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EuGH zur Weiterveräußerung gebrauchter Lizenzen von herunterladbaren Computerprogrammen

EuGH, C-128/11: Schlussanträge des Generalanwalts

Nach An­sicht des Ge­ne­ral­an­walts beim EuGH können sich die Ent­wick­ler von Com­pu­ter­pro­gram­men der Wei­ter­veräußerung ih­rer "ge­brauch­ten" Li­zen­zen wi­der­set­zen, die das er­neute Her­un­ter­la­den die­ser Pro­gramme aus dem In­ter­net ermögli­chen. Da­bei können sie sich je­doch der Wei­ter­veräußerung der "ge­brauch­ten" Ko­pie, die ihr ei­ge­ner Kunde aus dem In­ter­net her­un­ter­ge­la­den hat, nicht wi­der­set­zen, da sich das aus­schließli­che Recht der Ver­brei­tung in Be­zug auf diese Ko­pie "er­schöpft" hat.

Hin­ter­grund:
Diese Richt­li­nie über den Rechts­schutz von Com­pu­ter­pro­gram­men, die den Schutz von Com­pu­ter­pro­gram­men ur­he­ber­recht­lich als Werke der Li­te­ra­tur gewähr­leis­tet, sieht vor, dass sich mit dem Erst­ver­kauf ei­ner Pro­gramm­ko­pie in der Union durch den Rechts­in­ha­ber oder mit sei­ner Zu­stim­mung in der Union das Recht auf die Ver­brei­tung die­ser Ko­pie "er­schöpft"; aus­ge­nom­men hier­von ist je­doch das Recht auf Kon­trolle der Wei­ter­ver­mie­tung. Nach die­sem Grund­satz kann sich der Rechts­in­ha­ber, der eine Ko­pie im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats der Union ver­mark­tet hat, nicht mehr auf sein Ver­wer­tungs­mo­no­pol be­ru­fen, um sich der Wei­ter­veräußerung die­ser Ko­pie zu wi­der­set­zen.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Firma Ora­cle ent­wi­ckelt und ver­treibt Com­pu­ter­soft­ware, ins­bes. per Down­load über das In­ter­net. Da­bei schließt sie mit ih­ren Kun­den "Li­zenz­verträge" ab, in de­nen vor­ge­se­hen ist, dass der Kunde ein un­be­fris­te­tes und nicht ab­tret­ba­res Nut­zungs­recht aus­schließlich für seine in­ter­nen Ge­schäfts­zwe­cke er­wirbt. Die be­klagte Firma Used­Soft ist ein deut­sches Un­ter­neh­men, das mit Soft­ware­li­zen­zen han­delt, die Ora­cle-Kun­den ab­ge­kauft wur­den.

Die Used­Soft-Kun­den, die noch nicht im Be­sitz der Soft­ware sind, la­den sie nach dem Er­werb ei­ner "ge­brauch­ten" Li­zenz un­mit­tel­bar von Ora­cles In­ter­net­seite her­un­ter. Die Kun­den, die be­reits über diese Soft­ware verfügen und Li­zen­zen für zusätz­li­che Nut­zer hin­zu­kau­fen, la­den die Soft­ware in den Ar­beits­spei­cher der Ar­beits­platz­rech­ner die­ser wei­te­ren Nut­zer. Ora­cle er­hob Klage, um die­sen Prak­ti­ken ein Ende set­zen zu las­sen.

Used­Soft ist der An­sicht, die Pra­xis der Wei­ter­veräußerung ge­brauch­ter Soft­ware werde durch den Grund­satz der Er­schöpfung an­er­kannt. Ora­cle macht dem­ge­genüber gel­tend, die­ser Grund­satz sei auf das Her­un­ter­la­den ei­nes Com­pu­ter­pro­gramms aus dem In­ter­net man­gels Ver­kaufs ei­nes körper­li­chen Ge­gen­stands nicht an­wend­bar.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Dar­auf­hin legte Used­Soft Re­vi­sion zum BGH ein. Die­ser rich­tete sich mit dem Er­su­chen an den EuGH, er möge in die­sem Zu­sam­men­hang die Richt­li­nie über den Rechts­schutz von Com­pu­ter­pro­gram­men aus­le­gen.

Zu den Schlus­santrägen des Ge­ne­ral­an­walts:
Der Ge­ne­ral­an­walt ist der An­sicht, das sich der Zwei­ter­wer­ber im Fall ei­ner Wei­ter­veräußerung ei­ner Li­zenz nicht auf die Er­schöpfung des Rechts zur Ver­brei­tung der ur­sprüng­lich her­un­ter­ge­la­de­nen Ko­pie be­ru­fen kann, um die Ver­vielfälti­gung des Com­pu­ter­pro­gramms durch Er­stel­len ei­ner wei­te­ren Ko­pie vor­zu­neh­men; und zwar auch dann nicht, wenn der Ers­ter­wer­ber seine Ko­pie gelöscht hat oder nicht mehr ver­wen­det.

