Seit annähernd einer Dekade notieren die Zinsen nun - bedingt durch die expansive Geldpolitik der Zentralbanken - auf einem historisch niedrigen Niveau. Da über die Zinsen, etwa im Rahmen der Bewertung von Forderungen, der Zeitwert des Geldes oder die Ergebnisse von Vorteilhaftigkeitsberechnungen in der Rechnungslegung bzw. in den Jahresabschlüssen von Unternehmen abgebildet werden, hat die Höhe des Zinsniveaus einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Aussagegehalt dieser Berichtsinstrumente. Wenn auch keine unmittelbare Kausalität zwischen Geldmarktzinsen und Diskontierungssätzen besteht, führen niedrigere Geldmarktzinsen praktisch auch zu sinkenden Diskontierungszinssätzen.

Abschreibungen aufgrund von Werthaltigkeitstests werden unwahrscheinlicher
In IFRS-Konzernabschlüssen ist der jährlich durchzuführende Werthaltigkeitstest für die keinen planmäßigen Abschreibungen unterliegenden Geschäfts- oder Firmenwerte oder Marken (Impairment Only-Approach) von zentraler Bedeutung. Im Rahmen dieser Werthaltigkeitstests wird der Buchwert der betrachteten Vermögenswerte mit dem Barwert des ihm zurechenbaren Zahlungsstroms verglichen, wobei der Barwert mittels eines Discounted Cash-Flow-Verfahrens (DCF-Verfahren) berechnet wird. Je niedriger der zur Diskontierung des bewertungsrelevanten Zahlungsstroms herangezogene Zinssatz ist, desto höher ist dessen Barwert und desto unwahrscheinlicher werden außerplanmäßige Abschreibungen. Der vorstehend skizzierte Wirkungszusammenhang betrifft auf der Aktivseite sämtliche Vermögenswerte, deren Bewertung ein Barwertkalkül zugrunde liegt. Mit Ausnahme derjenigen Vermögenswerte, die in der IFRS-Rechnungslegung generell zum Zeitwert bewertet werden (z.B. Investment Properties), bilden die jeweils (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten dabei die Bewertungsobergrenze.
Höherbewertung von Altersvorsorgeverpflichtungen nur aufgeschoben
Niedrige Diskontierungszinssätze haben auch Auswirkungen auf die Bewertung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen sind. Die bedeutendsten Zinseffekte ergeben sich in der Regel bei den langfristigen Altersversorgungsverpflichtungen. Im Durchschnitt steigen die Pensionsrückstellungen um rund 15 %, wenn der Diskontierungszinssatz um einen Prozentpunkt sinkt.
Der Gesetzgeber hat den erwarteten, zum Teil verheerenden bilanziellen Belastungen aus dem anhaltend niedrigen Zinsniveau Rechnung getragen und am 18.2.2016 eine Änderung der Ermittlung des Rechnungszinses für die Abzinsung von handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen beschlossen: Diesem liegt nunmehr der Durchschnittszins der vergangenen zehn statt sieben Jahre zugrunde. Damit beträgt der relevante Diskontierungszins zum 31.12.2016 nunmehr 4,01 % (Zehnjahresdurchschnitt) anstatt 3,24 % (Siebenjahresdurchschnitt). Die politisch verhinderte Eigenkapitalaufzehrung, die sich durch den verlängerten Ermittlungszeitraum ergibt, ist jedoch ausschüttungsgesperrt.
Durch diese Maßnahme wird die zinsinduzierte Höherbewertung der Altersversorgungsverpflichtungen nur aufgeschoben - jedoch nicht aufgehoben. Sollten die Zinsen in der Zukunft konstant niedrig bleiben, werden die handelsrechtlichen Pensionsrückstellungen weiter steigen, weil der Durchschnittszinssatz der vergangenen zehn Jahre im Zeitablauf dennoch fallen wird. Dieser Effekt wird ggf. weiter verzögert, wenn die Politik den Zeitraum der Durchschnittszinsberechnung erneut ausweitet.
Im IFRS-Abschluss kommt es hingegen nicht zu entsprechenden zinsinduzierten Belastungen, da die Abzinsung unverändert auf der Grundlage erstrangiger, festverzinslicher Marktrenditen erfolgt.
Planungssicherheit durch Defined Contribution-Pläne
Um die Kosten im Zusammenhang mit Altersversorgungsplänen zu begrenzen und Planungssicherheit zurück zu erhalten, könnten Unternehmen künftig entweder zurückhaltender bei der Vergabe neuer Versorgungsverträge sein oder aber auch zunehmend dazu übergehen, auf Defined Contribution-Pläne zu wechseln, bei denen der Arbeitgeber einen festen Beitrag (Contribution) zur Betriebsrente leistet. Es wird anders als bei einem Defined Benefit-Plan keine Auszahlung in einer bestimmten Höhe garantiert, wodurch die Unternehmen Planungssicherheit bezüglich der zukünftigen Kosten der Altersversorgung gewinnen.
Bilanzierungsregeln können zu einer verzerrten Darstellung im Jahresabschluss führen
Ein niedriges bzw. weiter sinkendes Zinsniveau beeinflusst die Aktiv- und Passivseite der Bilanz nicht gleichermaßen: Auf der einen Seite erhöhen sich die Barwerte erwarteter Mittelabflüsse, was zu aufwands-, aber nicht liquiditätswirksamen Rückstellungserhöhungen führt. Auf der anderen Seite dürfen bis auf bestimmte Ausnahmen nach IFRS die in Folge sinkender Zinssätze steigenden Barwerte erwarteter Mittelzuflüsse nicht über die (fortgeführten) Anschaffungs- und Herstellungskosten gezeigt werden. Unternehmen sind hiervon betroffen, weil sich die im handelsrechtlichen Abschluss gezeigte Lage unter sonst gleichen Bedingungen verschlechtert und z. B. Financial Covenants an bilanzielle Kennzahlen anknüpfen, obwohl das verschlechterte Bild nicht zwangsläufig die Lagebeurteilung nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten widerspiegelt.