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Unterlassungsanspruch auch nach jahrelanger Gestattung der Inanspruchnahme eines Grundstücks

BGH 16.5.2014, V ZR 181/13

Ein Ei­gentümer, der die In­an­spruch­nahme sei­nes Grundstücks durch einen Nach­barn (hier: durch un­ter­ir­di­sch ver­legte Lei­tun­gen) jahr­zehn­te­lang ge­stat­tet hat, ver­liert hier­durch nicht das Recht, die Ge­stat­tung zu wi­der­ru­fen. Er kann zu­dem an­schließend seine An­sprüche aus § 1004 BGB gel­tend ma­chen.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien sind Ei­gentümer be­nach­bar­ter Grundstücke. Die Grundstücke der Be­klag­ten sind mit Wo­chen­endhäusern be­baut; das Grundstück der Kläge­rin ist noch un­be­baut. Alle Grundstücke lie­gen an einem Wirt­schafts­weg, in dem das Strom­ka­bel des Elek­tri­zitätsun­ter­neh­mens ver­legt wor­den ist. Die von einem Zähler­kas­ten auf dem Wege ver­leg­ten An­schluss­lei­tun­gen zu den Grundstücken der Be­klag­ten durch­que­ren un­ter­ir­di­sch das Grundstück der Kläge­rin. Sie wur­den im Jahre 1979 von den da­ma­li­gen Ei­gentümern der be­bau­ten Grundstücke, dem Be­klag­ten zu 1) und den Ehe­leute E. und Er. G. , in Ei­gen­re­gie her­ge­stellt und mit Zu­stim­mung von Er. G., dem da­ma­li­gen Ei­gentümer des un­be­bau­ten Grundstücks, so ver­legt. Eine ding­li­che Ab­si­che­rung der In­an­spruch­nahme die­ses Grundstücks durch die Lei­tun­gen er­folgte nicht.

Ende 2010 kaufte die Be­klagte zu 2) das be­baute Grundstück der Ehe­leute G. Diese ga­ben in dem Kauf­ver­trag an, dass das Wo­chen­end­haus über An­schlüsse für Strom und Te­le­fon verfüge. Die Kläge­rin kaufte mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag vom 31.5.2011 von Er. G. das un­be­baute Grundstück. In der Be­stim­mung zur Gewähr­leis­tung (§ 4 des no­ta­ri­el­len Ver­trags) wurde die Haf­tung des Verkäufers für Sachmängel aus­ge­schlos­sen. § 4 Abs. 9 enthält fol­gende Erklärung des Verkäufers:

"Nach An­ga­ben des Verkäufers be­fin­den sich im an den Ver­trags­ge­gen­stand an­gren­zen­den Weg Strom- und Te­le­fon­ka­bel. Im Ver­trags­ge­gen­stand ist der­zeit le­dig­lich ein Leer­rohr-An­schluss für Strom vor­han­den."

Die Kläge­rin, die auf dem er­wor­be­nen Grundstück ein Wo­chen­end­haus er­rich­ten möchte, ver­langt von den Be­klag­ten, die Strom­lei­tun­gen von ih­rem Grundstück zu ent­fer­nen, so­wie außer­ge­richt­li­che An­walts­kos­ten zzgl. Zin­sen. Hilfs­weise be­an­tragte sie mit ih­rer Klage, fest­zu­stel­len, dass die Kläge­rin be­rech­tigt ist, dass Erd­ka­bel zu kap­pen und selbst zu be­sei­ti­gen

Das AG wies die Klage ab. Das LG gab der Klage - un­ter Zurück­wei­sung der wei­ter­ge­hen­den Be­ru­fung - im Hin­blick auf den Hilfs­an­trag statt. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Ge­gen­stand der re­vi­si­ons­recht­li­chen Prüfung ist al­lein die Ent­schei­dung über den hilfs­weise gel­tend ge­mach­ten An­trag auf Fest­stel­lung des Rechts der Kläge­rin, die in ih­rem Grundstück be­find­li­chen, der Strom­ver­sor­gung der Grundstücke der Be­klag­ten die­nen­den Ka­bel selbst zu be­sei­ti­gen. Dazu ist die Kläge­rin be­rech­tigt.

Das OLG geht in Übe­rein­stim­mung mit der Recht­spre­chung des Se­nats da­von aus, dass der Ei­gentümer nicht des­halb, weil er sei­nen An­spruch auf Be­sei­ti­gung ei­ner Be­einträch­ti­gung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ge­genüber dem Störer we­gen des Ein­tritts der Verjährung nicht mehr durch­zu­set­zen ver­mag, die Störung auch in Zu­kunft hin­neh­men muss. Die Verjährung des Be­sei­ti­gungs­an­spruchs begründet kein Recht des Störers auf Dul­dung nach § 1004 Abs. 2 BGB. Der Ei­gentümer ist viel­mehr auf Grund sei­ner Be­fug­nisse aus § 903 S. 1 BGB be­rech­tigt, die Be­einträch­ti­gung sei­nes Ei­gen­tums durch Ent­fer­nung des stören­den Ge­gen­stands von sei­nem Grundstück selbst zu be­sei­ti­gen.

