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Möglichkeit der Existenzgefährdung durch Vollstreckungsmaßnahmen keine "unbillige Härte"

FG Düsseldorf 28.9.2015, 9 V 2588/15 A(KV)

Dass mit der Ab­gabe der Vermögens­aus­kunft eine Gefähr­dung der wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Exis­tenz des Voll­stre­ckungs­schuld­ners ein­her­ge­hen kann, wurde vom Ge­setz­ge­ber bei Ab­fas­sung des § 284 Abs. 3 AO be­wusst in Kauf ge­nom­men. Da die Möglich­keit der Exis­tenz­gefähr­dung im Rah­men des § 284 AO ge­rade keine außer­gewöhn­li­che, son­dern eine ty­pi­sche Folge ist, ist die­ser Ge­sichts­punkt un­ge­eig­net, eine "un­bil­lige Härte" zu begründen.

Der Sach­ver­halt:
Bei dem An­trag­stel­ler han­delte es sich um einen selbständi­gen Rechts­an­walt. Im Mai 2013 war er vom Fi­nanz­amt A. we­gen Steu­errückständen i.H.v. 439.860 € un­ter Ver­weis auf § 284 AO auf­ge­for­dert, Aus­kunft über sein Vermögen zu er­tei­len. Der An­trag­stel­ler er­schien zwar an Amts­stelle und legte dort einen aus­gefüll­ten Vor­druck "Vermögens­ver­zeich­nis" vor. Er wei­gerte sich aber, seine An­ga­ben an Ei­des statt zu ver­si­chern. Er war der An­sicht, dass die Vermögens­aus­kunft ihm die Möglich­keit neh­men würde, be­ruf­lich wei­ter tätig zu sein und ihm da­mit die Möglich­keit neh­men würde, Einkünfte zu er­zie­len und so­mit Steu­ern zu be­zah­len. Das Fi­nanz­amt A. nahm dies zum An­lass, die Ein­tra­gung des An­trag­stel­lers in das Schuld­ner­ver­zeich­nis we­gen Nicht­ab­gabe der Vermögens­aus­kunft an­zu­ord­nen. Hier­ge­gen klagte der An­trag­stel­ler ebenso wie ge­gen die Auf­for­de­rung zur Ab­gabe der Vermögens­aus­kunft. Die Ent­schei­dun­gen ste­hen noch aus.

Im Juli 2015 lud das Fi­nanz­amt B. den An­trag­stel­ler eben­falls zur Ab­gabe ei­ner Vermögens­aus­kunft nach § 284 AO, und zwar we­gen Rückständen i.H.v. 577.245 €. Das Schrei­ben ent­hielt den Hin­weis, dass der Kläger zu Pro­to­koll an Ei­des statt zu ver­si­chern habe, dass er die von ihm ver­lang­ten An­ga­ben nach bes­tem Wis­sen und Ge­wis­sen rich­tig und vollständig ge­macht habe. Ausführun­gen zu Er­mes­sen­serwägun­gen fehl­ten. Der An­trag­stel­ler legte hier­ge­gen Ein­spruch ein und stellte einen An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung. Er war der Auf­fas­sung, dass schon des­halb Aus­set­zung der Voll­zie­hung zu gewähren sei, weil die in die­sem Be­scheid ge­nann­ten Steu­er­for­de­run­gen mit den Steu­er­for­de­run­gen des Fi­nanz­am­tes A. na­hezu iden­ti­sch seien und der Aus­gang des Kla­ge­ver­fah­rens ab­zu­war­ten sei.

Das Fi­nanz­amt B. lehnte den An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung ab. Das FG bestätigte die Ent­schei­dung. Der Be­schluss ist un­an­fecht­bar.

Die Gründe:
Es gab keine ernst­haf­ten Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit des an­ge­foch­te­nen Ver­wal­tungs­akts.

