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Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Rentenversicherungspflichtigen bei der "Riester-Rente" teilweise korrigiert

BFH 22.10.2014, X R 18/14

Da das Ge­setz für die Zeit bis 2004 keine Frist vor­ge­se­hen hatte, ist § 10a Abs. 1a S. 2 EStG in der in den Jah­ren 2002 bis 2004 gel­ten­den Fas­sung da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass das Ein­verständ­nis mit der Über­mitt­lung von Be­sol­dungs­da­ten an die zen­trale Stelle bis zur Be­stands­kraft der Ent­schei­dung über die Fest­set­zung der Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage er­teilt wer­den kann. Für die Zeit ab 2005 ist hin­ge­gen die ge­setz­li­che Zwei-Jah­res-Frist als ver­fas­sungs­gemäß an­zu­se­hen; schließlich wer­den Be­amte seit 2005 deut­lich bes­ser über das Er­for­der­nis der Ein­wil­li­gung in­for­miert als zu­vor.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war in den Streit­jah­ren 2004 bis 2006 Be­am­tin. Im Au­gust 2002 hatte sie mit einem An­bie­ter einen zer­ti­fi­zier­ten Al­ters­vor­sor­ge­ver­trag ("Ries­ter-Rente") ab­ge­schlos­sen, auf den sie in den Streit­jah­ren ei­gene Beiträge ein­zahlte. Der An­bie­ter be­an­tragte bei der ZfA in dem auf das je­wei­lige Bei­trags­jahr fol­gen­den Jahr für die Kläge­rin die Gewährung von Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage mit­tels der vor­ge­schrie­be­nen elek­tro­ni­schen Da­tensätze. Darin gab er je­doch - ob­jek­tiv un­zu­tref­fend - an, die Kläge­rin sei keine Be­am­tin. Die ZfA zahlte dar­auf­hin die Zu­la­ge­beträge auf das Ver­trags­konto der Kläge­rin.

Nach ei­ner Überprüfung der ZfA im Jahr 2009 teilte diese der Kläge­rin mit, dass sie nicht zum förder­be­rech­tig­ten Per­so­nen­kreis gehöre und die Zu­lage des­halb zurück­ge­for­dert wer­den müsse. Dar­auf­hin erklärte der Ehe­mann der Kläge­rin te­le­fo­ni­sch ge­genüber der ZfA, dass die Kläge­rin Be­am­tin sei. Die ZfA wies auf das Er­for­der­nis ei­ner Ein­wil­li­gungs­erklärung ge­genüber der Be­sol­dungs­stelle hin. Diese Erklärung reichte die Kläge­rin im Ok­to­ber 2009 bei ih­rer Be­sol­dungs­stelle ein.

Die Kläge­rin machte gel­tend, sie sei  vom An­bie­ter erst An­fang Ok­to­ber 2009 über die Not­wen­dig­keit der Ab­gabe ei­ner Ein­verständ­nis­erklärung ge­genüber der Be­sol­dungs­stelle in­for­miert wor­den. Die ZfA ent­geg­nete, der Kläge­rin sei von ih­rem Dienst­herrn mit der Ge­halts­ab­rech­nung für De­zem­ber 2002 so­wohl ein In­for­ma­ti­ons­blatt zu der Ein­verständ­nis­erklärung als auch ein ent­spre­chen­der Vor­druck zur Er­tei­lung die­ser Erklärung über­sandt wor­den und lehnte die Fest­set­zung von Al­ters­vor­sor­ge­zu­la­gen für die Streit­jahre ab.

Im Kla­ge­ver­fah­ren brachte die Kläge­rin u.a. vor, das Er­for­der­nis der Ein­wil­li­gung stelle Be­amte in un­zulässi­ger Weise schlech­ter als Pflicht­ver­si­cherte in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung. Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin war in Be­zug auf das Streit­jahr 2004 er­folg­reich. Im Übri­gen war die Re­vi­sion un­begründet.

