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Steuerberatung

Berechnung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen

FG Münster 11.4.2016, X B 77/15

Nach Maßgabe von § 37 Abs. 3 S. 3 ff. EStG kann das Fi­nanz­amt Vor­aus­zah­lun­gen an­pas­sen. Da die Frage, ob Hin­ter­zie­hungs­zin­sen bei hin­ter­zo­ge­nen Ein­kom­men­steuer-Vor­aus­zah­lun­gen ent­ste­hen und wie diese zu be­rech­nen sind, eine Viel­zahl von Fällen be­trifft und - so­weit er­sicht­lich - bis­her nicht Ge­gen­stand ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung war, hat das Ge­richt die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strit­ten über die Höhe von Hin­ter­zie­hungs­zin­sen. Die Kläger sind Er­ben des am 2015 ver­stor­be­nen A.. Die­ser war bis 2003 mit sei­ner in die­sem Jahr ver­stor­be­nen Ehe­frau zu­sam­men und ab 2004 ein­zeln zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt wor­den. Der Erb­las­ser hatte in den Streit­jah­ren 2003 bis 2005 Einkünfte aus selbstständi­ger Ar­beit als Zahn­arzt er­zielt.

Im Rah­men ei­ner Selbst­an­zeige aus dem Jahr 2010 hatte der Erb­las­ser Ka­pi­tal­erträge so­wie Erträge aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften aus einem seit Ende der 1970er-Jahre ge­mein­sam mit sei­ner Ehe­frau un­ter­hal­te­nen De­pot bei ei­ner Bank in der Schweiz nach­ge­reicht, wor­auf­hin der das Fi­nanz­amt im Fe­bruar 2011 geänderte Ein­kom­men­steu­er­be­scheide er­ließ. Zu­gleich setzte die Behörde Nach­zah­lungs­zin­sen gem. § 233a AO fest. Die Selbst­an­zeige um­fasste auch Ka­pi­tal­erträge für die Vor­jahre. Außer­dem setzte das Fi­nanz­amt für je­des Streit­jahr einen Be­scheid über Hin­ter­zie­hungs­zin­sen fest. Da­bei berück­sich­tigte es einen Zins­lauf, der je­weils ab Fällig­keit der vier­teljähr­li­chen Vor­aus­zah­lun­gen be­gann und zum Zeit­punkt der Zah­lung der auf­grund der geänder­ten Fest­set­zun­gen nach­ge­for­der­ten Beträge en­dete.

Die Kläger wa­ren der An­sicht, dass die Steu­er­hin­ter­zie­hun­gen erst mit Ein­rei­chung der Jah­res­steu­er­erklärun­gen voll­en­det wor­den seien. Da­her könne der Zins­lauf erst zu die­sen Zeit­punk­ten be­gin­nen. Während des lau­fen­den Jah­res habe der Steu­er­pflich­tige noch keine Kennt­nis über die tatsäch­li­che Höhe sei­ner Zins­einkünfte. Außer­dem seien die Zin­sen gem. § 233a AO an­zu­rech­nen. Im Rah­men der Ein­spruchs­ent­schei­dung half das Fi­nanz­amt den Ein­sprüchen teil­weise ab, in­dem es die fest­ge­setz­ten Zin­sen um wei­tere Zins­beträge nach § 233a AO min­derte. Im Übri­gen wies es die Ein­sprüche als un­begründet zurück.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Sa­che die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte die Hin­ter­zie­hungs­zin­sen zu­min­dest nicht zu hoch fest­ge­setzt. Gem. § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hin­ter­zo­gene Steu­ern zu ver­zin­sen. Der Zins­lauf be­ginnt grundsätz­lich mit dem Ein­tritt der Verkürzung und en­det mit Zah­lung der hin­ter­zo­ge­nen Steu­ern. Für den­sel­ben Zeit­raum fest­ge­setzte Zin­sen nach § 233a AO sind auf die Hin­ter­zie­hungs­zin­sen an­zu­rech­nen. Die Zin­sen be­tra­gen für je­den vollen Mo­nat des Zins­laufs 0,5% des auf volle 50 € ab­ge­run­de­ten zu ver­zin­sen­den Be­tra­ges.

Maßgeb­lich für die Be­rech­nung der Höhe der hin­ter­zo­ge­nen Steuer und den Zeit­punkt des Ein­tritts der Steu­er­verkürzung ist § 370 AO. Da­nach be­geht eine Steu­er­hin­ter­zie­hung u.a. der­je­nige, der ge­genüber den Fi­nanz­behörden über steu­er­lich er­heb­li­che Tat­sa­chen un­rich­tige oder un­vollständige An­ga­ben macht und da­durch Steu­ern verkürzt. Für die Ver­wirk­li­chung die­ses ob­jek­ti­ven Tat­be­stands reicht es aus, dass auf­grund un­vollständi­ger oder un­rich­ti­ger An­ga­ben ei­ner Steu­er­erklärung die tatsäch­lich ge­schul­de­ten Ein­kom­men­steuer-Vor­aus­zah­lun­gen nicht in vol­ler Höhe oder nicht recht­zei­tig fest­ge­setzt wer­den.

Die Höhe der Vor­aus­zah­lun­gen be­misst sich gem. § 37 Abs. 3 S. 2 EStG grundsätz­lich nach der Ein­kom­men­steuer, die sich nach An­rech­nung der Steu­er­ab­zugs­beträge i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei der letz­ten Ver­an­la­gung er­ge­ben hat. Nach Maßgabe von § 37 Abs. 3 S. 3 ff. EStG kann das Fi­nanz­amt Vor­aus­zah­lun­gen an­pas­sen. Fest­ge­setzte Vor­aus­zah­lun­gen können al­ler­dings nur dann erhöht wer­den, wenn sich der Erhöhungs­be­trag für einen Vor­aus­zah­lungs­zeit­punkt auf min­des­tens 100 € beläuft. So­mit hatte der Erb­las­ser die ob­jek­tive Tat­hand­lung für die Ein­kom­men­steu­er­hin­ter­zie­hun­gen für die Streit­jahre 2003 bis 2006 nicht erst durch die Ab­gabe der un­zu­tref­fen­den Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen für diese Jahre be­gan­gen, son­dern be­reits mit Ab­gabe der Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen für frühere Jahre. Der je­wei­lige Tat­er­folg der Steu­er­verkürzung war in dem Mo­ment ein­ge­tre­ten, in dem das Fi­nanz­amt einen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid er­las­sen hatte, ohne zu­gleich die Vor­aus­zah­lun­gen für die Streit­jahre an­zu­pas­sen.

Der Ein­wand der Kläger, dass bei zu er­war­ten­den Min­de­run­gen der ausländi­schen Ka­pi­tal­erträge Anträge auf Her­ab­set­zung der Vor­aus­zah­lun­gen ge­stellt wor­den wären, konnte nicht durch­grei­fen, weil für die Frage der Kau­sa­lität der Tat­hand­lung für den Hin­ter­zie­hungs­er­folg hy­po­the­ti­sche Kau­sal­verläufe außer Be­tracht blei­ben. Da die Frage, ob Hin­ter­zie­hungs­zin­sen bei hin­ter­zo­ge­nen Ein­kom­men­steuer-Vor­aus­zah­lun­gen ent­ste­hen und wie diese zu be­rech­nen sind, eine Viel­zahl von Fällen be­trifft und - so­weit er­sicht­lich - bis­her nicht Ge­gen­stand ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung war, hat das Ge­richt die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

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