deen

Aktuelles

Verluste aus der Veräußerung von Aktien

Niedersächsisches FG 26.10.2016, 2 K 12095/15

Eine Veräußerung liegt auch vor, wenn bei ei­ner Veräußerung von Ak­tien der Veräußerungs­erlös die Trans­ak­ti­ons­kos­ten nicht über­steigt. Ein Ver­lust aus der Veräußerung von Ak­tien kann auch ohne Be­schei­ni­gung der Bank (i.S.d. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG) im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung berück­sich­tigt wer­den, wenn we­gen der die Bank bin­den­den Ver­wal­tungs­auf­fas­sung kein nicht aus­ge­gli­che­ner Ver­lust vor­liegt und die Be­schei­ni­gung ei­nes Ver­lus­tes durch den Steu­er­pflich­ti­gen da­her nicht er­langt wer­den kann.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob Ver­luste aus Ak­ti­en­veräußerun­gen bei der Er­mitt­lung der Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen zu berück­sich­ti­gen sind. Der Kläger hatte in den Jah­ren 2009 und 2010 über eine Spar­kasse 800 Ak­tien zu An­schaf­fungs­kos­ten von rd. 5.800 € er­wor­ben. Einen Teil die­ser Ak­tien ver­kaufte er am im Ok­to­ber 2013 zu einem Ge­samt­ver­kaufs­preis von 8 €, wo­bei die Spar­kasse in glei­cher Höhe Trans­ak­ti­ons­kos­ten ein­be­hielt. Den zwei­ten Teil der Ak­tien veräußerte er im De­zem­ber 2013 zu einem Ge­samt­ver­kaufs­preis von 6 €, wo­bei wie­derum in glei­cher Höhe Trans­ak­ti­ons­kos­ten be­rech­net wur­den.

Die Spar­kasse ver­zich­tete mit Hin­weis auf die An­wei­sung des BMF (BMF-Schrei­ben vom 9.10.2012) auf eine Ein­bu­chung des durch die Verkäufe ent­stan­de­nen Ver­lus­tes i.H.v. ins­ge­samt 5.800 € in den Ver­lust­ver­rech­nungstöpfen. Da­nach soll eine Veräußerung nicht vor­lie­gen, wenn der Veräußerungs­preis die tatsäch­li­chen Trans­ak­ti­ons­kos­ten nicht über­steigt. In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2013 erklärte der Kläger diese Ver­luste gleich­wohl bei den Einkünf­ten aus Ka­pi­tal­vermögen. Da­ne­ben gab er Ka­pi­tal­erträge i.H.v. rd. 9.500 € an, da­von Ge­winne aus Ak­ti­en­veräußerun­gen i.H.v. rd. 6.800 €. Das Fi­nanz­amt setzte zwar die Ka­pi­tal­erträge an, nicht aber die Ver­luste aus den Ak­ti­en­veräußerun­gen.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat die Berück­sich­ti­gung des Ver­lus­tes aus der Veräußerung der Ak­tien im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung zu Un­recht ab­ge­lehnt.

Nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünf­ten aus Ka­pi­tal­vermögen auch Ge­winne aus der Veräußerung von Ak­tien. Im Streit­fall liegt eine ent­gelt­li­che Über­tra­gung vor. Die Trans­ak­ti­ons­kos­ten sind da­bei nicht als Min­de­rung des Veräußerungs­prei­ses an­zu­se­hen. Dies er­gibt sich aus dem Um­kehr­schluss zu § 20 Abs. 4 S. 1 EStG, wo­nach als Ge­winn aus der Veräußerung der Un­ter­schied zwi­schen den Ein­nah­men aus der Veräußerung nach Ab­zug der Auf­wen­dun­gen, die im un­mit­tel­ba­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem Veräußerungs­ge­schäft ste­hen, und den An­schaf­fungs­kos­ten, be­stimmt wird. Die ent­ge­gen­ste­hende Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung, wo­nach eine Veräußerung nicht vor­lie­gen soll, wenn der Veräußerungs­preis die tatsäch­li­chen Trans­ak­ti­ons­kos­ten nicht über­steigt, fin­det im Ge­setz keine Grund­lage. Sie führt i.Ü. zu dem fragwürdi­gen Er­geb­nis, dass die steu­er­li­che Be­hand­lung der Veräußerungs­ver­luste von der Gebühren­ge­stal­tung der je­wei­li­gen Bank ab­hinge.

