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Kindergeld: Berechnung des maßgeblichen Alters

FG Köln 21.9.2016, 4 K 392/14

Die Re­ge­lung des § 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187, 188 BGB bzw. § 66 Abs. 2, § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG be­geg­net kei­nen durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, so­weit da­nach ein An­spruch auf Kin­der­geld an min­des­tens einem Tag des Le­bens­mo­nats er­for­der­lich ist, um einen An­spruch auf Kin­der­geld zu begründen. Dass hier­durch Kin­der­geld­be­rech­tigte, bei de­nen das Kind am 1. ei­nes Mo­nats ge­bo­ren ist, ge­genüber Kin­der­geld­be­rech­tig­ten, bei de­nen das Kind an einem an­de­ren Tag des Mo­nats ge­bo­ren ist, un­gleich be­han­delt wer­den, ist sach­lich ge­recht­fer­tigt, je­den­falls nicht willkürlich.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob dem Kläger für sei­nen an einem 1. No­vem­ber ge­bo­re­nen Sohn A Kin­der­geld für einen be­stimm­ten Mo­nat zu gewähren ist. Dem Kläger wurde ab Ge­burt des Kin­des Kin­der­geld be­wil­ligt. Im No­vem­ber 2013 hob die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse die Fest­set­zung des Kin­der­gel­des ab dem 1. No­vem­ber auf. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind am 31. Ok­to­ber sein 25. Le­bens­jahr voll­en­det und da­mit die ge­setz­li­che Al­ters­grenze für den An­spruch auf Kin­der­geld er­reicht habe.

Der Kläger ist dem­ge­genüber der An­sicht, dass der Sohn erst im Laufe des, bzw. am 1. No­vem­ber das 25. Le­bens­jahr voll­en­det habe. Fer­ner ver­trat er die An­sicht, dass wenn man der An­sicht der Fa­mi­li­en­kasse fol­gen würde, Kin­der, die am ers­ten Tag ei­nes Mo­nats ge­bo­ren sind, ge­genüber al­len an­de­ren Kin­der, die zwi­schen dem 2. und 31. ei­nes Mo­nats ge­bo­ren sind, be­nach­tei­ligt wären. Das führe dazu, dass für am ers­ten Tag ei­nes Mo­nats ge­bo­rene Kin­der ein Mo­nat we­ni­ger lang Kin­der­geld ge­zahlt werde und stelle eine un­begründete Un­gleich­be­hand­lung dar.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Fa­mi­li­en­kasse hat zu Recht den Kin­der­geld­an­spruch für den Mo­nat No­vem­ber auf­ge­ho­ben, denn dem Kläger steht Kin­der­geld für sei­nen Sohn A für die­sen Mo­nat nicht zu.

Gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18. Le­bens­jahr voll­en­det hat, berück­sich­tigt, wenn es noch nicht das 25. Le­bens­jahr voll­en­det hat und für einen Be­ruf aus­ge­bil­det wird. Gem. § 32 Abs. 6 S. 5, § 66 Abs. 2 EStG ist Kin­der­geld nur für die Mo­nate zu gewähren, in de­nen die Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Vor­aus­set­zung für die Aus­zah­lung von Kin­der­geld ist so­mit, dass das Kind an we­nigs­tens einem Tag in dem be­trof­fe­nen Mo­nat zu berück­sich­ti­gen ist. Für die Be­rech­nung des zu­grunde zu le­gen­den Al­ters ei­nes Kin­des sind gem. § 108 Abs. 1 AO die §§ 187, 188 BGB maßgeb­lich. Nach § 187 Abs. 2 S. 2 BGB wird der Tag der Ge­burt bei der Be­rech­nung des Le­bens­al­ters be­reits mit­ge­rech­net. Da­her rich­tet sich das Ende nach § 188 Abs. 2 BGB: Das Le­bens­jahr en­det mit dem Ab­lauf des­je­ni­gen Ta­ges, der sei­ner Be­nen­nung nach dem Tag der Ge­burt vor­an­geht.

An­ge­wen­det auf den Streit­fall be­deu­tet dies, dass das Kind A am 31. Ok­to­ber sein 25. Le­bens­jahr voll­en­det hat; die Berück­sich­ti­gungs­vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG la­gen so­mit für den Mo­nat No­vem­ber nicht mehr vor. So­weit hier­durch der Kläger für sei­nen Sohn A - wie vom Kläger zu­tref­fend dar­ge­legt - einen Mo­nat we­ni­ger Kin­der­geld erhält, liegt eine plan­wid­rige Re­ge­lungslücke im Sinne ei­ner Un­vollständig­keit des Ge­set­zes, die nach Maßgabe des Gleich­heits­sat­zes und zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­der­sprüchen durch eine ana­loge An­wen­dung ei­ner an­de­ren Rechts­norm zu schließen wäre, nicht vor. Die­ses Er­geb­nis ist viel­mehr Folge der in §§ 187, 188 BGB all­ge­mein vor­ge­se­he­nen Fris­ten­be­rech­nung und des vom Ge­setz­ge­ber für den Be­zug von Kin­der­geld als maßgeb­lich er­ach­te­ten Mo­nats­prin­zips (§ 66 Abs. 2 EStG), nach dem Kin­der­geld vom Be­ginn des Mo­nats an, in dem die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, und bis zum Ende des Mo­nats, in dem die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen weg­fal­len, ge­zahlt wird.

Das FG folgt in­so­weit nicht der ver­ein­zelt in der Li­te­ra­tur ver­tre­te­nen An­sicht, dass eine ver­fas­sungs­wid­rige Un­gleich­be­hand­lung vor­liegt. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 und 188 BGB bzw. § 66 Abs. 2 EStG ver­stoßen nicht ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG und be­geg­nen in­so­weit kei­nen durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, so­weit da­nach ein An­spruch auf Kin­der­geld an min­des­tens einem Tag des Le­bens­mo­nats er­for­der­lich ist, um einen An­spruch auf Kin­der­geld zu begründen. Die Nicht­berück­sich­ti­gung des Kin­des A im Mo­nat No­vem­ber re­sul­tiert aus der An­wen­dung der für alle Rechts­ge­biete gel­ten­den all­ge­mei­nen Fris­ten­be­rech­nung der §§ 187, 188 BGB.

Der Rechts­ver­kehr braucht für die Be­rech­nung der in Ge­set­zen ent­hal­te­nen Zeit­be­stim­mun­gen klare Re­geln. Die­sem Bedürf­nis tra­gen die ge­nann­ten Vor­schrif­ten Rech­nung. Sie ent­hal­ten Aus­le­gungs­vor­schrif­ten. So­weit hier­durch Kin­der­geld­be­rech­tigte, bei de­nen das Kind am 1. ei­nes Mo­nats ge­bo­ren ist, ge­genüber Kin­der­geld­be­rech­tig­ten, bei de­nen das Kind an einem an­de­ren Tag des Mo­nats ge­bo­ren ist, hin­sicht­lich der Höhe des ins­ge­samt zu­ste­hen­den Kin­der­gel­des un­gleich be­han­delt wer­den (301 statt 300 Mo­nate Kin­der­geld), ist diese un­glei­che Aus­ge­stal­tung durch hin­rei­chend ge­wich­tige Gründe sach­lich ge­recht­fer­tigt, je­den­falls nicht willkürlich.

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