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Schadensersatz bei vorgetäuschtem Eigenbedarf trotz vorherigen Räumungsvergleichs möglich

BGH 10.6.2015, VIII ZR 99/14

An das Vor­lie­gen des Wil­lens des Mie­ters, auf et­waige An­sprüche ge­gen den Ver­mie­ter we­gen ei­nes nur vor­getäusch­ten (Ei­gen-)Be­darfs zu ver­zich­ten, sind strenge An­for­de­run­gen zu stel­len; der Ver­zichts­wille muss - auch un­ter Berück­sich­ti­gung sämt­li­cher Be­gleit­umstände - un­miss­verständ­lich sein. Der­ar­tige Umstände können bei einem Räum­ungs­ver­gleich etwa darin lie­gen, dass sich der Ver­mie­ter zu ei­ner sub­stan­ti­el­len Ge­gen­leis­tung - wie etwa ei­ner nam­haf­ten Ab­stands­zah­lung - ver­pflich­tet.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte im April 2008 vom Rechts­vorgänger des Be­klag­ten eine Vier-Zim­mer-Woh­nung für mo­nat­lich rund 523 € brutto ge­mie­tet. Der Be­klagte kündigte das Miet­verhält­nis mit der - vom Kläger be­strit­te­nen - Begründung, die Woh­nung werde für den neuen Haus­meis­ter benötigt.

Nach­dem die Räum­ungs­klage in ers­ter In­stanz er­folg­los ge­blie­ben war, schlos­sen die Par­teien im Vor­pro­zess im Juni 2011 einen Räum­ungs­ver­gleich, in dem sich der Kläger (als da­ma­li­ger Be­klag­ter) ver­pflich­tete, die Woh­nung zu räumen und die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen. Fer­ner ver­zich­tete der Kläger (ab­ge­se­hen von der gewähr­ten Räum­ungs­frist) auf sämt­li­che Räum­ungs­schutz­vor­schrif­ten.

Nach dem Aus­zug des Klägers zog nicht der an­gekündigte neue Haus­meis­ter, son­dern eine Fa­mi­lie in die Woh­nung ein. Im vor­lie­gen­den Pro­zess be­gehrte der Kläger des­halb Er­satz der Um­zugs­kos­ten, der Mehr­kos­ten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Woh­nung und da­durch ent­ste­hen, dass er den Weg zur Ar­beit nicht mehr wie bis­her zu Fuß zurück­le­gen könne, so­wie Er­satz der ihm ent­stan­de­nen Pro­zess­kos­ten des Räum­ungs­rechts­streits. Ins­ge­samt be­lief sich die For­de­rung auf rund 25.833 €.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte den Räum­ungs­ver­gleich rechts­feh­ler­haft da­hin aus­ge­legt, dass der Kläger da­mit auch auf even­tu­elle Scha­dens­er­satz­an­sprüche we­gen vor­getäusch­ten Be­darfs gem. § 280 Abs. 1 BGB ver­zich­ten sollte.

Streit­ge­gen­stand des Vor­pro­zes­ses war das Räum­ungs­be­geh­ren des Be­klag­ten im An­schluss an eine Kündi­gung, die dar­auf gestützt war, dass die Woh­nung als Haus­meis­ter­woh­nung für einen An­ge­stell­ten des Ver­mie­ters benötigt werde. Ob ein Räum­ungs­ver­gleich den Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang zwi­schen der Vortäuschung ei­ner (Ei­gen-)Be­darfs­si­tua­tion und dem später vom Mie­ter gel­tend ge­mach­ten Scha­den un­ter­bricht, ist im Wege der Aus­le­gung des Ver­gleichs und un­ter Würdi­gung der Umstände des Ein­zel­falls da­nach zu be­ur­tei­len, ob die Par­teien durch ge­gen­sei­ti­ges Nach­ge­ben auch den Streit darüber bei­le­gen woll­ten, ob die (Ei­gen-)Be­darfs­lage des Ver­mie­ters be­stand oder nur vor­getäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Ver­gleich auch et­waige An­sprüche des Mie­ters we­gen ei­nes nur vor­getäusch­ten Be­darfs ab­ge­gol­ten wer­den soll­ten, fehlt es an dem er­for­der­li­chen Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte dem Ver­gleich einen still­schwei­gen-den Ver­zicht auf Scha­dens­er­satz­an­sprüche we­gen vor­getäusch­ten Be­darfs ent­nom­men. Da­bei hatte es rechts­feh­ler­haft nicht berück­sich­tigt, dass an das Vor­lie­gen des Wil­lens ei­ner Par­tei, auf An­sprüche zu ver­zich­ten, strenge An­for­de­run­gen zu stel­len sind und der Ver­zichts­wille - auch un­ter Berück­sich­ti­gung sämt­li­cher Be­gleit­umstände - un­miss­verständ­lich sein muss. Der­ar­tige Umstände können bei einem Räum­ungs­ver­gleich etwa darin lie­gen, dass sich der Ver­mie­ter zu ei­ner sub­stan­ti­el­len Ge­gen­leis­tung - wie etwa ei­ner nam­haf­ten Ab­stands­zah­lung - ver­pflich­tet.

Der­ar­tige Umstände hatte das Be­ru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt. Viel­mehr ent­hielt der Räum­ungs­ver­gleich ein al­len­falls for­ma­les Nach­ge­ben des Be­klag­ten (da­ma­li­gen Klägers). Dass die Zu­bil­li­gung ei­ner rund sechs­mo­na­ti­gen Räum­ungs­frist in dem Ver­gleich ein ins Ge­wicht fal­len­des Ent­ge­gen­kom­men des da­ma­li­gen Klägers dar­stellte, konnte schon des­halb nicht an­ge­nom­men wer­den, weil die­ser an­de­ren­falls auf eine strei­tige Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts an­ge­wie­sen ge­we­sen wäre, die nicht not­wen­dig so­gleich am Ver­hand­lungs­tag als Stuhl­ur­teil hätte er­ge­hen müssen, und weil mit ei­ner Ent­schei­dung ohne Zu­bil­li­gung ei­ner ge­wis­sen Räum­ungs­frist nach den Umständen nicht zu rech­nen war. Auch die Erwägung, beide Par­teien hätten sich im Laufe des Pro­zes­ses wech­sel­sei­tig di­verse Ver­trags­ver­let­zun­gen vor­ge­wor­fen, ließ kei­nen Rück­schluss dar­auf zu, dass mit dem Ver­gleich auch An­sprüche we­gen vor­getäusch­ten Be­darfs ab­ge­gol­ten wer­den soll­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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