An­ders ist es al­ler­dings, wenn der Ei­gentümer nach § 1004 Abs. 2 BGB ver­pflich­tet ist, die Be­einträch­ti­gung zu dul­den. Die Störung stellt sich dann nicht als eine Ver­let­zung der Ei­gentümer­rechte dar. Eine Dul­dungs­pflicht i.S.d. § 1004 Abs. 2 BGB schließt da­her nicht nur den Ab­wehran­spruch ge­gen den Störer, son­dern auch das Recht des Ei­gentümers aus, die Störung selbst auf ei­gene Kos­ten zu be­sei­ti­gen. Die Kläge­rin ist je­doch nicht zur Dul­dung der in ih­rem Grundstück be­find­li­chen Haus­an­schluss­lei­tun­gen der Be­klag­ten ver­pflich­tet. Dass Er. G. die Ver­le­gung der Lei­tun­gen ge­stat­tet hat, begründet keine Dul­dungs­pflicht der Kläge­rin, da Ge­stat­tun­gen des Vor­ei­gentümers den Ein­zel­rechts­nach­fol­ger grundsätz­lich nicht bin­den. In dem zwi­schen der Kläge­rin und Er. G. ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag ist eine Über­nahme von Dul­dungs­pflich­ten in Be­zug auf die Lei­tun­gen nicht ver­ein­bart wor­den.

Das Recht der Kläge­rin, die Störung ih­res Ei­gen­tums durch die Lei­tun­gen selbst zu be­sei­ti­gen, ist auch nicht da­durch ver­wirkt, dass Er. G. ge­gen die von ihm ge­stat­tete Nut­zung sei­nes Grundstücks nichts un­ter­nahm. Ein Recht ist ver­wirkt, wenn sich der Schuld­ner we­gen der Untätig­keit sei­nes Gläubi­gers über einen ge­wis­sen Zeit­raum hin bei ob­jek­ti­ver Be­ur­tei­lung dar­auf ein­rich­ten darf und ein­ge­rich­tet hat, die­ser werde sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen, und des­we­gen die verspätete Gel­tend­ma­chung ge­gen Treu und Glau­ben verstößt. Der Ei­gentümer ver­wirkt seine An­sprüche aus dem Ei­gen­tum aber nicht, wenn er Störun­gen ge­genüber so lange untätig bleibt, wie sie sich ihm ge­genüber als rechtmäßig dar­stel­len. So ist es hier, weil die Strom­lei­tun­gen zum An­schluss der Grundstücke der Nach­barn mit Zu­stim­mung des Veräußer­ers Er. G. durch das Grundstück der Kläge­rin ver­legt wur­den.

Ent­schei­dend ist in­so­weit, dass die jahr­zehn­te­lange Nut­zung des Grundstücks durch die Be­klag­ten mit Er­laub­nis des Ei­gentümers er­folgte. Hier­durch ver­lor die­ser nicht das Recht, die Ge­stat­tung zu wi­der­ru­fen und an­schließend seine An­sprüche aus § 1004 BGB gel­tend zu ma­chen. An­dern­falls müsste ein Grundstücks­ei­gentümer, schon um einen Rechts­ver­lust durch Ver­wir­kung zu ver­mei­den, nach ei­ner ge­wis­sen Zeit­spanne ge­gen den Nach­barn vor­ge­hen, auch wenn i.Ü. kein An­lass zum Wi­der­ruf der Ge­stat­tung oder zur Kündi­gung ei­nes Leih- oder Dul­dungs­ver­tra­ges be­steht. Zu­gleich darf sich der­je­nige, der ein Nach­bar­grundstück nutzt, nicht dar­auf ein­rich­ten, dass der Ei­gentümer, der diese Nut­zung über einen lan­gen Zeit­raum ge­stat­tet hat, auch künf­tig auf die Gel­tend­ma­chung sei­ner Ei­gen­tums­rechte ver­zich­tet. Viel­mehr muss er da­mit rech­nen, dass seine (bloß schuld­recht­li­che) Nut­zungs­be­fug­nis en­den kann und der Ei­gentümer dann die Un­ter­las­sung bzw. Be­sei­ti­gung der Be­einträch­ti­gung ver­lan­gen wird.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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