein­kunfts­gren­zen (re­la­tive oder ab­so­lute We­sent­lich­keits­grenze) für das Wahl­recht zur Zu­sam­men­ver­an­la­gung in Fällen der fik­ti­ven un­be­schränk­ten Ein­kom­men­steu­er­pflicht (§ 1 Abs. 3 EStG 2009) wah­ren, ist im Rah­men ei­ner ein­stu­fi­gen Prüfung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 auf die Einkünfte bei­der Ehe­gat­ten ab­zu­stel­len und der Grund­frei­be­trag zu ver­dop­peln (ge­gen R 1 EStR 2012). Eine ei­genständige Vor­abprüfung der Ein­kunfts­gren­zen schei­det da­mit aus.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger lebte im Streit­jahr (2009) zu­sam­men mit sei­ner Ehe­frau (F) in Öster­reich. Beide sind öster­rei­chi­sche Staatsbürger. Im Streit­jahr er­zielte F keine Einkünfte. Für den Kläger er­ga­ben sich hin­ge­gen nach den Vor­schrif­ten des (deut­schen) Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes (EStG 2009) er­mit­telte Welt­einkünfte i.H.v. rd. 18.800 €. Hierzu gehörte die von der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (DRV) be­zo­gene Leib­rente, de­ren im In­land steu­er­pflich­ti­ger Er­trags­an­teil (56 %; Ren­ten­be­ginn im Jahr 2008) sich nach Ab­zug des an­tei­li­gen Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­trags (49 €) auf rd. 9.000 € be­lief (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Dop­pel­buchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7, § 9a S. 1 Nr. 3 EStG 2009 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 DBA-Öster­reich 2000.

Zu den wei­te­ren, nur in Öster­reich steu­er­pflich­ti­gen Einkünf­ten (ins­ge­samt: rd. 9.800 €; vgl. auch Art. 18 Abs. 1 DBA-Öster­reich 2000), gehörten ne­ben Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung (Pen­si­ons­kasse) aus der früheren Ar­beit­neh­mertätig­keit des Klägers bei einem (inländi­schen) Ar­beit­ge­ber (rd. 10.000 €; Er­trags­an­teile: rd. 3.300 €) Leis­tun­gen der öster­rei­chi­schen Pen­si­ons­ver­si­che­rungs­an­stalt (brutto: rd. 11.800 €; Er­trags­an­teil (56 %) nach Ab­zug des an­tei­li­gen Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­trags (53 €): rd. 6.600 €).

Die Ehe­leute be­an­trag­ten bezüglich der im In­land steu­er­pflich­ti­gen Ren­ten­einkünfte für das Streit­jahr die Zu­sam­men­ver­an­la­gung. Dem An­trag war eine Be­schei­ni­gung EU/EWR des zuständi­gen öster­rei­chi­schen Fi­nanz­amts bei­gefügt, nach der im Rah­men der Ver­an­la­gung in Öster­reich Einkünfte i.H.v. rd. 15.300 € an­ge­setzt wor­den sind (da­von: rd. 9.600 € für die öster­rei­chi­sche Pen­si­ons­leis­tung so­wie rd. 5.700 € für die Be­triebs­rente des inländi­schen Ar­beit­ge­bers). Das Fi­nanz­amt lehnte den An­trag ab und ver­an­lagte den Kläger mit sei­nen Einkünf­ten aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung (DRV) als be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt und ver­pflich­tete das Fi­nanz­amt, die Ehe­leute zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer zu ver­an­la­gen. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass der Kläger mit sei­ner Ehe­frau im Streit­jahr nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer zu ver­an­la­gen ist.

