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Kündigung eines Mietverhältnisses gegenüber mehreren Mietern

BGH 10.12.2014, VIII ZR 25/14

Eine emp­fangs­bedürf­tige Wil­lens­erklärung - wie hier die Kündi­gungs­erklärung - ist gem. §§ 133, 157 BGB so aus­zu­le­gen, wie sie der Erklärungs­empfänger nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sitte ver­ste­hen mus­ste. Der Erklärungs­empfänger ist ver­pflich­tet, un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler ihm er­kenn­ba­ren Umstände zu prüfen, was der Erklärende ge­meint hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte und ihre Schwes­ter Ca­ro­lin S. sind Er­bin­nen ih­rer im Ja­nuar 2012 ver­stor­be­nen Mut­ter, die seit März 1995 Mie­te­rin ei­ner Woh­nung der Kläge­rin in Ber­lin war. Die Be­klagte und ihre Schwes­ter zeig­ten der Kläge­rin im Fe­bruar 2012 den Tod ih­rer Mut­ter an. Das Schrei­ben war mit den Ab­sen­der­an­schrif­ten der Be­klag­ten un­ter der streit­ge­genständ­li­chen Woh­nung und ih­rer Schwes­ter in D. ver­se­hen. Sie tru­gen darin vor, dass sie mit der Mut­ter in einem ge­mein­sa­men Haus­halt ge­lebt hätten und nun nach § 563 Abs. 2 BGB per Ge­setz an die Stelle der Mut­ter in das Miet­verhält­nis ge­tre­ten seien.

Dar­auf­hin erklärte die Kläge­rin die Kündi­gung. Sie ver­wies in dem Kündi­gungs­schrei­ben auf ihr Son­derkündi­gungs­recht gem. BGB § 563 (Ein­tritts­recht bei Tod des Mie­ters). Als Empfänger war un­ter der An­schrift der streit­ge­genständ­li­chen Woh­nung an­ge­ge­ben: "Frau S. , So­phie", wo­bei der Vor­name hand­schrift­lich ein­gefügt war. Auf dem Schrei­ben be­fand sich ein hand­schrift­li­cher Ver­merk, der von der Be­klag­ten un­ter­schrie­ben wurde: "Am 29.2.12 er­hal­ten: Diese Kündi­gung wird um­ge­hend an die Schwes­ter, Frau Ca­ro­lin S. wei­ter­ge­lei­tet".

Mit Schrei­ben vom 6.9.2012 erklärte die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten und ih­rer Schwes­ter er­neut die Kündi­gung und be­rief sich hier­bei so­wohl auf § 563 BGB als auch auf § 564 BGB. Es folg­ten wei­tere Kündi­gungs­schrei­ben.

AG und LG wie­sen die Räum­ungs­klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH die Ent­schei­dun­gen der Vor­in­stan­zen auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Gründe:
Die (for­melle) Wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 29.2.2012 schei­terte nicht be­reits - wie vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men - daran, dass sich die Kündi­gung nur an die Be­klagte und nicht an de­ren Schwes­ter Ca­ro­lin S. rich­tete. Ob die Kläge­rin ihr Son­derkündi­gungs­recht mit Schrei­ben vom 29.2.2012 im Übri­gen wirk­sam ausgeübt hatte, konnte auf der Grund­lage der vom Be­ru­fungs­ge­richt bis­her ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht ab­schließend be­ant­wor­tet wer­den.

Zwar war dem LG darin bei­zu­pflich­ten, dass die Kündi­gung gem. § 564 BGB ge­genüber sämt­li­chen Er­ben als Rechts­nach­fol­gern des ver­stor­be­nen Mie­ters er­fol­gen mus­ste. Rechts­feh­ler­haft war je­doch die Würdi­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, die­ses sei im vor­lie­gen­den Fall nicht er­folgt, da die Kündi­gung sich nur an die Be­klagte rich­tete und die im hand­schrift­li­chen Zu­satz zu­ge­sagte Wei­ter­gabe des Schrei­bens vom 29.2.2012 an de­ren Schwes­ter nicht eine an diese ge­rich­tete Kündi­gung er­setzte. Die Aus­le­gung des LG schöpfte den Wort­laut des Schrei­bens vom 29.2.2012 ein­schließlich der dar­auf ver­merk­ten hand­schrift­li­chen Zusätze nicht aus und verkürzte auf diese Weise un­zulässig de­ren rechts­ge­schäft­li­chen Be­deu­tungs­ge­halt.

Ins­be­son­dere ließ das LG un­berück­sich­tigt, dass die Kläge­rin ihre auf § 564 BGB gestützte Kündi­gung er­sicht­lich an beide Töchter als nach dem Tod der Mie­te­rin in Be­tracht kom­mende Er­ben rich­ten wollte und dies auch - wie al­lein schon der auf das Kündi­gungs­schrei­ben ge­setzte Wei­ter­lei­tungs­ver­merk zeigte - für alle Be­tei­lig­ten er­sicht­lich war. Eine emp­fangs­bedürf­tige Wil­lens­erklärung - wie hier die Kündi­gungs­erklärung - ist gem. §§ 133, 157 BGB so aus­zu­le­gen, wie sie der Erklärungs­empfänger nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sitte ver­ste­hen mus­ste. Der Erklärungs­empfänger ist ver­pflich­tet, un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler ihm er­kenn­ba­ren Umstände zu prüfen, was der Erklärende ge­meint hat. Ent­schei­dend ist da­bei der durch nor­ma­tive Aus­le­gung zu er­mit­telnde ob­jek­tive Erklärungs­wert des Ver­hal­tens des Erklären­den.

Das LG, das dem Ver­merk den Sinn bei­ge­mes­sen hatte, die Schwes­ter habe von der Kündi­gung ge­genüber der Be­klag­ten er­fah­ren sol­len, wurde dem Erklärungs­ge­halt des Zu­satz­ver­merks nicht ge­recht. Eine der­art be­schränkende Erklärungs­be­deu­tung hätte für die Kläge­rin in recht­li­cher Hin­sicht kei­nen Sinn er­ge­ben. Ihr ging es er­sicht­lich nicht um eine Kennt­nis der Schwes­ter von der ge­genüber der Be­klag­ten er­folg­ten Kündi­gung, son­dern um die Be­en­di­gung des Miet­verhält­nis­ses ins­ge­samt. Dies war nur durch die Kündi­gung des Miet­verhält­nis­ses ge­genüber bei­den Töchtern der ver­stor­be­nen Mie­te­rin als de­ren Er­bin­nen zu er­rei­chen. Die­ser ob­jek­tive Erklärungs­ge­halt des Wei­ter­lei­tungs­zu­sat­zes konnte einem red­li­chen Erklärungs­empfänger nicht ver­bor­gen blei­ben.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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