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Zahlungsauftrag trotz widerrufener Kontovollmacht: Ausgleich als Nichtleistungskondiktion zwischen Bank und Zahlungsempfänger

BGH 2.6.2015, XI ZR 327/14

Führt eine Bank ver­se­hent­lich einen Zah­lungs­auf­trag aus, der von einem ehe­mals Kon­to­be­vollmäch­tig­ten er­teilt wurde, nach­dem des­sen Kon­to­voll­macht ihr ge­genüber be­reits wi­der­ru­fen wor­den war, voll­zieht sich der be­rei­che­rungs­recht­li­che Aus­gleich als Nicht­leis­tungs­kon­dik­tion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB) zwi­schen ihr und dem Zah­lungs­empfänger. Dass der ehe­mals Kon­to­be­vollmäch­tigte über den Wi­der­ruf der Voll­macht nicht in Kennt­nis ge­setzt wurde, ändert daran nichts.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Bank nimmt den Be­klag­ten auf be­rei­che­rungs­recht­li­che Rück­ab­wick­lung ei­ner an ihn be­wirk­ten Aus­zah­lung in An­spruch. Die Kläge­rin führt für die Ehe­frau des Be­klag­ten (Kon­to­in­ha­be­rin) ein Gi­ro­konto. Für die­ses Konto hatte der Be­klagte seit dem No­vem­ber 2004 eine Kon­to­voll­macht. Im Ok­to­ber 2012 wi­der­rief die Kon­to­in­ha­be­rin diese Voll­macht ge­genüber der Kläge­rin, die den Wi­der­ruf auf­grund ei­nes bank­in­ter­nen Feh­lers je­doch nicht im Bank­sys­tem hin­ter­legte.

Am 4.12.2012 hob der Be­klagte, der vom Wi­der­ruf sei­ner Voll-macht keine Kennt­nis hatte, am Schal­ter 900 € ab. Noch am sel­ben Tag be­an­stan­dete die Kon­to­in­ha­be­rin diese Aus­zah­lung ge­genüber der Kläge­rin, wor­auf­hin diese den Be­trag dem Konto wie­der gut­schrieb. Der Be­klagte hat be­haup­tet, der Geld­be­trag, den er bar in sei­ner Hose auf­be­wahrt habe, sei am nächs­ten Tag ver­schwun­den ge­we­sen. Da die Kon­to­in­ha­be­rin über Nacht Zu­gang zu sei­nem Zim­mer ge­habt habe, sei da­von aus­zu­ge­hen, dass sie das Geld an sich ge­nom­men habe.

Das AG wies die auf Zah­lung von 900 € nebst Zin­sen ge­rich­tete Klage ab; das LG gab ihr statt. Auf die Re­vi­sion des Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Die Gründe:
Es trifft zwar im Er­geb­nis zu, dass die be­rei­che­rungs­recht­li­che Rück­ab­wick­lung als Nicht­leis­tungs­kon­dik­tion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB) im Verhält­nis der Kläge­rin zum Be­klag­ten statt­zu­fin­den hat. Das LG hat je­doch ver­kannt, dass es da­bei auf die Be­son­der­hei­ten des seit dem 31.10.2009 in Kraft ge­tre­te­nen (Art. 229 § 22 EGBGB) Rechts der Zah­lungs­dienste (§§ 675c ff. BGB) nicht an­kommt. Die Frage, ob die Re­ge­lung der §§ 675u, 675z S. 1 BGB Be­rei­che­rungs­an­sprüche ge­gen den Kon­to­in­ha­ber ge­ne­rell sper­ren, stellt sich nicht, weil ein sol­cher An­spruch be­reits tat­be­stand­lich nicht ge­ge­ben ist.

Schon nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung hat der ver­meint­lich An­ge­wie­sene einen un­mit­tel­ba­ren Be­rei­che­rungs­an­spruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB ge­gen den Zah­lungs­empfänger, wenn eine wirk­same An­wei­sung fehlt und dem An­wei­sen­den diese auch nicht zu­zu­rech­nen ist. In die­sen Fällen hat der An­ge­wie­sene le­dig­lich er­folg­los ver­sucht, eine Leis­tung an den An­wei­sen­den zu er­brin­gen. Die­sem kann die Zu­wen­dung des An­ge­wie­se­nen aber nicht zu­ge­rech­net wer­den, weil er sie nicht ver­an­lasst und auch kei­nen An­schein dafür ge­setzt hat, die Zu­wen­dung sei seine Leis­tung. Der Zah­lungs­empfänger ist da­her in sons­ti­ger Weise auf Kos­ten des An­ge­wie­se­nen be­rei­chert und des­halb des­sen An­spruch aus Nicht­leis­tungs­kon­dik­tion aus­ge­setzt. Dies gilt un­abhängig da­von, ob der Zah­lungs­empfänger das Feh­len ei­ner wirk­sa­men An­wei­sung im Zeit­punkt der Zu­wen­dung kannte oder nicht kannte.

So liegt der Fall auch hier. Der Kon­to­in­ha­be­rin ist der von ihr nicht au­to­ri­sierte Zah­lungs­auf­trag auf Aus­zah­lung der 900 € nicht zu­re­chen­bar. Der vom Be­klag­ten im De­zem­ber 2012 er­teilte Zah­lungs­auf­trag auf Aus­zah­lung des Geld­be­tra­ges (§ 675f Abs. 3 BGB) ent­fal­tete ge­genüber der Kon­to­in­ha­be­rin keine recht­li­che Wirk­sam­keit. Diese hatte die Kon­to­voll­macht, die dem Be­klag­ten die Be­fug­nis gab, aus dem vor­han­de­nen Gut­ha­ben des Kon­tos ein­zelne Zah­lungs­vorgänge zu be­wir­ken, be­reits vor Er­tei­lung die­ses Zah­lungs­auf­trags ge­genüber der Kläge­rin wirk­sam wi­der­ru­fen. Da­mit fehlte für den hier in Rede ste­hen­den Zah­lungs­vor­gang von An­fang an die nach § 675j Abs. 1 BGB er­for­der­li­che Au­to­ri­sie­rung des Zah­lers.

Der Zah­lungs­vor­gang der Kon­to­in­ha­be­rin ist auch nicht des­halb als ei­gene Leis­tung zu­zu­rech­nen, weil sie die im Jahr 2004 er­teilte Kon­to­voll­macht im Ok­to­ber 2012 wi­der­ru­fen hat, ohne den Be­klag­ten über den Wi­der­ruf in Kennt­nis zu set­zen. Der BGH hat zwar in der Ver­gan­gen­heit in Fall­ge­stal­tun­gen, in de­nen der An­wei­sende etwa einen zunächst wirk­sam er­teil­ten Über­wei­sungs­auf­trag später wi­der­ruft und die Bank die­sen Wi­der­ruf irrtümlich nicht be­ach­tet, an­ge­nom­men, der kon­krete Zah­lungs­vor­gang sei durch den Kon­to­in­ha­ber mit ver­an­lasst wor­den. In die­sen Fällen müsse sich die Bank des­halb grundsätz­lich an den Kon­to­in­ha­ber hal­ten, weil der Feh­ler, die wei­sungs­wid­rige Be­hand­lung des Kun­den­auf­trags, im De­ckungs­verhält­nis wurzle und des­halb in die­sem Verhält­nis zu be­rei­ni­gen sei. Vor­lie­gend feh­len je­doch be­reit jeg­li­che An­halts­punkte dafür, dass der kon­krete Zah­lungs­vor­gang der Kon­to­in­ha­be­rin kraft Rechts­scheins zu­zu­rech­nen sein könnte.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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