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Umsatzsteuer bei gemeinnützigen Jugendherbergen

BFH 10.8.2016, V R 11/15

Die Steu­er­sat­zermäßigung für Ju­gend­her­ber­gen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1b AO gilt nicht für Leis­tun­gen an al­lein rei­sende Er­wach­sene. Bei der Aus­le­gung von § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ist seit 1993 auch das die­ser Steu­er­sat­zermäßigung zu­grunde lie­gende Uni­ons­recht zu be­ach­ten.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist ein als ge­meinnützig an­er­kann­ter Ver­ein, der Ju­gend­her­ber­gen und an­dere ju­gend­gemäße Un­terkünfte be­wirt­schaf­tet, die al­len Mit­glie­dern des Deut­schen Ju­gend­her­bergs­wer­kes und der In­ter­na­tio­nal Youth Hostel Fe­dera­tion (IYHF) of­fen ste­hen. Im Streit­jahr 2008 er­brachte der Kläger sat­zungs­gemäß steu­er­freie Leis­tun­gen nach § 4 Nr. 24 UStG an Ju­gend­grup­pen und Schul­klas­sen. Da­ne­ben er­brachte er auch Be­her­ber­gungs­leis­tun­gen an er­wach­sene Ein­zel­rei­sende im Al­ter von über 27 Jah­ren. Die An­zahl der Ge­samtüber­nach­tun­gen be­trug im Streit­jahr 456.744, von de­nen auf al­lein rei­sende Er­wach­sene 24.165 Über­nach­tun­gen ent­fie­len, so dass de­ren An­teil 5,3 % der Ge­samtüber­nach­tun­gen be­trug.

Der Kläger bot den al­lein rei­sen­den er­wach­se­nen Gästen nur die Leis­tun­gen an, die auch von den übri­gen Gästen wie Ju­gend­grup­pen, Schul­klas­sen und Fa­mi­lien in An­spruch ge­nom­men wer­den konn­ten. Al­ler­dings er­hob der Kläger für Über­nach­tun­gen bei al­lein rei­sen­den Er­wach­se­nen einen Zu­schlag von 3 € pro Nacht. Auch für zusätz­lich an­ge­bo­tene Leis­tun­gen, wie Hob­by­pro­gramme, Wan­de­run­gen oder Rad­wan­de­run­gen muss­ten al­lein rei­sende Er­wach­sene höhere Preise zah­len als die an­de­ren Gäste.

Der Kläger ver­steu­erte die Umsätze aus der Be­her­ber­gung von al­lein rei­sen­den Er­wach­se­nen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG zum ermäßig­ten Steu­er­satz. Das Fi­nanz­amt ging hin­ge­gen da­von aus, dass diese Leis­tun­gen dem Re­gel­steu­er­satz un­ter­lie­gen und er­ließ einen ent­spre­chend geänder­ten Um­satz­steu­er­jah­res­be­scheid, da die Leis­tun­gen des Klägers an al­lein rei­sende Er­wach­sene kei­nem Zweck­be­trieb zu­zu­ord­nen seien. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Die Steu­er­sat­zermäßigung für Ju­gend­her­ber­gen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1b AO gilt nicht für Leis­tun­gen an al­lein rei­sende Er­wach­sene.

Bei der Aus­le­gung von § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ist seit 1993 auch das die­ser Steu­er­sat­zermäßigung zu­grunde lie­gende Uni­ons­recht zu be­ach­ten. Im Hin­blick auf die im Streit­jahr zu be­ach­tende uni­ons­recht­li­che Har­mo­ni­sie­rung der Steu­er­sat­zermäßigun­gen war die Recht­spre­chung des er­ken­nen­den Se­nats zur Rechts­lage vor die­ser Har­mo­ni­sie­rung nicht auf das Streit­jahr zu über­tra­gen. Im Streit­jahr war in­so­fern zu be­ach­ten, dass sich die An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes uni­ons­recht­lich auf die Leis­tun­gen der von den Mit­glied­staa­ten an­er­kann­ten ge­meinnützi­gen Ein­rich­tun­gen für wohltätige Zwecke und im Be­reich der so­zia­len Si­cher­heit be­schränkt. Da­mit ist eine Steu­er­sat­zermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a S. 1 u. 2 UStG i.V.m. § 64 und § 68 Nr. 1b AO für an­dere als die sat­zungsmäßigen Leis­tun­gen ge­meinnützi­ger Körper­schaf­ten - wie etwa für die Be­her­ber­gung al­lein rei­sen­der Er­wach­se­ner - nicht ver­ein­bar.

Un­ter Berück­sich­ti­gung der uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben er­gibt sich die er­for­der­li­che "Tren­nung der Ak­ti­vitäten" be­reits aus der Al­ters­struk­tur der Über­nach­tungsgäste. Während die Leis­tun­gen an Ju­gend­li­che i.S.v. § 4 Nr. 23 S. 2 UStG und ihre Be­gleit­per­so­nen als der so­zia­len Si­cher­heit die­nend an­zu­se­hen sind, trifft dies auf al­lein rei­sende Er­wach­sene nicht zu. Leis­tun­gen an die­sen Per­so­nen­kreis wer­den in einem selbständi­gen wirt­schaft­li­chen Ge­schäfts­be­trieb er­bracht, der nicht Zweck­be­trieb ist und des­sen Umsätze der Be­steue­rung nach dem Re­gel­steu­er­satz un­ter­lie­gen.

Mit Blick auf diese Trenn­bar­keit führt die Be­her­ber­gung al­lein rei­sen­der Er­wach­se­ner man­gels ein­heit­li­cher Be­ur­tei­lung im Re­gel­fall nicht mehr zum Weg­fall der Zweck­be­triebs­ei­gen­schaft nach § 68 Nr. 1b AO bei der Be­her­ber­gung Ju­gend­li­cher und ih­rer Be­gleit­per­so­nen, wenn die Be­her­ber­gung al­lein rei­sen­der Er­wach­se­ner eine Grenze von 10 % ge­mes­sen an der Zeit­dauer der Ver­mie­tung über­schrei­tet. Da­nach war die Kläge­rin nicht zur An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes für die an al­lein rei­sende Er­wach­sene er­brach­ten Leis­tun­gen be­rech­tigt. Zu­dem hatte sie für die Be­her­ber­gung al­lein rei­sen­der Er­wach­se­ner auch höhere Ent­gelte ver­langt und ver­ein­nahmt.

Link­hin­weis:

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