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Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs vorzeitig gekündigten Krediten

BGH 22.11.2016, XI ZR 187/14

§ 497 Abs. 1 BGB (in der bis Ende Juli 2002 gel­ten­den Fas­sung - a.F.) enthält eine spe­zi­elle Re­ge­lung zur Scha­dens­be­rech­nung bei not­lei­den­den Kre­di­ten, die vom Dar­le­hens­ge­ber in­folge Zah­lungs­ver­zugs des Dar­le­hens­neh­mers vor­zei­tig gekündigt wor­den sind. Die Vor­schrift schließt die Gel­tend­ma­chung ei­ner als Er­satz des Erfüllungs­in­ter­es­ses ver­lang­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung aus.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte schloss mit dem Schuld­ner im Juli 2002 einen Dar­le­hens­ver­trag i.H.v. 750.000 € mit einem für fünf Jahre fest­ge­schrie­be­nen No­mi­nal­zins­satz von 5,2 % p.a. und einem anfäng­li­chen ef­fek­ti­ven Jah­res­zins von 5,33 %. Als Si­cher­heit diente eine Grund­schuld an einem Haus­grundstück des Schuld­ners in München. Im Mai 2009 wurde ein neuer No­mi­nal­zins­satz von 4,333 % p.a. bis Ende Mai 2019 (anfäng­li­cher ef­fek­ti­ver Jah­res­zins: 4,420 %) ver­ein­bart.

Der Schuld­ner ge­riet mit der Zah­lung der mtl. Ra­ten in Rück­stand. Im Fe­bruar 2010 kündigte die Be­klagte ge­genüber dem Schuld­ner den Dar­le­hens­ver­trag we­gen Zah­lungs­ver­zugs frist­los und be­trieb im Fol­gen­den die Zwangs­ver­stei­ge­rung des mit der Grund­schuld be­las­te­ten Grundstücks. Aus dem Ver­stei­ge­rungs­erlös ver­ein­nahmte die Be­klagte u.a. eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung i.H.v. rd. 75.00 €.

Der Kläger hat ti­tu­lierte An­sprüche ge­gen den Schuld­ner. Mit Be­schluss des AG München vom 10.4.2013 wurde we­gen ei­ner Teil­haupt­for­de­rung des Klägers ge­gen den Schuld­ner in Höhe von 100.000 € der an­geb­li­che An­spruch des Schuld­ners ge­gen die Be­klagte "auf Rück­zah­lung von zu Un­recht ver­ein­nahm­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gun­gen zum Dar­le­hens­ver­trag Nr. 6706355721" zu­guns­ten des Klägers gepfändet und die­sem zur Ein­zie­hung über­wie­sen. Der Kläger meint, die Be­klagte habe keine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung ein­be­hal­ten dürfen.

LG und OLG wie­sen die auf Zah­lung von 75.000 € nebst Zin­sen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Auf Grund­lage der bis­lang ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen hätte das OLG einen An­spruch des Schuld­ners ge­gen die Be­klagte auf Er­stat­tung der Vorfällig­keits­ent­schädi­gung nicht ver­nei­nen dürfen. Die An­nahme des OLG, die Re­ge­lung des § 497 Abs. 1 BGB a.F. schließe nicht aus, dass die Be­klagte eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung als Er­satz des Erfüllungs­in­ter­es­ses ver­lan­gen könne, ist rechts­feh­ler­haft.

Der Se­nat hat nach Er­lass des Be­ru­fungs­ur­teils ent­schie­den, dass § 497 Abs. 1 BGB (dort in der bis zum 10.6.2010 gel­ten­den Fas­sung) eine spe­zi­elle Re­ge­lung zur Scha­dens­be­rech­nung bei not­lei­den­den Kre­di­ten enthält, die vom Dar­le­hens­ge­ber in­folge Zah­lungs­ver­zugs des Dar­le­hens­neh­mers vor­zei­tig gekündigt wer­den. Sie ent­fal­tet eine Sperr­wir­kung, die die Gel­tend­ma­chung ei­ner als Erfüllungs­in­ter­esse ver­lang­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung ne­ben dem dort ge­re­gel­ten Verzöge­rungs­scha­den aus­schließt. Dies er­gibt sich aus der Ge­setz­ge­bungs­ge­schichte des § 11 Ver­brKrG als Vorgänger­norm des § 497 BGB a.F. so­wie dem Sinn und Zweck der Re­ge­lung und gilt da­her ohne wei­te­res auch für die hier an­wend­bare vom 1.1. bis zum 31.7.2002 gel­tende Fas­sung.

