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Steuerberatung

Bankenprivileg für Konzernfinanzierungsgesellschaft

BFH 6.12.2016, I R 79/15

We­gen der Bin­dungs­wir­kung für den Ver­lust­fest­stel­lungs­be­scheid (§ 35b Abs. 2 S. 2 GewStG) löst auch eine Mess­be­trags­fest­set­zung von Null (sog. Null­be­scheid) eine Be­schwer (§ 40 Abs. 2 FGO) aus. Auch Kon­zern­fi­nan­zie­rungs­ge­sell­schaf­ten können Kre­dit­in­sti­tute i.S.d. § 1 KWG sein und die Vor­aus­set­zun­gen des sog. Ban­ken­pri­vi­legs (§ 19 Abs. 1 GewStDV) erfüllen.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist, ob bei der Er­mitt­lung des Ge­wer­be­er­trags eine Hin­zu­rech­nung von Zin­sen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG) un­ter An­wen­dung des § 19 Abs. 1 der GewStDV - je­weils in der im Streit­jahr 2011 gel­ten­den Fas­sung - aus­ge­schlos­sen ist.

Die kla­gende GmbH gehört zu ei­ner Un­ter­neh­mens­gruppe und nimmt dort die Funk­tion ei­ner Fi­nan­zie­rungs­ge­sell­schaft wahr. Das in ih­rem Jah­res­ab­schluss zum 31.12.2011 aus­ge­wie­sene An­la­ge­vermögen setzt sich im We­sent­li­chen aus un­ter­neh­mens­grup­pen­in­tern gewähr­ten Dar­le­hen zu­sam­men; Ver­bind­lich­kei­ten be­ste­hen im We­sent­li­chen ge­genüber einem Kre­dit­in­sti­tut und ge­genüber F, der hin­ter der Un­ter­neh­mens­gruppe ste­hen­den Per­son. Im Streit­jahr er­zielte die Kläge­rin aus den Dar­le­hens­for­de­run­gen Zins­ein­nah­men i.H.v. rd. 134.000 €; sie hatte Zins­auf­wen­dun­gen i.H.v. rd. 167.000 € (Jah­res­fehl­be­trag: rd.20.000 €).

Das Fi­nanz­amt setzte den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag i.H.v. 0 € fest (Ge­wer­be­er­trag: rd. - 2.900 €, in­dem er zu dem von der Kläge­rin erklärten Ge­wer­be­er­trag ( rd. - 20.000 €) nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG rd. 17.000 € hin­zu­rech­nete; dies ent­spricht einem Vier­tel der Ent­gelte für Schul­den in Ge­stalt von Zins­auf­wen­dun­gen der Kläge­rin, ab­ge­run­det auf den vollen Euro-Be­trag, ab­zgl. des Frei­be­trags von 100.000 €. Der Ein­spruch, mit dem die Kläge­rin auf § 19 Abs. 1 GewStDV ver­wies, blieb er­folg­los.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat rechts­feh­ler­frei ent­schie­den, dass zur Er­mitt­lung des Ge­winns aus Ge­wer­be­be­trieb eine Hin­zu­rech­nung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG un­ter­bleibt.

Das FG hat die Klage un­ter Hin­weis auf § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG zu Recht als zulässig er­ach­tet. Die Kläge­rin konnte we­gen der durch diese Re­ge­lung aus­gelösten Wir­kung auf den Be­scheid zur Fest­stel­lung des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lus­tes zum 31.12.2011 (§ 10a S. 6 GewStG) gel­tend ma­chen, durch den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO un­ge­ach­tet des Um­stands, dass er auf 0 € lau­tet, in ih­ren Rech­ten ver­letzt zu sein. Zwar fehlt es für die An­fech­tung ei­nes auf Null lau­ten­den Steu­er­be­scheids (oder auch Mess­be­scheids) re­gelmäßig an der für die Zulässig­keit ei­ner Klage er­for­der­li­chen Be­schwer; dies gilt aber nicht, wenn sich die Steu­er­fest­set­zung nicht in der Kon­kre­ti­sie­rung des Steu­er­schuld­verhält­nis­ses er­schöpft, etwa weil der zu­grunde ge­legte Ge­winn eine ver­bind­li­che Ent­schei­dungs­grund­lage für an­dere Be­scheide bil­det. Diese Vor­aus­set­zun­gen ist vor­lie­gend erfüllt, da die der Fest­set­zung des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trags zu­grunde lie­gen­den Be­steue­rungs­grund­la­gen in­halt­lich für den (Ver­lust-)Fest­stel­lungs­be­scheid Bin­dungs­wir­kung ent­fal­ten.

Nach § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG sind bei der Fest­stel­lung des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lus­tes (ebenso wie nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG bei der Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags auf den Schluss ei­nes Ver­an­la­gungs­zeit­raums) die Be­steue­rungs­grund­la­gen so zu berück­sich­ti­gen, wie sie der Fest­set­zung des Steu­er­mess­be­trags für den Er­he­bungs­zeit­raum, auf des­sen Schluss der vor­tragsfähige Ge­wer­be­ver­lust fest­ge­stellt wird, zu­grunde ge­legt wor­den sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO so­wie § 42 FGO gel­ten ent­spre­chend. Da­mit ist der (ne­ga­tive) Ge­wer­be­er­trag für die Fest­stel­lung des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lus­tes auf den Schluss des Er­he­bungs­zeit­raums (hier: auf den 31.12.2011) im Sinne ei­ner "in­halt­li­chen Bin­dung" maßge­bend. Da auf die­ser Grund­lage eine ei­genständige Prüfung im Rah­men des Fest­stel­lungs­ver­fah­rens nicht mehr statt­fin­det, folgt dar­aus eine sach­li­che Be­schwer, die den Steu­er­pflich­ti­gen auch bei Vor­lie­gen ei­nes Null­be­scheids zur An­fech­tung be­rech­tigt.

