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Kein Anspruch des Leistungsempfängers gegen das Finanzamt auf Erstattung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer

FG Münster 3.9.2014, 6 K 939/11 AO

Ein Leis­tungs­empfänger kann die ihm zu Un­recht vom leis­ten­den Un­ter­neh­mer in Rech­nung ge­stellte und an die­sen ge­zahlte Um­satz­steuer auch dann nicht vom Fi­nanz­amt er­stat­tet ver­lan­gen, wenn der Rech­nungs­aus­stel­ler zur Rücker­stat­tung nicht be­reit oder in der Lage ist. Dem steht der eu­ro­pa­recht­li­che Grund­satz der Neu­tra­lität und Ef­fek­ti­vität der Mehr­wert­steuer nicht ent­ge­gen, denn die­ser wird grundsätz­lich auch dann be­ach­tet, wenn der Leis­tungs­empfänger im Hin­blick auf die Er­stat­tung zu Un­recht ge­zahl­ter Vor­steu­er­beträge auf den Zi­vil­rechts­weg ver­wie­sen wird.

Der Sach­ver­halt:
Das Ver­fah­ren be­trifft die Frage der Rechtmäßig­keit ei­nes Ab­rech­nungs­be­schei­des be­tref­fend die Er­stat­tung von Um­satz­steu­er­zah­lun­gen. Die Kläge­rin, eine GmbH, nahm aus Ein­gangs­rech­nun­gen ver­schie­de­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten einen Vor­steu­er­ab­zug in An­spruch. Auf­grund ei­ner Steu­er­fahn­dungsprüfung ver­sagte ihr das Fi­nanz­amt die­sen An­spruch weil die Rech­nun­gen eine un­zu­tref­fende Leis­tungs­be­zeich­nung ent­hiel­ten. Nach­dem ent­spre­chend geänderte Um­satz­steu­er­be­scheide er­gan­gen wa­ren, zahlte die Kläge­rin die zu Un­recht in An­spruch ge­nom­me­nen Vor­steu­er­beträge an das Fi­nanz­amt zurück.

Etwa zwei Jahre später be­gehrte die Kläge­rin die Er­stat­tung ei­nes Teils der zurück­ge­zahl­ten Vor­steu­ern vom Fi­nanz­amt, weil ihr in­so­weit eine In­an­spruch­nahme der Rech­nungs­aus­stel­ler nicht möglich sei. Hierzu be­rief sie sich auf die Recht­spre­chung des EuGH, nach der einem gutgläubi­gen Leis­tungs­empfänger ein un­mit­tel­ba­rer Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen das Fi­nanz­amt zu­stehe, wenn der Leis­tende zah­lungs­unfähig oder -un­wil­lig sei. Das Fi­nanz­amt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Kläge­rin kei­nen An­spruch habe, da die geänder­ten Um­satz­steu­er­be­scheide einen Rechts­grund für die Rück­zah­lung der Vor­steu­er­beträge dar­stell­ten. Über­dies habe sie ihre Gutgläubig­keit nicht nach­ge­wie­sen.

Das FG legte die Ab­leh­nung des Fi­nanz­amts als Ab­rech­nungs­be­scheid aus und wies die Klage ab. Die Re­vi­sion wurde zur Fort­bil­dung des Rechts und zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung zu­ge­las­sen. Sie ist beim BFH un­ter dem Az. VII R 42/14 anhängig.

Die Gründe:
Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Ab­rech­nungs­be­schei­des, in dem für sie Um­satz­steu­er­gut­ha­ben fest­ge­stellt wird, das an sie aus­zu­keh­ren wäre. Ein der­ar­ti­ger Er­stat­tungs­an­spruch steht der Kläge­rin nicht zu, es fehlt in­so­weit an ei­ner Rechts­grund­lage.

Einen An­spruch auf Er­stat­tung über­zahl­ter Um­satz­steuer ha­ben al­lein die Rech­nungs­aus­stel­ler, die ihre Rech­nun­gen be­rich­tigt ha­ben. Dem steht der eu­ro­pa­recht­li­che Grund­satz der Neu­tra­lität und Ef­fek­ti­vität der Mehr­wert­steuer nicht ent­ge­gen. Die­ser wird grundsätz­lich auch dann be­ach­tet, wenn der Leis­tungs­empfänger im Hin­blick auf die Er­stat­tung zu Un­recht ge­zahl­ter Vor­steu­er­beträge auf den Zi­vil­rechts­weg ver­wie­sen wird.

Nach der Recht­spre­chung des EuGH (Ur­teil vom 15.3.2007, C-35/05 - Reemtsma Ci­ga­ret­ten­fa­bri­ken GmbH) kann sich der Rech­nungs­empfänger zwar aus­nahms­weise un­mit­tel­bar an die Steu­er­behörde wen­den, wenn die Er­stat­tung unmöglich oder übermäßig er­schwert sei. Diese Recht­spre­chung ist al­ler­dings zu einem grenzüber­schrei­ten­den Sach­ver­halt im Vor­steu­er­vergütungs­ver­fah­ren er­gan­gen. Da­her ist sie auf einen rei­nen In­landssach­ver­halt nicht über­trag­bar. An­de­ren­falls würde der Leis­tungs­empfänger im In­sol­venz­fall ge­genüber an­de­ren Gläubi­gern des Rech­nungs­aus­stel­lers be­vor­zugt wer­den.

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