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Markenrechtliche Erschöpfung bei Parallelimport von Medizinprodukten nach Neuetikettierung

OLG Frankfurt a.M. 23.3.2017, 6 U 125/16

Ein grundsätz­lich zum Aus­schluss des mar­ken­recht­li­chen Er­schöpfungs­ein­wands führen­des Um­pa­cken durch Neue­ti­ket­tie­rung ei­nes aus dem EU-Aus­land par­al­lel­im­por­tier­ten Me­di­zin­pro­dukts liegt auch dann vor, wenn auf der im­por­tier­ten Ori­gi­nal­ver­pa­ckung ein Auf­kle­ber an­ge­bracht wird, der ne­ben dem Na­men und der An­schrift des Im­por­teurs eine Phar­ma­zen­tral­num­mer (PZN) so­wie einen Strich­code enthält. Eine ob­jek­tive Zwangs­lage für den Par­al­lel­im­por­teur, die eine Maßnahme zur Ver­mei­dung ei­ner Markt­ab­schot­tung recht­fer­ti­gen kann, liegt nicht vor, wenn die im­por­tierte Ori­gi­nal­ver­pa­ckung be­reits mit der deut­schen PZN des Mar­ken­in­ha­bers für das Pro­dukt ver­se­hen war.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist In­ha­be­rin der deut­schen, u.a. für Ver­bands­stoffe und Pflas­ter ein­ge­tra­ge­nen Wort­mar­ken "A" und "B". Die An­trags­geg­ne­rin be­fasst sich u.a. mit dem Par­al­lel­im­port von Me­di­zin­pro­duk­ten. Sie hat Ver­bands­stoffe, wel­che die An­trag­stel­le­rin un­ter die­sen Mar­ken im EU-Aus­land in Ver­kehr ge­bracht hatte, im­por­tiert und in Deutsch­land an­ge­bo­ten.

Die im­por­tier­ten Er­zeug­nisse be­fan­den sich in Ver­pa­ckun­gen, auf de­nen die An­trag­stel­le­rin ne­ben ih­rer Marke ihre deut­sche Phar­ma­zen­tral­num­mer (PZN) für den je­wei­li­gen Ver­bands­stoff an­ge­bracht hatte. Zum Zwecke des Ver­triebs in Deutsch­land hat die An­trags­geg­ne­rin diese PZN der An­trag­stel­le­rin mit einem Auf­kle­ber über­deckt. Auf dem Auf­kle­ber be­fin­den sich ne­ben dem Hin­weis auf Im­port und Ver­trieb des Mit­tels durch die An­trags­geg­ne­rin die ei­gene PZN der An­trags­geg­ne­rin, die sich die An­trags­geg­ne­rin für die­ses Pro­dukt hat zu­tei­len las­sen, so­wie ein Strich­code. Die An­trags­geg­ne­rin bie­tet die im­por­tier­ten Ver­bands­stoffe zu einem Preis an, der nied­ri­ger ist als der für die­sel­ben von der An­trag­stel­le­rin in Deutsch­land in den Ver­kehr ge­brach­ten Mit­tel.

Die An­trag­stel­le­rin sah in dem Ver­hal­ten der An­trags­geg­ne­rin eine Ver­let­zung ih­rer Mar­ken und hat des­we­gen im Be­schluss­wege eine Un­ter­las­sungs­verfügung er­wirkt, die das LG auf den Wi­der­spruch der An­trags­geg­ne­rin hin durch Ur­teil bestätigt hat. Auf die Be­ru­fung der An­trags­geg­ne­rin hat das OLG das Ur­teil wei­test­ge­hend bestätigt. Das Ur­teil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die An­brin­gung des in Rede ste­hen­den äußeren Auf­kle­bers auf der Ori­gi­nal­ver­pa­ckung ist als Um­pa­cken durch Neue­ti­ket­tie­rung i.S.d. - grundsätz­lich auch auf Me­di­zin­pro­dukte an­wend­ba­ren - EuGH-Recht­spre­chung (26.4.2007 - C-348/04) ein­zu­stu­fen. In­so­weit schließt sich der Se­nat der Auf­fas­sung des BGH an, der in der Vor­la­ge­ent­schei­dung "De­bri­soft" (6.10.2016 - I ZR 165/15) aus­geführt hatte, dass die An­brin­gung ei­nes Auf­kle­bers auf einem Me­di­zin­pro­dukt, der ne­ben der An­gabe des Im­por­teurs auch eine PZN-Num­mer enthält, ih­rem We­sen nach tatsäch­li­che Ge­fah­ren für die Her­kunfts­ga­ran­tie der Marke schaffe, wes­halb eine sol­che Maßnahme als Um­pa­cken durch Neue­ti­ket­tie­rung ein­zu­stu­fen sei.

Ohne Er­folg be­rief sich die An­trags­geg­ne­rin dar­auf, dass der Auf­kle­ber ent­ge­gen der Auf­fas­sung des BGH je­den­falls aus der Sicht der hier­mit an­ge­spro­che­nen Ärzte und Apo­the­ken le­dig­lich die Funk­tion ei­nes Preis­schil­des habe. Denn ge­rade für den Durch­schnitts­ver­brau­cher hat die PZN auf dem Auf­kle­ber nicht die Funk­tion ei­nes Preis­schil­des; viel­mehr han­delt es sich um eine Zif­fer, die für ihn ohne Be­deu­tung ist und de­ren Funk­tion ihm da­her auch nicht geläufig ist.

Da die An­brin­gung des in Rede ste­hen­den Auf­kle­bers als Um­pa­cken durch Neue­ti­ket­tie­rung ein­zu­stu­fen ist, kann sich die An­trag­stel­le­rin dem wei­te­ren Ver­trieb der auf diese Weise veränder­ten Ori­gi­nal­pa­ckun­gen je­den­falls dann wi­der­set­zen, wenn die Gel­tend­ma­chung der Rechte aus der Marke nicht der künst­li­chen Mark­ab­schot­tung dient. Von ei­ner künst­li­chen Markt­ab­schot­tung ist nur dann aus­zu­ge­hen, wenn Re­ge­lun­gen oder Prak­ti­ken im Ein­fuhr­land den Ver­trieb der Ware in der un­veränder­ten Ori­gi­nal­ver­pa­ckung ver­hin­dern; da­ge­gen ist die Er­for­der­lich­keit für die Neue­ti­ket­tie­rung nicht ge­ge­ben, wenn der Par­al­lel­im­por­teur da­mit le­dig­lich einen wirt­schaft­li­chen Vor­teil er­lan­gen möchte.

Eine sol­che ob­jek­tive Zwangs­lage für die An­brin­gung ei­nes Auf­kle­bers mit der ei­ge­nen PZN der An­trags­geg­ne­rin ist im vor­lie­gen­den Fall nicht ge­ge­ben, weil die Er­zeug­nisse der An­trag­stel­le­rin auch ohne diese Verände­rung in Deutsch­land ver­trie­ben wer­den können. Dies gilt auch, wenn sich die Be­ur­tei­lung al­lein auf den - für Ver­bands­stoffe wich­ti­gen - Ab­satz­weg über die ärzt­li­che Ver­ord­nung und die Ab­rech­nung der Apo­theke mit der Kran­ken­kasse be­schränkt.

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