Aus der Begründung zum Re­gie­rungs­ent­wurf des Ver­brKrG er­gibt sich, dass "der Ver­zugs­zins nach Scha­dens­er­satz­ge­sichts­punk­ten zu er­mit­teln und ein Rück­griff auf den Ver­trags­zins grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen" sein sollte. Der Ge­setz­ge­ber wollte da­mit die auf­grund der bei­den Ur­teile des BGH vom 28.4.1988 (III ZR 57/87 und III ZR 120/87) für zulässig er­ach­te­ten Scha­dens­be­rech­nungsmöglich­kei­ten ei­ner ein­fa­chen und prak­ti­ka­blen Neu­re­ge­lung zuführen, weil die vom BGH ent­wi­ckelte Lösung zwar zu be­frie­di­gen­den Er­geb­nis­sen führe, aber von der Kre­dit­wirt­schaft als un­prak­ti­ka­bel und schwer um­setz­bar bemängelt wor­den sei. Zu­gleich wurde mit der Fest­le­gung der Höhe des Ver­zugs­zin­ses auch dem Ver­brau­cher die Möglich­keit ge­ge­ben, die Höhe der Mehr­auf­wen­dun­gen im Ver­zugs­fall selbst zu be­rech­nen.

Die­ses Ziel der (Pro­zess-)Ver­ein­fa­chung wird in­des nicht er­reicht, wenn der Dar­le­hens­ge­ber an­stelle der ein­fa­chen Ver­zugs­zins­be­rech­nung auf die im Zeit­punkt der Wirk­sam­keit der Kündi­gung be­ste­hen­den Zah­lungsrückstände eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung be­an­spru­chen könnte, de­ren ge­naue Fest­stel­lung un­ter Berück­sich­ti­gung der bis zum re­gulären Ver­trags­ende noch aus­ste­hen­den Zah­lungs­ströme aus Til­gung und Ver­trags­zins eine kom­pli­zierte Ab­zin­sung der ein­zel­nen Zah­lungs­beträge er­for­der­lich macht. Vor al­lem aber würde bei Zu­bil­li­gung ei­ner Vorfällig­keits­ent­schädi­gung, die im Aus­gangs­punkt auf dem Ver­trags­zins be­ruht, das vor­nehm­li­che Ziel des Ge­setz­ge­bers, einen Rück­griff auf den Ver­trags­zins für die Scha­dens­be­rech­nung nach Wirk­sam­wer­den der Kündi­gung grundsätz­lich aus­zu­schließen, ver­fehlt.

Der Ge­setz­ge­ber wollte den Rück­griff auf den Ver­trags­zins grundsätz­lich aus­schließen. Dies zeigt sich auch daran, dass im Re­gie­rungs­ent­wurf in § 11 Abs. 3 Ver­brKrG-E noch eine Re­ge­lung ent­hal­ten war, auf­grund de­rer der Kre­dit­ge­ber auf die fällige Rest­schuld ab­wei­chend von § 10 Abs. 1 S. 1 Ver­brKrG-E (dem späte­ren § 11 Abs. 1 S. 1 Ver­brKrG) den Ver­trags­zins hätte ver­lan­gen können, diese Be­stim­mung in­des im wei­te­ren Ge­setz­ge­bungs­ver­lauf we­gen ih­rer man­geln­den Prak­ti­ka­bi­lität er­satz­los ge­stri­chen wurde. Aus den Ma­te­ria­lien zum Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz, mit dem § 497 BGB a.F. an die Stelle des § 11 Ver­brKrG ge­tre­ten ist, er­gibt sich nichts an­de­res. Einen An­spruch auf eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung bil­ligt der Ge­setz­ge­ber dem Dar­le­hens­ge­ber nur in Fällen zu, in de­nen der Dar­le­hens­neh­mer den Dar­le­hens­ver­trag vor­zei­tig kündigt. Auch dies kann im Wege des Um­kehr­schlus­ses zu­min­dest als Hin­weis dar­auf ver­stan­den wer­den, dass ein sol­cher An­spruch im An­wen­dungs­be­reich des § 497 Abs. 1 BGB aus­ge­schlos­sen sein soll.

Link­hin­weis:

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