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Steuerberatung

Keine Zustimmung des Sachwalters: Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Steuerschulden

FG Münster 3.4.2017, 7 V 492/17 U

Das FG Müns­ter hat sich mit der Haf­tungs­inan­spruch­nahme ei­nes GmbH-Ge­schäftsführers für Steu­er­schul­den, de­ren Zah­lung der Sach­wal­ter im vorläufi­gen In­sol­venz­ver­fah­ren ausdrück­lich nicht zu­ge­stimmt hat, be­fasst.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob das Fi­nanz­amt die An­trag­stel­ler zu Recht als Haf­tungs­schuld­ner für Um­satz­steu­errückstände in An­spruch ge­nom­men hat. Die An­trag­stel­ler sind bzw. wa­ren Ge­schäftsführer der P-GmbH. Im No­vem­ber 2014 stellte die P-GmbH beim AG einen In­sol­venz­an­trag. Das AG ord­nete an­trags­gemäß die vorläufige Ei­gen­ver­wal­tung an und be­stellte Rechts­an­walt R zum vorläufi­gen Sach­wal­ter.

Zu­gleich ord­nete es an, dass Zah­lun­gen aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis i.S.v. § 37 AO so­wie Zah­lun­gen auf Beiträge der Ar­beit­neh­mer zur So­zi­al­ver­si­che­rung i.S.v. § 266a StGB nur mit Zu­stim­mung des vorläufi­gen Sach­wal­ters ge­leis­tet wer­den dürfen. Mit Schrei­ben vom 26.11.2014 teilte der vorläufige Sach­wal­ter mit, dass er ei­ner Zah­lung der Beiträge der Ar­beit­neh­mer zur So­zi­al­ver­si­che­rung so­wie der Zah­lung von Steu­ern während des vorläufi­gen In­sol­venz­ver­fah­rens ausdrück­lich nicht zu­stimme.

Im April 2015 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren in Ei­gen­ver­wal­tung eröff­net und R als Sach­wal­ter be­stellt. Mit Da­tum vom 16.11.2016 er­ließ das Fi­nanz­amt je­weils einen Haf­tungs­be­scheid nach §§ 191 Abs. 1 i.V.m. §§ 69, 34 AO ge­genüber den An­trag­stel­lern für Um­satz­steu­errückstände der P-GmbH. Der Be­trag sollte spätes­tens am 21.12.2016 ge­zahlt wer­den. Das Fi­nanz­amt ging bei der Be­rech­nung des Haf­tungs­be­tra­ges von ei­ner Haf­tungs­quote i.H.v. 39,10 % aus. Als Be­ginn des Haf­tungs­zeit­raums legte es den 10.2.2015 fest.

Das FG gab dem An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung des Haf­tungs­be­scheids statt.

Die Gründe:
Es be­ste­hen ernst­li­che Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit der an­ge­foch­te­nen Haf­tungs­be­scheide, der An­trags­geg­ner dürfte die An­trag­stel­ler nach sum­ma­ri­scher Prüfung zu Un­recht im Rah­men der sog. Ge­schäftsführer­haf­tung gem. §§ 191, 69, 34 AO in An­spruch ge­nom­men ha­ben.

Die An­trag­stel­ler wa­ren als Ge­schäftsführer der P-GmbH als de­ren ge­setz­li­che Ver­tre­ter gem. § 35 Abs. 1 GmbHG zwar zur Erfüllung der steu­er­li­chen Pflich­ten der Ge­sell­schaft ver­pflich­tet. Sie ha­ben ihre Pflich­ten als Ge­schäftsführer je­doch nicht grob fahrlässig ver­letzt. Rei­chen die fi­nan­zi­el­len Mit­tel der Ge­sell­schaft nicht zur Be­frie­di­gung al­ler Gläubi­ger aus, so be­geht der ge­setz­li­che Ver­tre­ter grundsätz­lich eine Pflicht­ver­let­zung i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 2 AO, wenn er es versäumt, die Steu­er­schul­den der Ge­sell­schaft in etwa in dem glei­chen Verhält­nis zu til­gen wie die For­de­run­gen der an­de­ren Gläubi­ger, sog. Grund­satz der an­tei­li­gen Til­gung. Vor­lie­gend ha­ben die An­trag­stel­ler im Haf­tungs­zeit­raum For­de­run­gen an­de­rer Gläubi­ger in größerem Um­fang ge­tilgt als die Steu­er­schul­den beim An­trags­geg­ner.

Grundsätz­lich sind die Ge­schäftsführer je­doch auch trotz der Stel­lung des In­sol­venz­an­trags und der An­ord­nung der vorläufi­gen Ei­gen­ver­wal­tung zur Zah­lung der Steu­errückstände un­ter Be­ach­tung des Grund­sat­zes der an­tei­li­gen Til­gung ver­pflich­tet. Denn nach BFH-Recht­spre­chung be­freit al­lein der An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens den GmbH-Ge­schäftsführer nicht von der Haf­tung we­gen Nicht­abführung von Lohn­steuer. Denn der Ge­schäftsführer ist nach der Recht­spre­chung des BFH so­lange ver­pflich­tet, die Steu­er­ver­bind­lich­kei­ten des Steu­er­schuld­ners zu zah­len, bis die­sem durch Be­stel­lung ei­nes (star­ken) In­sol­venz­ver­wal­ters oder Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens die Verfügungs­be­fug­nis ent­zo­gen wird.

Die Rechts­po­si­tion des Ge­schäftsführers als ge­setz­li­cher Ver­tre­ter des (Steuer-)Schuld­ners und des­sen Ver­wal­tungs- und Verfügungs­be­fug­nis im Außenverhält­nis wird auch durch die An­ord­nung der vorläufi­gen Ei­gen­ver­wal­tung nicht be­schränkt. Der Pflicht zur Zah­lung der Steu­er­ver­bind­lich­kei­ten steht auch we­der eine Pflich­ten­kol­li­sion we­gen Ver­let­zung der Mas­se­si­che­rungs­pflicht noch der Gläubi­ger­gleich­be­hand­lungs­grund­satz ent­ge­gen. Hier hatte das In­sol­venz­ge­richt je­doch gem. §§ 270a, 21 Abs. 1 S. 1 InsO an­ge­ord­net, dass Zah­lun­gen aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis i.S.v. § 37 AO nur mit Zu­stim­mung des vorläufi­gen Sach­wal­ters ge­leis­tet wer­den durf­ten und der Sach­wal­ter hatte die Zu­stim­mung ausdrück­lich ver­sagt.

Es kann in­so­weit da­hin­ste­hen, ob die An­ord­nung ei­nes sol­chen Zu­stim­mungs­vor­be­halts durch das In­sol­venz­ge­richt in­sol­venz­recht­lich im Rah­men der vorläufi­gen Ei­gen­ver­wal­tung zulässig ist oder nicht. Denn je­den­falls kann im Streit­fall auf­grund der Be­ach­tung der in­sol­venz­ge­richt­li­chen An­ord­nung kein den An­trag­stel­lern vor­werf­ba­res gro­bes Ver­schul­den an­ge­nom­men wer­den. Al­lein die Tat­sa­che, dass die Ge­schäftsführer trotz der vom Ge­richt an­ge­ord­ne­ten Be­schränkun­gen ihr Amt/ihre Auf­ga­ben über­nom­men bzw. nicht nie­der­ge­legt ha­ben, kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung des An­trags­geg­ners kein gro­bes Ver­schul­den der An­trag­stel­ler begründen.

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