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Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Elternteils

BFH 4.8.2016, III R 10/13

Der Kin­der­geld­an­spruch ei­nes in Deutsch­land wohn­haf­ten El­tern­teils für sein in Un­garn im Haus­halt des an­de­ren El­tern­teils le­ben­des Kind kann nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 durch den vor­ran­gi­gen Kin­der­geld­an­spruch des an­de­ren El­tern­teils verdrängt wer­den. Be­steht in Deutsch­land oder in dem an­de­ren Mit­glied­staat der EU ein ge­mein­sa­mer Haus­halt der bei­den El­tern­teile, in den das ge­mein­same Kind auf­ge­nom­men ist, rich­tet sich die vor­ran­gige An­spruchs­be­rech­ti­gung nach § 64 Abs. 2 S. 2 bis 4 EStG.c

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch der Kin­der­geld­an­spruch von Mai 2010 bis Ja­nuar 2012. Der Kläger ist deut­scher Staats­an­gehöri­ger und hat sei­nen Wohn­sitz im In­land. Aus der 2005 ge­schlos­se­nen Ehe mit ei­ner un­ga­ri­schen Staats­an­gehöri­gen (Kinds­mut­ter) ging eine im Fe­bruar 2006 ge­bo­rene Toch­ter (T) her­vor. Der Kläger war bis Ende Sep­tem­ber 2010 nicht­selbständig er­werbstätig und er­hielt da­nach bis Ende Sep­tem­ber 2011 auf­grund der Be­en­di­gung des Be­schäfti­gungs­verhält­nis­ses Ar­beits­lo­sen­geld I nach § 117 SGB III. Am 1.2.2009 ver­zog T mit der Kinds­mut­ter nach Un­garn und be­hielt kei­nen wei­te­ren Wohn­sitz in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (Deutsch­land) bei.

Der Kläger be­zog für T bis Ja­nuar 2011 inländi­sches Kin­der­geld. Nach­dem die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse von der Wohn­sitz­ver­la­ge­rung Kennt­nis er­langt und wei­tere Er­mitt­lun­gen zu den fa­miliären Verhält­nis­sen an­ge­stellt hatte, hob sie die Fest­set­zung des Kin­der­gel­des für T mit Be­scheid von Mai 2011 ab Fe­bruar 2009 auf. Im außer­ge­richt­li­chen Rechts­be­helfs­ver­fah­ren half die Fa­mi­li­en­kasse dem Ein­spruch für den Zeit­raum Fe­bruar 2009 bis April 2010 teil­weise ab und wies ihn im Übri­gen als un­begründet zurück.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat zwar zu Recht eine An­spruchs­be­rech­ti­gung des Klägers be­jaht. Es feh­len aber für den Streit­zeit­raum hin­rei­chende tatsäch­li­che Fest­stel­lun­gen dazu, ob der An­spruch nicht (teil­weise) durch vor­ran­gige An­sprüche der Kinds­mut­ter verdrängt wird.

Die Kinds­mut­ter könnte nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG vor­ran­gig an­spruchs­be­rech­tigt sein, weil gem. Art. 67 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 987/2009 (Durchführungs­ver­ord­nung) zu un­ter­stel­len ist, dass sie mit T in Deutsch­land wohnt. Die An­spruchs­be­rech­ti­gung der Kinds­mut­ter er­gibt sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar liegt der da­nach er­for­der­li­che In­lands­wohn­sitz tatsäch­lich nicht vor, da die Kinds­mut­ter im Fe­bruar 2009 mit T nach Un­garn ver­zo­gen ist und in Deutsch­land kei­nen wei­te­ren Wohn­sitz bei­be­hal­ten hat. Es fin­den je­doch die Vor­schrif­ten der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009 An­wen­dung. Da­durch wird gem. Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 ein In­lands­wohn­sitz der Kinds­mut­ter fin­giert.

Das FG wird je­doch noch fest­zu­stel­len ha­ben, ob die Kinds­mut­ter ne­ben dem Wohn­sit­zer­for­der­nis auch die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen für einen vor­ran­gi­gen Kin­der­geld­an­spruch erfüllt. Ein vor­ran­gi­ger An­spruch des Klägers könnte sich ins­be­son­dere aus § 64 Abs. 2 S. 2 bis 4 EStG er­ge­ben. Dies würde je­doch ne­ben ei­ner Be­rech­tig­ten­be­stim­mung zu­guns­ten des Klägers einen ge­mein­sa­men Haus­halt zwi­schen dem Kläger und der Kinds­mut­ter in Deutsch­land und/oder Un­garn vor­aus­set­zen, in den T auf­ge­nom­men wurde. In­so­weit hat das FG zwar aus­geführt, dass die Kinds­mut­ter in Deutsch­land kei­nen (wei­te­ren) Wohn­sitz mehr un­ter­hielt. Zu den kon­kre­ten Le­bens­verhält­nis­sen der El­tern und der Art ih­rer Haus­haltsführung feh­len bis­lang je­doch nähere Fest­stel­lun­gen, ob­wohl der Kläger und die Kinds­mut­ter be­reits im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren vor­ge­tra­gen hat­ten, dass sie nicht dau­ernd ge­trennt leb­ten.

Link­hin­weis:

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