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Zur Betriebsstätte eines selbstständigen EDV-Beraters

Hessisches FG 19.9.2016, 9 K 485/16

Ist der Steu­er­pflich­tige Frei­be­ruf­ler (hier: selbstständi­ger EDV-Be­ra­ter) und so­mit frei in der Ent­schei­dung, ob er Ein­zel­verträge an­nimmt oder nicht, kann der Sach­ver­halt nicht mit dem ei­nes Leih­ar­beits­verhält­nis­ses ver­gli­chen wer­den. Ins­be­son­dere kann sich der Steu­er­pflich­tige auf­grund sei­ner Selbstständig­keit, an­ders als bei einem Leih­ar­beits­verhält­nis mit dem dort ge­ge­be­nen Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers, auf seine auswärtige Tätig­keit auf­grund ei­ge­ner Ent­schei­dung ein­stel­len.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger er­zielt als EDV-Be­ra­ter Einkünfte aus selbständi­ger Tätig­keit. Es gibt ver­schie­dene Verträge zwi­schen ihm und der Firma A. in B., wo­nach die A als Auf­trag­ge­ber ihn, den Kläger, als Auf­trag­neh­mer beim Kun­den C. für das Pro­jekt "Be­ra­tung und Un­terstützung beim Ein­satz von Soft­ware-Pro­duk­ten der Firma D." ein­setzt. Nach ei­ner Be­triebsprüfung beim Kläger für die Streit­jahre  2010-2012 kam die Prüfe­rin zu dem Er­geb­nis, dass der Kläger re­gelmäßig sei­ner Tätig­keit beim C. in E. nach­gehe. In Aus­nah­mefällen übe der Kläger seine Tätig­keit an an­de­ren Or­ten aus. Für diese Fahr­ten werde wei­ter­hin die Ki­lo­me­ter­pausch­beträge i.H.v. 0,30 € pro ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter und die in § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG vor­ge­se­he­nen Pausch­beträge für Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wand berück­sich­tigt.

Bei den Fahr­ten zu der re­gelmäßigen Ar­beitsstätte in E. han­dele es sich je­doch um Auf­wen­dun­gen für Wege zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG. Zur Ab­gel­tung die­ser Auf­wen­dun­gen sei § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ent­spre­chend an­zu­wen­den. Nach dem Ge­samt­bild der Verhält­nisse und der Ver­kehrs­an­schau­ung sei in E. der Mit­tel­punkt der be­trieb­li­chen Ar­beit des Klägers. Die An­we­sen­heit des Klägers bei den je­wei­li­gen Kun­den sei zwin­gend er­for­der­lich. Die in sei­nem Ar­beits­zim­mer ausgeübten Tätig­kei­ten, wie Rech­nungs­er­stel­lung, Buch­hal­tung, Zeit­er­fas­sun­gen und Rei­se­kos­ten­ab­rech­nun­gen seien Ne­bentätig­kei­ten und stell­ten nicht den in­halt­li­chen Schwer­punkt sei­ner EDV-Tätig­keit dar. Da der Kläger sei­nen Haupt­auf­trag­ge­ber in E. fast täglich auf­su­che und da­mit der in­halt­li­che Schwer­punkt, nämlich EDV-Tätig­keit, dort er­bracht werde, handle es sich beim C. in E um eine re­gelmäßige Ar­beitsstätte.

Das Fi­nanz­amt folgte den Fest­stel­lun­gen der Be­triebsprüfung und er­ließ ent­spre­chende Be­scheide. Der Kläger blieb bei sei­ner An­sicht, dass Auf­trag­ge­ber die A mit Sitz in B. ge­we­sen sei, in de­ren Auf­trag der Kläger als Sub­un­ter­neh­mer im Rah­men von EDV-Pro­jek­ten beim C. in E. tätig ge­we­sen sei. Das FG wies die ge­gen die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide für 2010 bis 2012 ge­rich­tete Klage ab. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte zu Recht für die Fahr­ten zwi­schen der Woh­nung des Klägers und des­sen Tätig­keits­ort in E. die Ent­fer­nungs­pau­schale gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2-6 EStG in An­satz ge­bracht. Da der Kläger bei C. in E. eine Be­triebsstätte un­ter­hal­ten hatte, schied ein Ab­zug der tatsäch­li­chen Auf­wen­dun­gen gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6 S. 1 EStG aus.

Dass der Kläger seit vie­len Jah­ren auf­grund der je­weils hin­ter­ein­an­der ge­schal­te­ten Ein­zel­verträge für die Firma A. bei C. in E. tätig war, änderte an die­ser Sach­lage nichts. Die vor­lie­gende Kon­stel­la­tion ähnelte zwar einem Leih­ar­beits­verhält­nis in­so­weit, als auch hier ein Drei­ecks­verhält­nis vor­lag: A. als Auf­trag­ge­ber - Kläger als Auf­trag­neh­mer - C. als Kunde. Der we­sent­li­che Un­ter­schied lag je­doch darin, dass kein Ar­beits­verhält­nis vor­lag, der Auf­trag­ge­ber so­mit nicht Ar­beit­ge­ber und der Kläger nicht Ar­beit­neh­mer war.

Da der Kläger frei war, ob er die Ein­zel­verträge an­nahm oder nicht, so­mit kein Di­rek­ti­ons­recht ei­nes Ar­beit­ge­bers vor­lag, konnte der Sach­ver­halt nicht mit dem ei­nes Leih­ar­beits­verhält­nis­ses ver­gli­chen wer­den. Ins­be­son­dere konnte sich der Kläger auf­grund sei­ner Selbstständig­keit, an­ders als bei einem Leih­ar­beits­verhält­nis mit dem dort ge­ge­be­nen Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers, auf seine auswärtige Tätig­keit auf­grund ei­ge­ner Ent­schei­dung ein­stel­len. Der er­ken­nende Se­nat hielt da­her die Recht­spre­chung des VI. Se­nats des BFH (Urt. v. 15.5.2013, Az.: VI R 18/12) auf den vor­lie­gen­den Fall nicht für an­wend­bar und folgte der Recht­spre­chung des X. Se­nats (Urt. v. 22.10.2014, Az.: X R 13/13).

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