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Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist bei Ansprüchen des Urhebers eines Werkes der angewandten Kunst

BGH 16.6.2016, I ZR 222/14

Der Be­ginn der re­gelmäßigen Verjährungs­frist von drei Jah­ren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bei An­sprüchen des Ur­he­bers ei­nes Wer­kes der an­ge­wand­ten Kunst, das einem Ge­schmacks­mus­ter­schutz zugäng­lich war und die Durch­schnitts­ge­stal­tung nicht deut­lich über­ragt, auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG ist auf den Schluss des Jah­res 2014 hin­aus­ge­scho­ben. Ent­schei­dend für das Hin­aus­schie­ben des Be­ginns der Verjährungs­frist ist, dass Ur­he­bern von Wer­ken der an­ge­wand­ten Kunst eine Kla­ge­er­he­bung vor Veröff­ent­li­chung des Se­nats­ur­teils "Ge­burts­tags­zug" vom 13.11.2013 ob­jek­tiv un­zu­mut­bar war.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist selbständige Spiel­wa­ren­de­si­gne­rin. Die Be­klagte stellt Spiel­wa­ren her und ver­treibt sie. Die Kläge­rin hatte für die Be­klagte im Jahr 1998 u.a. Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf des­sen Wag­gons sich Ker­zen und Zif­fern auf­ste­cken las­sen ("Ge­burts­tags­zug") ge­zeich­net. Im Jahr 2001 ent­warf sie eine dem "Ge­burts­tags­zug" ver­gleich­bare Tier­ka­ra­wane ("Ge­burts­tags­ka­ra­wane"). Als Ho­no­rar er­hielt sie für den "Ge­burts­tags­zug" und das An­gel­spiel je­weils 400 DM und für die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" 1.102 DM. Für den "Ge­burts­tags­zug" und die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" zeich­nete sie im Jahr 2002 ergänzend die auf­steck­ba­ren Zif­fern 7, 8 und 9 (die ur­sprüng­li­che Aus­stat­tung be­stand nur aus den Zif­fern 1 bis 6). Dafür er­hielt sie 54 €.

Die Kläge­rin hielt ihre Entwürfe für ur­he­ber­recht­lich ge­schützte Werke. Sie war der An­sicht, die ver­ein­barte Vergütung sei je­den­falls an­ge­sichts des großen Ver­kaufs­er­folgs der Ar­ti­kel zu ge­ring und nahm die Be­klagte des­halb mit ih­rer am 19.11.2009 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Stu­fen­klage auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung gem. § 36 UrhG a.F., §§ 32, 32a UrhG in An­spruch. LG und OLG wie­sen die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin war hin­ge­gen er­folg­reich. Der BGH hob das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zurück, so­weit hin­sicht­lich des An­spruchs auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung in Be­zug auf Ver­wer­tungs­hand­lun­gen, die nach dem 1.6.2004 vor­ge­nom­men wor­den wa­ren, so­wie hin­sicht­lich des An­spruchs auf Aus­kunfts­er­tei­lung und Rech­nungs­le­gung zum Nach­teil der Kläge­rin er­kannt wor­den war (BGH-Urt. v. 13.11.2013, Az.: I ZR 143/12 - Ge­burts­tags­zug).

Im zwei­ten Rechts­zug hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Be­ru­fung der Kläge­rin im Um­fang der Auf­he­bung und Zurück­ver­wei­sung er­neut zurück­ge­wie­sen. Auf die wei­tere Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das zweite Be­ru­fungs­ur­teil in­so­weit auf, als hin­sicht­lich des auf die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" be­zo­ge­nen An-spruchs auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung in Be­zug auf Ver­wer­tungs­hand­lun­gen, die nach dem 1.6.2004 vor­ge­nom­men wor­den war, so­wie hin­sicht­lich des auf die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" be­zo­ge­nen An­spruchs auf Aus­kunfts­er­tei­lung und Rech­nungs­le­gung zum Nach­teil der Kläge­rin er­kannt wor­den war und wies die Sa­che noch­mals an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die auf die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" be­zo­ge­nen An­sprüche auf an­ge­mes­sene Vergütung gem. § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG und wei­tere Be­tei­li­gung an Erträgen und Vor­tei­len aus Ver­wer­tungs­hand­lun­gen, die nach dem 1.6.2004 vor­ge­nom­men wur­den (§ 32a Abs. 1 S. 2 UrhG), sind - ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts - nicht verjährt. Ent­spre­chen­des gilt für den auf die "Ge­burts­tags­ka­ra­wane" be­zo­ge­nen An­spruch auf Aus­kunfts­er­tei­lung und Rech­nungs­le­gung.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte an­ge­nom­men, die zunächst ent­stan­de­nen An­sprüche auf Aus­kunfts­er­tei­lung und (wei­tere) an­ge­mes­sene Vergütung seien seit dem 31.12.2006 verjährt. Es sei zwar nicht von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen, dass in un­verjähr­ter Zeit er­neut An­sprüche auf Aus­kunfts­er­tei­lung und (wei­tere) an­ge­mes­sene Vergütung ent­stan­den seien. Dafür sei je­doch nichts dar­ge­tan. Nach ei­ner An­pas­sung der Vergütung gem. §§ 32, 32a UrhG sei die neu ver­ein­barte Vergütung Maßstab für die An­ge­mes­sen­heit oder die Verhält­nismäßig­keit. Bei ei­ner An­pas­sung der Vergütung wäre eine pro­zen­tuale Be­tei­li­gung ver­ein­bart wor­den. Nach der Ver­ein­ba­rung ei­ner pro­zen­tua­len Be­tei­li­gung hätte ein un­er­war­tet großer wei­te­rer Ver­kaufs­er­folg die An­ge­mes­sen­heit der Vergütung nicht in Frage ge­stellt.