Der Veräußerungs­ver­lust, der nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG rd. 5.800 € beträgt, ist auch im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung zu berück­sich­ti­gen und mit den im Streit­jahr er­ziel­ten Ge­win­nen aus der Veräußerung von Ak­tien zu ver­rech­nen. Nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG dürfen Ver­luste aus Ka­pi­tal­vermögen, die der Ka­pi­tal­er­trag­steuer un­ter­lie­gen, je­doch nur ver­rech­net wer­den oder die Einkünfte min­dern, die der Steu­er­pflich­tige in den fol­gen­den Ver­an­la­gungs­zeiträumen aus Ka­pi­tal­vermögen er­zielt, wenn eine Be­schei­ni­gung i.S.d. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG vor­liegt. Nach der Vor­schrift hat die aus­zah­lende Stelle auf Ver­lan­gen des Gläubi­gers der Ka­pi­tal­erträge über die Höhe ei­nes nicht aus­ge­gli­che­nen Ver­lusts eine Be­schei­ni­gung nach amt­lich vor­ge­schrie­be­nem Mus­ter zu er­tei­len; der Ver­lustüber­trag entfällt in die­sem Fall. Dem Kläger wurde eine sol­che Be­schei­ni­gung von der aus­zah­len­den Stelle nicht aus­ge­stellt; er hat sie auch nicht be­an­tragt.

Vor­lie­gend be­darf es je­doch auch kei­ner sol­chen Be­schei­ni­gung, um die Veräußerungs­ver­luste zu berück­sich­ti­gen. Es la­gen be­reits die ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen für die Aus­stel­lung der Be­schei­ni­gung nicht vor. Nach § 43a Abs. 3 S. 4 EStG ist die Be­schei­ni­gung über die Höhe "ei­nes nicht aus­ge­gli­che­nen Ver­lus­tes" zu er­tei­len. Ein nicht aus­ge­gli­che­ner Ver­lust i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 S. 1 EStG liegt aber schon man­gels ei­ner Veräußerung nicht vor. Die Bank als aus­zah­lende Stelle hat nach Auf­fas­sung des Ge­setz­ge­bers als "Or­gan der Steu­er­er­he­bung" bei der Erfüllung ih­rer Auf­ga­ben die Rechts­auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung hin­sicht­lich des Ka­pi­tal­er­trag­steu­er­ein­be­halts an­zu­wen­den. Die­ser Auf­fas­sung ist auch der BFH ge­folgt. Al­ler­dings hat er für diese Re­gel die Aus­nahme für den Fall auf­ge­stellt, dass die An­sicht des Bank­kun­den dem ein­deu­ti­gen Wort­laut der ein­schlägi­gen Be­stim­mun­gen ent­spricht und auch aus de­ren Ent­ste­hungs­ge­schichte und Zweck kein An­halt für ein ab­wei­chen­des Re­ge­lungs­verständ­nis be­steht.

Diese Aus­nahme von der Bin­dungs­wir­kung der Ban­ken an die Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung liegt auch hier vor. Die Auf­fas­sung des Klägers, wo­nach auch bei die Veräußerungs­erlöse über­stei­gen­den Trans­ak­ti­ons­kos­ten ein Veräußerungs­vor­gang vor­liegt, ent­spricht dem Wort­laut des Ge­set­zes und der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung. Eine voll­umfäng­li­che Prüfung kann der Steu­er­pflich­tige nur durch einen Rechts­be­helf ge­gen den ihm ge­genüber er­ge­hen­den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid er­rei­chen. Diese Vor­ge­hens­weise liegt näher als eine Dritt­an­fech­tung ge­gen die Ka­pi­tal­er­trag­steu­er­an­mel­dung der Bank (mit sehr ein­ge­schränk­tem Prüfungsmaßstab) und ist durch die in § 32d Abs. 4 und 6 EStG vor­ge­se­hene Möglich­keit, die Ka­pi­tal­erträge in die Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung ein­zu­be­zie­hen, auch ausdrück­lich ge­re­gelt.

Link­hin­weis:

nach oben