Nach § 1 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 wer­den auf An­trag auch natürli­che Per­so­nen als un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig be­han­delt, die im In­land we­der einen Wohn­sitz noch ih­ren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt ha­ben, so­weit sie inländi­sche Einkünfte i.S.d. § 49 EStG 2009 er­zie­len. Vor­aus­set­zung hierfür ist nach Satz 2 der Vor­schrift, dass ent­we­der die Einkünfte im Ka­len­der­jahr zu min­des­tens 90 Pro­zent der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen (sog. re­la­tive We­sent­lich­keits­grenze) oder die nicht der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen­den Einkünfte den Grund­frei­be­trag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009 nicht über­stei­gen (sog. ab­so­lute We­sent­lich­keits­grenze).

Die vor­ge­nann­ten Re­ge­lun­gen wer­den in § 1a EStG 2009 in der Weise ergänzt, dass für Staats­an­gehörige ei­nes EU-Mit­glied­staa­tes, die nach § 1 Abs. 1 un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig oder die nach § 1 Abs. 3 als un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig zu be­han­deln sind, bei der Prüfung der Vor­aus­set­zun­gen für eine Zu­sam­men­ver­an­la­gung (§ 26 Abs. 1 S. 1 EStG 2009) der nicht dau­ernd ge­trennt le­bende Ehe­gatte ohne Wohn­sitz oder gewöhn­li­chen Auf­ent­halt im In­land auf An­trag als un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig be­han­delt wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009) und bei An­wen­dung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009 (re­la­tive und ab­so­lute We­sent­lich­keits­grenze) auf die Einkünfte bei­der Ehe­gat­ten ab­zu­stel­len und der Grund­frei­be­trag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009 zu ver­dop­peln ist.

Der Kläger und seine Ehe­frau, die beide im Streit­jahr we­der ih­ren Wohn­sitz noch gewöhn­li­chen Auf­ent­halt (§§ 8, 9 der Ab­ga­ben­ord­nung) im In­land hat­ten und Staats­an­gehörige ei­nes Mit­glied­staats der EU (Öster­reich) sind, erfüllen dann die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­sam­men­ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer, wenn in die Prüfung der ab­so­lu­ten We­sent­lich­keits­grenze (Ein­kunfts­grenze) nur die nicht der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen­den Einkünfte bei­der Ehe­gat­ten ein­be­zo­gen (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009) und diese mit dem dop­pel­ten Grund­frei­be­trag (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG 2009) ver­gli­chen wer­den. Es be­steht keine Ver­an­las­sung, die­ses Er­geb­nis in Frage zu stel­len. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­sam­men­ver­an­la­gung sind, folgt man dem FG, in­des­sen nicht erfüllt, wenn die We­sent­lich­keits­gren­zen nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009 - vor der Ver­dop­pe­lung des Grund­frei­be­trags und un­ter Ein­be­zie­hung der Einkünfte bei­der Ehe­gat­ten - für die Ehe­leute zusätz­lich je­weils iso­liert und un­ter An­satz des ein­fa­chen Grund­frei­be­trags geprüft wer­den müssen. Im Ein­zel­nen kann dies da­hin­ste­hen, weil es ei­ner ei­genständi­gen Vor­abprüfung der Ein­kunfts­gren­zen der Ehe­gat­ten nicht be­darf.

Al­ler­dings be­steht dazu kein ein­heit­li­ches Mei­nungs­bild. Die Fi­nanz­ver­wal­tung (so erst­mals ausdrück­lich R 1 S. 3 der Ein­kom­men­steuer-Richt­li­nien - EStR 2012 -) und Teile des Schrift­tums hal­ten eine sol­che Vor­abprüfung für er­for­der­lich. Nach der Recht­spre­chung des Se­nats (zu­letzt BFH 1.10.2014, I R 18/13) ist hin­ge­gen im Zu­sam­men­hang mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 nach des­sen Satz 3 auf die Einkünfte bei­der Ehe­gat­ten ab­zu­stel­len und der Be­trag von (da­mals Streit­jahre 2005 und 2006) 6.136 € (heute: 7.834 €) zu ver­dop­peln. Eine ei­genständige Vor­abprüfung der Ein­kunfts­gren­zen des Klägers schei­det da­mit aus. Daran ist wei­ter­hin fest­zu­hal­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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