Diese Be­ur­tei­lung hielt ei­ner recht­li­chen Nachprüfung schon des­halb nicht stand, weil der Be­ginn der re­gelmäßigen Verjährungs­frist von drei Jah­ren ei­nes im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses im Jahr 2001 oder 2002 ent­stan­de­nen An­spruchs aus § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG auf an­ge­mes­sene Vergütung und von mit Vor­nahme der je­wei­li­gen Ver­wer­tungs­hand­lun­gen ent­stan­de­nen An­sprüchen aus § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG auf wei­tere Be­tei­li­gung an den Erträgen und Vor­tei­len aus der Ver­wer­tung des Wer­kes in Be­zug auf Ver­wer­tungs­hand­lun­gen, die nach dem 1.6.2004 vor­ge­nom­men wor­den wa­ren, auf den Schluss des Jah­res 2014 hin­aus­ge­scho­ben war. Nach BGH-Recht­spre­chung setzt der Verjährungs­be­ginn aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und Bil­lig­keit zwar grundsätz­lich al­lein die Kennt­nis der den An­spruch begründen­den Umstände vor­aus. Nicht er­for­der­lich ist in der Re­gel aber, dass der Gläubi­ger aus den ihm be­kann­ten Tat­sa­chen die zu­tref­fen­den recht­li­chen Schlüsse zieht.

In­fol­ge­des­sen ist der Be­ginn der Verjährung von An­sprüchen des Ur­he­bers ei­nes Wer­kes der an­ge­wand­ten Kunst, das einem Ge­schmacks­mus­ter­schutz zugäng­lich war und die Durch­schnitts­ge­stal­tung nicht deut­lich über­ragt, auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG oder § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG auf den Schluss des Jah­res 2014 hin­aus­ge­scho­ben. Der BGH hatte durch sein im Jahr 2014 veröff­ent­lich­tes ers­tes Re­vi­si­ons­ur­teil im vor­lie­gen­den Rechts­streit eine Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben, dass bei Wer­ken der an­ge­wand­ten Kunst, die einem Ge­schmacks­mus­ter­schutz zugäng­lich sind, höhere An­for­de­run­gen an die Ge­stal­tungshöhe ei­nes Wer­kes zu stel­len sind als bei Wer­ken der zweck­freien Kunst, und der ur­he­ber­recht­li­che Schutz sol­cher Werke der an­ge­wand­ten Kunst da­her ein deut­li­ches Über­ra­gen der Durch­schnitts­ge­stal­tung vor­aus­setzt.

Bis zur Veröff­ent­li­chung des Se­nats­ur­teils "Ge­burts­tags­zug" im Jahr 2014 konnte aber selbst ein rechts­kun­di­ger Schöpfer ei­nes Wer­kes der an­ge­wand­ten Kunst oder des Ent­wurfs ei­nes sol­chen Wer­kes nicht zu­verlässig ein­schätzen, ob und ge­ge­be­nen­falls in­wie­weit der BGH seine Recht­spre­chung ändert. Dem Ur­he­ber ei­nes Wer­kes der an­ge­wand­ten Kunst, das einem Ge­schmacks­mus­ter­schutz zugäng­lich war und die Durch­schnitts­ge­stal­tung nicht deut­lich über­ragt, war es da­her erst nach der Veröff­ent­li­chung des Se­nats­ur­teils "Ge­burts­tags­zug" im Jahr 2014 zu­mut­bar, An­sprüche auf Zah­lung ei­ner (wei­te­ren) an­ge­mes­se­nen Vergütung nach § 32 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG und § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG im Wege der Klage gel­tend zu ma­chen. Ent­ge­gen der An­sicht des OLG war es un­er­heb­lich, ob die Kläge­rin be­reits vor dem 1.6.2004 vom Werk­cha­rak­ter ih­res Ent­wurfs und dem Be­ste­hen von An­sprüchen auf wei­tere Vergütung aus­ge­gan­gen war. Ent­schei­dend für das Hin­aus­schie­ben des Be­ginns der Verjährungs­frist ist, dass Ur­he­bern von Wer­ken der an­ge­wand­ten Kunst eine Kla­ge­er­he­bung vor Veröff­ent­li­chung des Se­nats­ur­teils "Ge­burts­tags­zug" vom 13.11.2013 ob­jek­tiv un­zu­mut­bar war.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGHveröff­ent­licht.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.
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