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Zur Hemmung der Verjährung bei der Geltendmachung von Schadenersatz im Mahnverfahren

BGH 5.8.2014, XI ZR 172/13

Der BGH hat sich mit der Frage der Hem­mung der Verjährung bei der Gel­tend­ma­chung von Scha­den­er­satz im Mahn­ver­fah­ren (hier: we­gen Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung im Hin­blick auf den Er­werb von Zer­ti­fi­ka­ten) nach vor­aus­ge­gan­ge­nen Ver­hand­lun­gen der Par­teien aus­ein­an­der­ge­setzt. Dass der An­spruch­stel­ler im Mahn­ver­fah­ren we­gen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO le­dig­lich den "klei­nen" Scha­den­er­satz gel­tend macht, auf den er, nach­dem er einen An­spruch auf "großen" Scha­den­er­satz begründet hat, im Laufe des Rechts­streits zurück­kommt ist, hin­dert den Ein­tritt der Hem­mung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB in­so­weit nicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger nimmt die Be­klagte aus ei­ge­nem und ab­ge­tre­te­nem Recht sei­ner Ehe­frau im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch auf Leis­tung von Scha­den­er­satz im Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb von Zer­ti­fi­ka­ten in An­spruch. Der Kläger und seine Ehe­frau ließen sich am 24.4.2007 von ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten über auf die Ent­wick­lung des Do­wJo­nes EURO-STOXX 50 be­zo­gene Bo­nus­zer­ti­fi­kate zur Wert­pa­pier­kenn­num­mer (künf­tig: Zer­ti­fi­kate) be­ra­ten. Am 26.4.2007 ei­nig­ten sich die Par­teien über die Be­schaf­fung von 600 Stück die­ser Zer­ti­fi­kate. Die Zer­ti­fi­kate wur­den am 2.5.2007 zu­guns­ten des Klägers und sei­ner Ehe­frau ein­ge­bucht und später mit Ver­lust veräußert.

Zwi­schen dem 17.7.2009 und dem 26.8.2009 kor­re­spon­dier­ten die Par­teien we­gen ei­nes An­spruchs ge­gen die Be­klagte aus Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung. Der Kläger stellte am 7.6.2010 An­trag auf Er­lass ei­nes Mahn­be­scheids, mit dem er die Be­klagte u.a. auf ("klei­nen") Scha­den­er­satz we­gen ei­ner Be­ra­tungs­pflicht­ver­let­zung im April 2007 i.H.v. rd. 31.000 € in An­spruch ge­nom­men hat. Der an­trags­gemäß er­las­sene Mahn­be­scheid wurde der Be­klag­ten am 14.6.2010 zu­ge­stellt.

Das LG er­ließ im strei­ti­gen Ver­fah­ren Versäum­nis­ur­teil ge­gen den Kläger und er­hielt seine kla­ge­ab­wei­sende Ent­schei­dung auf Ein­spruch auf­recht. Die Be­ru­fung des Klägers wies das OLG zurück. Auf die Re­vi­sion des Klägers, mit der er einen Scha­den­er­satz­an­spruch i.H.v. (noch) rd. 25.000 € nebst Zin­sen so­wie vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten wei­ter­ver­folgt, hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die An­nahme des OLG, ein An­spruch des Klägers sei je­den­falls verjährt, hält re­vi­si­ons­recht­li­cher Überprüfung nicht stand. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob zu­guns­ten der Be­klag­ten die kurze Verjährungs­frist des § 37a WpHG aF i.V.m. § 43 WpHG ein­greift und wel­cher Zeit­punkt im kon­kre­ten Fall für den Be­ginn der Verjährung nach die­sen Vor­schrif­ten maßgeb­lich ist. Denn der Kläger hat die Verjährungs­frist in je­dem Fall recht­zei­tig (er­neut) ge­hemmt.

Bei schwe­ben­den Ver­hand­lun­gen wirkt die Hem­mung grundsätz­lich auf den Zeit­punkt zurück, in dem der Gläubi­ger sei­nen An­spruch ge­genüber dem Schuld­ner gel­tend ge­macht hat. Vor­lie­gend ha­ben die Par­teien zwi­schen dem 17.7.2009 und dem 26.8.2009 über den An­spruch des Klägers ver­han­delt; die Verjährungs­frist war gem. § 203 S. 1 BGB in die­sem Zeit­raum ge­hemmt. Der 17.7.2009 und der 26.8.2009 gehörten als die Tage, in de­ren Ver­lauf der Hem­mungs­grund ent­stand und weg­fiel, zur Hem­mungs­zeit. Da­mit lief die Verjährungs­frist des § 37a WpHG aF de­ren An­lau­fen mit dem OLG am 26.4.2007 un­ter­stellt nicht mit dem Ende des 26.4.2010 (§ 188 Abs. 2 Fall 1 BGB), son­dern nicht vor dem Ende des 6.6.2010 ab.

Da der 6.6.2010 ein Sonn­tag war, genügte es al­ler­dings zur (er­neu­ten) Hem­mung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass der Kläger den An­trag auf Er­lass ei­nes Mahn­be­scheids am dar­auf fol­gen­den Mon­tag, dem 7.6.2010, bei Ge­richt ein­reichte. In­so­weit gilt § 193 BGB ent­spre­chend. Die verjährungs­hem­mende Wir­kung trat nach § 167 ZPO be­reits mit An­trag­stel­lung am 7.6.2010 ein, weil der Mahn­be­scheid am 14.6.2010 und da­mit demnächst zu­ge­stellt wurde. Dass der Kläger im Mahn­ver­fah­ren we­gen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO le­dig­lich den "klei­nen" Scha­den­er­satz gel­tend ge­macht hat, auf den er, nach­dem er einen An­spruch auf "großen" Scha­den­er­satz begründet hat, im Laufe des Rechts­streits zurück­ge­kom­men ist, hin­dert den Ein­tritt der Hem­mung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht.

Ob die eine oder die an­dere Art des Scha­den­er­sat­zes gel­tend ge­macht wird, ist le­dig­lich eine Frage der Scha­dens­be­rech­nung. Wech­selt der Kläger die Art der Scha­dens­be­rech­nung, ohne sei­nen An­trag auf einen ab­ge­wan­del­ten Le­bens­sach­ver­halt zu stützen, liegt keine Klageände­rung vor. Ein Miss­brauch des Mahn­ver­fah­rens, der den An­trag­stel­ler bei der Gel­tend­ma­chung von "großem" Scha­den­er­satz im Ein­zel­fall nach § 242 BGB daran hin­dern kann, sich auf die Hem­mung der Verjährung zu be­ru­fen, wenn er eine Erklärung nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ab­gibt, ob­wohl er nach den Grundsätzen der Vor­teils­aus­glei­chung die emp­fan­gene Leis­tung Zug um Zug zurück­zu­ge­ben hat, fällt dem Kläger nicht zur Last.

Das Be­ru­fungs­ur­teil war nach all­dem auf­zu­he­ben und die Sa­che ist zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück­zu­ver­wei­sen. Eine ei­gene Sa­ch­ent­schei­dung des Se­nats nach § 563 Abs. 3 ZPO kam nicht in Be­tracht, da das OLG zum Haf­tungs­grund keine tragfähi­gen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat.

Link­hin­weis:

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