§ 19 GewStDV ist nach sei­nem Wort­laut auch auf den Ge­schäfts­be­trieb der Kläge­rin an­zu­wen­den. Kre­dit­in­sti­tute sind gem. § 1 Abs. 1 S. 1 KWG Un­ter­neh­men, die Bank­ge­schäfte ge­werbsmäßig oder in einem Um­fang be­trei­ben, der einen in kaufmänni­scher Weise ein­ge­rich­te­ten Ge­schäfts­be­trieb er­for­dert. Im Streit­fall hat die Kläge­rin ver­zins­li­che Dar­le­hen an ver­schie­dene Ge­sell­schaf­ten in­ner­halb der Un­ter­neh­mens­gruppe aus­ge­reicht hat (Stand zum 31.12.2011: rd. 3 Mio. €). Dar­aus hat das FG zu Recht ab­ge­lei­tet, dass sie Bank­ge­schäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG ge­werbsmäßig be­trie­ben hat. Das FG hat darüber hin­aus rechts­feh­ler­frei da­hin er­kannt, dass der persönli­che An­wen­dungs­be­reich des § 19 Abs. 1 GewStDV i.V.m. § 1 Abs. 1 KWG nicht durch die Frage berührt wird, ob das be­trof­fene Un­ter­neh­men nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 KWG nicht als Kre­dit­in­sti­tut gilt. Zwar "gel­ten" nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG Un­ter­neh­men, die Bank­ge­schäfte aus­schließlich mit ih­rem Mut­ter­un­ter­neh­men oder ih­ren Toch­ter- oder Schwes­ter­un­ter­neh­men be­trei­ben, nicht als Kre­dit­in­sti­tut (sog. Kon­zern­pri­vi­leg). Das FG hat den Streit der Be­tei­lig­ten, ob die tatsäch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen die­ser Norm erfüllt sind, aber zu Recht un­ent­schie­den ge­las­sen. Denn auch wenn der Tat­be­stand erfüllt wäre, würde dies nicht hin­dern, die Kläge­rin als Kre­dit­in­sti­tut i.S.d. § 19 Abs. 1 GewStDV zu qua­li­fi­zie­ren.

Dass § 2 KWG den An­wen­dungs­be­reich des § 19 Abs. 1 GewStDV nicht "sperrt", folgt zunächst aus dem Wort­laut des § 19 Abs. 1 GewStDV. Die­ser nimmt aus­schließlich auf § 1 Abs. 1 KWG und nicht auch auf § 2 KWG Be­zug. Darüber hin­aus hat das FG zu­tref­fend auf den Zweck je­ner Re­ge­lung ver­wie­sen. Das FG hat auch zu Recht eine vom Wort­laut des § 19 Abs. 1 GewStDV ab­wei­chende (ein­schränkende) Aus­le­gung, die Kon­zern­fi­nan­zie­rungs­ge­sell­schaf­ten aus dem Tat­be­stand aus­nimmt, ab­ge­lehnt. Wenn es darum geht, dass Kre­dit­in­sti­tute wirt­schaft­lich nur Durch­lauf­stel­len des Geld- und Kre­dit­ver­kehrs sind und dass mit Blick auf einen ty­pi­scher­weise großen Fremd­mit­tel­ein­satz die Hin­zu­rech­nung von Ent­gel­ten für Schul­den ein­ge­schränkt wer­den soll, ist diese Wirt­schafts­form nach den Fest­stel­lun­gen des FG auch bei der Kläge­rin erfüllt.

Die Kläge­rin hat im Streit­jahr keine Ge­schäfte außer der Aus­rei­chung von Dar­le­hen an ver­bun­dene Un­ter­neh­men und der Auf­nahme von Dar­le­hen bei ei­ner Bank und bei F zu de­ren Fi­nan­zie­rung getätigt. Auch wenn der Ver­ord­nungs­ge­ber der wirt­schafts-, kre­dit- und währungs­po­li­ti­schen Funk­tion des Bank­ge­wer­bes an­ge­mes­sen Rech­nung tra­gen wollte, liegt der Anknüpfungs­punkt im ho­hen Fremd­mit­tel­ein­satz und ei­ner Art "Durch­lauf­si­tua­tion" bei der Kre­dit­gewährung, also bei Merk­ma­len, die auch von der Kläge­rin erfüllt wur­den. Der Um­fang der Teil­nahme am öff­ent­li­chen Geld- und Kre­dit­ge­schäft ist kein trenn­schar­fes Ab­gren­zungs­kri­te­rium; Glei­ches gilt für die Frage da­nach, ob die Zah­lungs­unfähig­keit des Un­ter­neh­mens ein ge­samt­wirt­schaft­li­ches Ri­siko dar­stel­len würde. Auch dies wird sich ins­be­son­dere bei Fi­nan­zie­rungs­ge­sell­schaf­ten von Großkon­zer­nen nicht im­mer zwei­fels­frei be­ant­wor­ten las­sen.

Link­hin­weis:

  • Die Voll­texte der Ent­schei­dun­gen sind auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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