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Wahrung der Frist für Widerspruch gegen stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses durch "demnächst" zugestellte Räumungsklage

BGH 25.6.2014, VIII ZR 10/14

Die Frist für die Erklärung des Wi­der­spruchs ge­gen die still­schwei­gende Verlänge­rung des Miet­verhält­nis­ses (§ 545 Abs. 1 BGB) wird durch eine vor Frist­ab­lauf ein­ge­reichte und gem. § 167 ZPO "demnächst" zu­ge­stellte Räum­ungs­klage ge­wahrt. Der­je­nige, der mit der Klage die stärk­ste Form der Gel­tend­ma­chung von An­sprüchen wählt, muss sich dar­auf ver­las­sen können, dass die Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift die Frist wahrt.

Der Sach­ver­halt:
Der 63-jährige Be­klagte ist der Sohn der ur­sprüng­li­chen Kläge­rin, die nach der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ver­stor­ben ist. Ihr stand ein Nießbrauchs­recht an einem Ein­fa­mi­li­en­haus zu, in dem der Be­klagte seit sei­ner Ge­burt lebt und der­zeit zwei Zim­mer be­wohnt. Ei­gentümer die­ses Ein­fa­mi­li­en­hau­ses ist ein Bru­der des Be­klag­ten, der den Pro­zess in der Re­vi­si­ons­in­stanz auf Kläger­seite fortführt.

Je­den­falls seit Som­mer 2011 be­stand eine Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Be­klag­ten und sei­ner Mut­ter, wo­nach er für die Nut­zung der Räume eine mo­nat­li­che Miete von 120 € zu ent­rich­ten hatte. Mit An­walts­schrei­ben vom 5.1.2012 (Don­ners­tag) kündigte die Mut­ter des Be­klag­ten das Miet­verhält­nis "zum nächstmögli­chen Ter­min" und wies u.a. dar­auf hin, dass sie von der Kündi­gungsmöglich­keit gem. § 573a BGB Ge­brauch ma­che, weil es sich um Räum­lich­kei­ten in­ner­halb ih­rer ei­ge­nen Woh­nung han­dele. Der Be­klagte zog aus den Räum­lich­kei­ten nicht aus.

AG und LG ga­ben der am 7.8.2012 ein­ge­reich­ten und dem Be­klag­ten am 22.9.2012 zu­ge­stell­ten Räum­ungs­klage statt. Die Re­vi­sion des Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Kläger ist als Ei­gentümer des Grundstücks und Son­der­rechts­nach­fol­ger sei­ner Mut­ter (§ 1056 Abs. 1, § 566 Abs. 1 BGB) be­fugt, den Räum­ungs­an­spruch aus § 546 BGB wei­ter­zu­ver­fol­gen. Nach die­ser Vor­schrift ist der Be­klagte zur Räum­ung und Her­aus­gabe der bei­den von ihm be­wohn­ten Zim­mer an den Kläger ver­pflich­tet.

Die mit Schrei­ben vom 5.1.2012 gem. § 573a BGB erklärte Kündi­gung hat das Miet­verhält­nis be­en­det. Gem. § 573a Abs. 1 und 2 BGB kann der Ver­mie­ter ein Miet­verhält­nis über Wohn­raum in­ner­halb der von ihm selbst be­wohn­ten Woh­nung kündi­gen, ohne dass es ei­nes be­rech­tig­ten In­ter­es­ses i.S.d. § 573 BGB be­darf. Diese Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier vor. Das Miet­verhält­nis ist nicht nach § 545 BGB fort­ge­setzt wor­den. Nach § 545 S. 1 BGB verlängert sich das Miet­verhält­nis auf un­be­stimmte Zeit, wenn der Mie­ter den Ge­brauch der Miet­sa­che nach Ab­lauf der Miet­sa­che fort­setzt und keine Ver­trags­par­tei ih­ren ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len der an­de­ren Par­tei bin­nen zwei Wo­chen mit­teilt.

Das Miet­verhält­nis en­dete hier mit Rück­sicht dar­auf, dass das Miet­verhält­nis erst seit Au­gust 2011 be­stand und des­halb gem. § 573c Abs. 1 S. 1, § 573a Abs. 1 S. 2 BGB eine Kündi­gungs­frist von sechs Mo­na­ten ein­zu­hal­ten war, mit Ab­lauf des 31.7.2012. Da­her kommt es ent­schei­dend dar­auf an, ob die (frühere) Kläge­rin der Fort­set­zung des Miet­verhält­nis­ses bin­nen zwei Wo­chen ab die­sem Zeit­punkt wi­der­spro­chen hat. Ein sol­cher Wi­der­spruch liegt in der am 7.8.2012 ein­ge­reich­ten und am 22.9.2012 dem Be­klag­ten zu­ge­stell­ten Räum­ungs­klage. Wie das LG rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt hat, ist die Kla­ge­schrift dem Be­klag­ten ohne der Kläge­rin zu­zu­rech­nende Verzöge­run­gen und des­halb "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO zu­ge­stellt wor­den. Dem LG ist ins­bes. darin bei­zu­pflich­ten, dass die in § 167 ZPO an­ge­ord­nete Rück­wir­kung der Zu­stel­lung auf den Zeit­punkt der Ein­rei­chung der Klage auch für die Wi­der­spruchs­frist des § 545 BGB gilt.

Der BGH hat zwi­schen­zeit­lich seine frühere, re­strik­tive Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben und ent­schie­den, dass § 167 ZPO re­gelmäßig auch auf Fris­ten an­zu­wen­den ist, die auch durch außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ge­wahrt wer­den können. Er hat da­bei vor al­lem auf Ge­sichts­punkte der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes ab­ge­stellt. Der Wort­laut des § 167 ZPO bie­tet keine An­halts­punkte dafür, dass die Zu­stel­lung da­von abhängt, ob mit der Zu­stel­lung eine nur ge­richt­lich oder auch eine außer­ge­richt­lich gel­tend zu ma­chende Frist ge­wahrt wer­den soll und ob die Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts oder ei­nes Ge­richts­voll­zie­hers (§ 132 BGB) er­folgt. Wer mit der Klage die stärk­ste Form der Gel­tend­ma­chung von An­sprüchen wählt, muss sich dar­auf ver­las­sen können, dass die Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift die Frist wahre.

Für die Wah­rung der in § 545 BGB be­stimm­ten Frist gilt nichts an­de­res, auch in­so­weit fin­det § 167 ZPO An­wen­dung. Ein­deu­ti­ger als durch die Ein­rei­chung ei­ner Räum­ungs­klage kann der Ver­mie­ter sei­nen Wi­der­spruch ge­gen die Verlänge­rung des Miet­verhält­nis­ses nach § 545 BGB nicht zum Aus­druck brin­gen. Der­je­nige, der mit der Klage die stärk­ste Form der Gel­tend­ma­chung von An­sprüchen wählt, muss sich aber dar­auf ver­las­sen können, dass die Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift die Frist wahrt. Ein recht­zei­ti­ger Wi­der­spruch ge­gen die Verlänge­rung des Miet­verhält­nis­ses kann mit­hin auch da­durch er­fol­gen, dass in­ner­halb der Wi­der­spruchs­frist eine Räum­ungs­klage ein­ge­reicht wird, de­ren Zu­stel­lung "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO er­folgt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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