Die Gründe:
Für die Streit­jahre 2005 und 2006 hat das FG zu Recht ent­schie­den, dass die Kläge­rin kei­nen An­spruch auf die Fest­set­zung von Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage hat. Schließlich hatte sie die er­for­der­li­che Ein­wil­li­gung nicht in­ner­halb der ge­setz­li­chen Frist er­teilt. Der Kläge­rin konnte so­mit we­gen der Frist­versäum­ung we­der eine nachträgli­che Frist­verlänge­rung nach § 109 AO noch Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand nach § 110 AO gewährt wer­den. Die ein­fach-ge­setz­li­che Re­ge­lungs­lage genügt in­so­fern den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen.

Da das Ge­setz für die Zeit bis 2004 keine Frist vor­ge­se­hen hatte, war § 10a Abs. 1a S. 2 EStG in der in den Jah­ren 2002 bis 2004 gel­ten­den Fas­sung da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass das Ein­verständ­nis mit der Über­mitt­lung von Be­sol­dungs­da­ten an die zen­trale Stelle bis zur Be­stands­kraft der Ent­schei­dung über die Fest­set­zung der Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage er­teilt wer­den konnte.

Die ge­setz­li­che Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Be­am­ten und Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen da­hin­ge­hend, dass nur bei Be­am­ten der An­spruch auf Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage zusätz­lich von ei­ner ge­genüber dem Dienst­herrn schrift­lich zu er­tei­len­den Ein­wil­li­gung in die Über­mitt­lung von Be­sol­dungs­da­ten abhängig ist, ist ver­fas­sungs­gemäß. Das be­trifft auch die ab 2005 gel­tende Ob­lie­gen­heit, die Ein­wil­li­gung in­ner­halb von zwei Jah­ren nach Ab­lauf des Bei­trags­jah­res zu er­tei­len.

Das drei­stu­fige ge­setz­li­che Ver­fah­ren zur Er­mitt­lung, Überprüfung und Fest­set­zung der Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage ver­letzt auch im Hin­blick dar­auf, dass es für einen mehrjähri­gen Zeit­raum nicht zum Ein­tritt der ma­te­ri­el­len Be­stands­kraft kommt, nicht die Grundsätze des Ver­trau­ens­schut­zes und des An­spruchs auf ef­fek­ti­ven Rechts­schutz. Be­amte wer­den seit 2005 deut­lich bes­ser über das Er­for­der­nis der Ein­wil­li­gung in­for­miert als zu­vor. So sind seit­her die An­bie­ter ver­pflich­tet, über die­ses Er­for­der­nis auf­zuklären. Auch sind die amt­li­chen An­trags­for­mu­lare er­heb­lich ver­bes­sert wor­den.

Hin­ter­grund:
So­wohl ren­ten­ver­si­che­rungs­pflich­tige Ar­beit­neh­mer als auch Be­amte können die Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage er­hal­ten. Bei Ren­ten­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen genügt dafür der Ab­schluss ei­nes zer­ti­fi­zier­ten Ver­tra­ges mit einem ent­spre­chen­den An­bie­ter so­wie die Leis­tung be­stimm­ter Min­dest­beiträge. Be­amte müssen hin­ge­gen zusätz­lich ge­genüber ih­rem Dienst­herrn ausdrück­lich darin ein­wil­li­gen, dass die­ser ihre Ge­halts­da­ten an die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund (DRV) über­mit­telt. Wird diese Ein­wil­li­gung nicht in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist er­teilt, verfällt der An­spruch auf Al­ters­vor­sor­ge­zu­lage endgültig.

Da in den An­fangs­jah­ren der "Ries­ter-Rente" im All­ge­mei­nen we­der die An­bie­ter noch die DRV über das Er­for­der­nis der Ein­wil­li­gung auf­geklärt ha­ben, ha­ben zahl­rei­che Be­amte die Frist versäumt und trotz Leis­tung ent­spre­chen­der Beiträge keine Zu­lage er­hal­ten. Es dürf­ten ca. 90.000 Be­amte be­trof­fen sein; meh­rere hun­dert Kla­ge­ver­fah­ren sind noch vor den Fi­nanz­ge­rich­ten anhängig.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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