Der Grund­satz der Er­schöpfung ist an­wend­bar, wenn der In­ha­ber des Ur­he­ber­rechts, der dem Her­un­ter­la­den der Pro­gramm­ko­pie aus dem In­ter­net auf einen Da­tenträger zu­ge­stimmt hat, auch ge­gen Ent­gelt ein un­be­fris­te­tes Nut­zungs­recht an die­ser Ko­pie ein­geräumt hat. Soft­ware wird in der Re­gel in Form von Nut­zungs­li­zen­zen ver­mark­tet. Da­her würde eine zu re­strik­tive Les­art des Be­griffs "Ver­kauf" i.S.d. ge­nann­ten Richt­li­nie die Er­schöpfungs­re­gel ge­gen­stands­los ma­chen und ihre prak­ti­sche Wirk­sam­keit be­einträch­ti­gen. Der Ge­ne­ral­an­walt schlägt aus die­sem Grunde vor, jede Über­las­sung ei­ner Ko­pie ei­nes Pro­gramms in der Union, in je­der Form und mit je­dem Mit­tel, zur un­be­fris­te­ten Ver­wen­dung ge­gen Zah­lung ei­nes Pau­scha­lent­gelts, als Ver­kauf zu de­fi­nie­ren.

Die "Li­zenz" zur Nut­zung ei­nes Pro­gramms ist in­so­fern einem Ver­kauf gleich­zu­stel­len, wenn sie dem Kun­den endgültig die Möglich­keit ver­leiht, die Pro­gramm­ko­pie ge­gen Zah­lung ei­nes Pau­scha­lent­gelts zu ver­wen­den. Da­bei ist nicht da­nach zu un­ter­schei­den, ob das Com­pu­ter­pro­gramm auf ei­ner CD-ROM, einem an­de­ren phy­si­schen Träger oder durch Her­un­ter­la­den aus dem In­ter­net ver­kauft wird. Ließe man zu, dass der Lie­fe­rant des Pro­gramms die Wei­ter­veräußerung der Ko­pie kon­trol­lie­ren und bei die­ser Ge­le­gen­heit al­lein un­ter dem Vor­wand, dass die Ko­pie aus dem In­ter­net her­un­ter­ge­la­den wor­den sei, er­neut eine Vergütung ver­lan­gen könnte, liefe dies auf eine Aus­wei­tung des Ver­wer­tungs­mo­no­pols des Ur­he­bers hin­aus.

Dar­aus ist je­doch nicht der Schluss zu zie­hen, dass die Pra­xis der Wei­ter­veräußerung der Nut­zungs­li­zen­zen an­zu­er­ken­nen ist. Viel­mehr steht die­ser Wei­ter­veräußerung wei­ter­hin ein Hin­der­nis im Weg, da die Er­schöpfungs­re­gel das Ver­brei­tungs­recht be­trifft und nicht das Ver­vielfälti­gungs­recht. Zu­dem er­laubt die Ab­tre­tung der von Ora­cle ein­geräum­ten Nut­zungs­li­zen­zen den Used­Soft-Kun­den die Ver­vielfälti­gung des Com­pu­ter­pro­gramms durch Er­zeu­gung neuer Ko­pien, ins­bes. durch Ein­log­gen auf Ora­cles In­ter­net­seite.

Während so­mit die Wei­ter­veräußerung der vom Ers­ter­wer­ber her­un­ter­ge­la­de­nen Ko­pie un­ter das Ver­brei­tungs­recht fällt und ohne Zu­stim­mung des Lie­fe­ran­ten gemäß der Er­schöpfungs­re­gel durch­geführt wer­den kann, ist die un­abhängig von der her­un­ter­ge­la­de­nen Ko­pie vor­ge­nom­mene Ab­tre­tung der Nut­zungs­li­zenz, die die Ver­vielfälti­gung des Pro­gramms durch Er­zeu­gung ei­ner neuen Ko­pie per Down­load aus dem In­ter­net ermöglicht, von der Er­schöpfungs­re­gel aus­ge­nom­men. Nach An­sicht des Ge­ne­ral­an­walts kann diese Pra­xis nicht auf die Richt­li­nie gestützt wer­den, nach der die Ver­vielfälti­gung des Com­pu­ter­pro­gramms ohne Zu­stim­mung des Ur­he­ber­rechts­in­ha­bers nur ge­stat­tet ist, um es dem­je­ni­gen, der be­reits über eine Ko­pie verfügt, zu ermögli­chen, das Pro­gramm be­stim­mungs­gemäß zu be­nut­zen.

Link­hin­weis:

Für den auf den Web­sei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Schlus­santräge des Ge­ne­ral­an­walts kli­cken Sie bitte hier.

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