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Schätzung der Höhe der Sachverständigenkosten für die Begutachtung eines Unfallfahrzeugs

BGH 22.7.2014, VI ZR 357/13

Die Kos­ten für die Be­gut­ach­tung des bei einem Ver­kehrs­un­fall be­schädig­ten Fahr­zeugs gehören zu den mit dem Scha­den un­mit­tel­bar ver­bun­de­nen Vermögens­nach­tei­len, so­weit die Be­gut­ach­tung zur Gel­tend­ma­chung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs er­for­der­lich und zweckmäßig ist. Der Schätzung der Höhe der er­for­der­li­chen Sach­verständi­gen­kos­ten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungs­punkte zu­grunde lie­gen; sie darf nicht völlig ab­strakt er­fol­gen, son­dern muss dem je­wei­li­gen Ein­zel­fall Rech­nung tra­gen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger, ein Kfz-Sach­verständi­ger, nimmt die Be­klagte aus ab­ge­tre­te­nem Recht der R auf Scha­dens­er­satz aus einem Ver­kehrs­un­fall vom 20.12.2012 in An­spruch, bei dem der Pkw der R durch ein von der Be­klag­ten geführ­tes Fahr­zeug be­schädigt wurde. Die volle Ein­stands­pflicht der Be­klag­ten steht zwi­schen den Par­teien außer Streit.

R be­auf­tragte den Kläger mit der Be­gut­ach­tung ih­res be­schädig­ten Fahr­zeugs. Der Kläger er­mit­telte vor­aus­sicht­li­che Re­pa­ra­tur­kos­ten i.H.v. rd. 3.300 € inkl. 19 Pro­zent Mehr­wert­steuer, eine mer­kan­tile Wert­min­de­rung von 250 € so­wie einen Wie­der­be­schaf­fungs­wert von 8.000 € in­klu­sive 2,5 Pro­zent Mehr­wert­steuer. Für seine Tätig­keit stellte er R ins­ge­samt rd. 790 € inkl. 19 Pro­zent Mehr­wert­steuer in Rech­nung. Da­von ent­fie­len rd. 430 € netto auf das Grund­ho­no­rar und ins­ge­samt rd. 230 € netto auf ein­zeln aus­ge­wie­sene Po­si­tio­nen wie die EDV-Ab­ruf­gebühr, Porto, Te­le­fon, Fahr­zeug­be­wer­tung, Fo­tos, Fahrt­kos­ten, Schreib­gebühren und Fo­to­ko­pien. Der Haft­pflicht­ver­si­che­rer der Be­klag­ten zahlte hier­auf vor­pro­zes­sual rd. 250 €.

Mit der Klage be­gehrt der Kläger, so­weit in der Re­vi­si­ons­in­stanz noch von In­ter­esse, die Zah­lung wei­te­rer rd. 535 € so­wie die Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, auf die vom Kläger ver­aus­lag­ten Ge­richts­kos­ten Zin­sen i.H.v. 5 Pro­zent­punk­ten jähr­lich über dem Ba­sis­zins­satz für die Zeit vom Ein­gang der ein­ge­zahl­ten Ge­richts­kos­ten bis zum Ein­gang des Kos­ten­fest­set­zungs­an­trags nach Maßgabe der aus­zu­ur­tei­len­den Kos­ten­quote zu be­zah­len.

Das AG gab der Klage über­wie­gend statt und ver­ur­teilte die Be­klagte zur Zah­lung ei­nes Be­trags i.H.v. rd. 500 €. Das LG ver­ur­teilte die Be­klagte, an den Kläger das Grund­ho­no­rar und Ne­ben­kos­ten i.H.v. 100 € nebst Mehr­wert­steuer ab­zgl. er­brach­ter rd. 250 €, d.h. ins­ge­samt rd. 380 €, zu zah­len. Mit der Re­vi­sion ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klagte wen­det sich mit der An­schluss­re­vi­sion ge­gen ihre Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung von Fahrt­kos­ten und Kos­ten für Fo­to­ko­pien so­wie die An­fer­ti­gung von Licht­bil­dern i.H.v. ins­ge­samt rd. 60 €.

Der BGH hob das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.
Die Rechts­be­schwerde der Be­klag­ten zu 2) hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Zu­tref­fend hat das LG an­ge­nom­men, dass R dem Grunde nach ein An­spruch ge­gen die Be­klagte auf Er­satz der Kos­ten des ein­ge­hol­ten Sach­verständi­gen­gut­ach­tens aus § 18 Abs. 1 S. 1 StVG zu­stand. Denn diese Kos­ten gehören zu den mit dem Scha­den un­mit­tel­bar ver­bun­de­nen und gem. § 249 Abs. 1 BGB aus­zu­glei­chen­den Vermögens­nach­tei­len, so­weit die Be­gut­ach­tung - wie im Streit­fall - zur Gel­tend­ma­chung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs er­for­der­lich und zweckmäßig ist. Die Re­vi­sion wen­det sich aber mit Er­folg ge­gen die vom LG an­ge­nom­mene Höhe der für die Be­gut­ach­tung des be­schädig­ten Fahr­zeugs er­for­der­li­chen Kos­ten. Das LG hat sei­ner Schätzung in­so­weit un­rich­tige Maßstäbe zu­grunde ge­legt.

Der vom Ge­schädig­ten auf­ge­wen­dete Be­trag ist nicht not­wen­dig mit dem zu er­set­zen­den Scha­den iden­ti­sch. Lie­gen die mit dem Sach­verständi­gen ver­ein­bar­ten oder von die­sem be­rech­ne­ten Preise für den Ge­schädig­ten er­kenn­bar er­heb­lich über den übli­chen Prei­sen, so sind sie nicht ge­eig­net, den er­for­der­li­chen Auf­wand ab­zu­bil­den. Bei der Be­mes­sung der Scha­denshöhe hat der Ta­trich­ter dann al­ler­dings zu be­ach­ten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungs­punkte zu­grunde lie­gen müssen. Wie sich be­reits aus dem Wort­laut des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO er­gibt, darf sie nicht völlig ab­strakt er­fol­gen, son­dern muss dem je­wei­li­gen Ein­zel­fall Rech­nung tra­gen.

Mit die­sen Grundsätzen ist die Be­ur­tei­lung des LG nicht zu ver­ein­ba­ren, die zusätz­lich zu einem Grund­ho­no­rar be­rech­ne­ten Ne­ben­kos­ten seien in Rou­ti­nefällen grundsätz­lich i.H.v. 100 € er­for­der­lich, während sie, so­weit sie die­sen Be­trag über­stie­gen, er­kenn­bar überhöht und des­halb nicht er­satzfähig seien. Dies ent­behrt ei­ner hin­rei­chend tragfähi­gen Grund­lage. Die Be­ur­tei­lung des LG ist darüber hin­aus mit der re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­den Aus­le­gung des zwi­schen dem Kläger und R ge­schlos­se­nen Werk­ver­trags durch das LG nicht in Ein­klang zu brin­gen, wo­nach der Kläger, der für seine In­ge­nieurtätig­keit eine Pau­schale ab­ge­rech­net und zusätz­lich be­stimmte Ne­ben­kos­ten be­an­sprucht habe, da­mit zum Aus­druck ge­bracht habe, dass seine In­ge­nieurtätig­keit mit dem Grund­ho­no­rar ab­ge­gol­ten sein solle und er da­ne­ben le­dig­lich Er­satz tatsäch­lich an­ge­fal­le­ner Auf­wen­dun­gen ver­lange.

Link­hin­weis:

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