Die all­ge­mei­nen Voll­stre­ckungs­vor­aus­set­zun­gen la­gen vor. Ins­be­son­dere war es für die Rechtmäßig­keit des an­ge­foch­te­nen Be­scheids aus Juli 2015 un­er­heb­lich, dass über die Rechtmäßig­keit der von dem Fi­nanz­amt A. er­las­se­nen An­ord­nung noch nicht ab­schließend ent­schie­den wurde und dass in­so­weit - je­den­falls zum Teil - die iden­ti­schen Rückstände be­trof­fen sein mögen. Wurde ein Voll­stre­ckungs­schuld­ner schon zu einem früheren Zeit­punkt zur Ab­gabe ei­ner Vermögens­aus­kunft auf­ge­for­dert, ist dies - wie § 284 Abs. 4 AO zeigt - un­er­heb­lich, so­lange seit der letz­ten Vermögens­aus­kunft zwei Jahre ver­gan­gen sind oder an­zu­neh­men ist, dass sich die Vermögens­verhält­nisse we­sent­lich geändert ha­ben.

Im vor­lie­gen­den Fall wa­ren die An­for­de­run­gen des § 284 Abs. 4 AO ge­wahrt, und zwar schon des­halb, weil der An­trag­stel­ler sich in dem Ter­min 2013 ge­wei­gert hatte, die Rich­tig­keit und Vollständig­keit sei­ner An­ga­ben an Ei­des statt zu ver­si­chern, und des­halb keine wirk­same Vermögens­aus­kunft i.S.d. § 284 AO i.V.m. § 802 c Abs. 3 ZPO vor­lag. Folg­lich be­gann auch keine Zwei­jah­res­frist zu lau­fen, die ein­ge­hal­ten wer­den müsste. Un­ge­ach­tet des­sen la­gen zwi­schen dem Ter­min 2013 und dem Ter­min 2015 mehr als zwei Jahre.

Die Ent­schei­dung des Fi­nanz­am­tes B., vom An­trag­stel­ler eine Vermögens­aus­kunft zu ver­lan­gen, hielt der Überprüfung des Ge­richts nach § 102 S. 1 FGO stand. Zwar hatte der An­trags­geg­ner mit dem ur­sprüng­li­chen Be­scheid aus Juli 2015 sein Er­mes­sen noch nicht ord­nungs­gemäß ausgeübt (sog. Er­mes­sens­nicht­ge­brauch). Bei der Prüfung, ob ein Ver­wal­tungs­akt un­ter Er­mes­sens­feh­lern lei­det, ist al­ler­dings auf den Zeit­punkt der letz­ten Ver­wal­tungs­ent­schei­dung (d.h. re­gelmäßig auf den Zeit­punkt der Ein­spruchs­ent­schei­dung) ab­zu­stel­len. Die Fi­nanz­behörde kann im Ein­spruchs­ver­fah­ren et­waige Er­mes­sens­feh­ler ohne Ein­schränkung hei­len oder das Er­mes­sen so­gar vollständig neu ausüben. Das Fi­nanz­amt B. hat später  ausführ­lich dar­ge­legt, wieso es da­von aus­ge­gan­gen war, dass die An­ord­nung der Ab­gabe ei­ner Vermögens­aus­kunft er­mes­sens­ge­recht ist.

Letzt­lich lag auch keine eine un­bil­lige Härte vor. Dass mit der Ab­gabe der Vermögens­aus­kunft eine Gefähr­dung der wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Exis­tenz des Voll­stre­ckungs­schuld­ners ein­her­ge­hen kann, wurde vom Ge­setz­ge­ber bei Ab­fas­sung des § 284 Abs. 3 AO be­wusst in Kauf ge­nom­men. Da die Möglich­keit der Exis­tenz­gefähr­dung im Rah­men des § 284 AO ge­rade keine außer­gewöhn­li­che, son­dern eine ty­pi­sche Folge ist, ist die­ser Ge­sichts­punkt un­ge­eig­net, eine "un­bil­lige Härte" zu begründen, zu­mal die ge­setz­ge­be­ri­sche Vor­gabe, dass ein Rechts­be­helf ge­gen die An­ord­nung der Ab­gabe der Vermögens­aus­kunft keine auf­schie­bende Wir­kung hat, an­sons­ten un­ter­lau­fen würde.

Link­hin­weis:

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