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Erbschaftsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen verfassungswidrig

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die Be­triebs­vermögens­begüns­ti­gun­gen in §§ 13a, 13b i.V. mit § 19 Abs. 1 ErbStG für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt. Der Ge­setz­ge­ber muss bis 30.6.2016 eine Neu­re­ge­lung tref­fen, die al­ler­dings rück­wir­kend zum 17.12.2014 gel­ten kann.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat mit dem am 17.12.2014 verkünde­ten Ur­teil die Be­triebs­vermögens­begüns­ti­gun­gen in §§ 13a, 13b in Ver­bin­dung mit § 19 Abs. 1 ErbStG für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt und dem Ge­setz­ge­ber auf­ge­ge­ben, bis 30.6.2016 eine Neu­re­ge­lung zu tref­fen. Bis da­hin sind die bis­he­ri­gen Vor­schrif­ten zunächst wei­ter an­wend­bar. Al­ler­dings kann der Ge­setz­ge­ber rück­wir­kend auf den Zeit­punkt der Ur­teils­verkündung Neu­re­ge­lun­gen tref­fen, die ei­ner ex­zes­si­ven Aus­nut­zung der gleich­heits­wid­ri­gen §§ 13a und 13b ErbStG die An­er­ken­nung ver­sagt. In­so­fern begründet die Fort­gel­tung der ver­fas­sungs­wid­ri­gen Nor­men kei­nen Ver­trau­ens­schutz.

In der seit 1.1.2009 gel­ten­den Fas­sung des Erb­schaft­steu­er­ge­set­zes sind in §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG um­fas­sende Ver­scho­nungs­re­ge­lun­gen bei der Über­tra­gung von Be­triebs­vermögen vor­ge­se­hen, die al­ler­dings nur dann in An­spruch ge­nom­men wer­den können, wenn strenge Auf­la­gen erfüllt wer­den. So blei­ben nach §§ 13a und 13b ErbStG 85% bzw. 100 % des Wer­tes von Be­triebs­vermögen, land- und forst­wirt­schaft­li­chem Vermögen und An­tei­len an Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten bei ei­ner Min­dest­be­tei­li­gung von über 25 % außer An­satz. Hinzu kom­men Ab­schläge gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG so­wie die ge­ne­relle An­wen­dung der güns­ti­ge­ren Steu­er­klasse nach § 19a ErbStG.

Hin­weis: Ge­setz­ge­be­ri­sches Ziel der überprüften Re­ge­lun­gen war es, vor al­lem Un­ter­neh­men zu schützen, die durch einen be­son­de­ren per­so­na­len Be­zug des Erb­las­sers oder des Er­ben zum Un­ter­neh­men geprägt sind, wie es für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ty­pi­sch ist. Steu­er­lich begüns­tigt wer­den soll ihr pro­duk­ti­ves Vermögen, um den Be­stand des Un­ter­neh­mens und sei­ner Ar­beitsplätze nicht durch steu­er­be­dingte Li­qui­ditätspro­bleme zu gefähr­den.

Richter sehen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Begünstigung von Unternehmen

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) ge­steht dem Ge­setz­ge­ber zwar einen Ent­schei­dungs­spiel­raum zu, Un­ter­neh­men, die in per­so­na­ler Ver­ant­wor­tung geführt wer­den, zur Si­che­rung ih­res Be­stands und zur Er­hal­tung der Ar­beitsplätze steu­er­lich zu begüns­ti­gen.

Korrektur der Verschonungsregelung beim Übergang großer Unternehmensvermögen

So sieht das BVerfG die Ver­scho­nungs­re­ge­lung in §§ 13a und 13b ErbStG als sol­che im Grund­satz als mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz nach Art. 3 Abs. 1 GG für ver­ein­bar an, auch so­weit sie eine Steu­er­ver­scho­nung von 100% ermöglicht.
Al­ler­dings be­darf sie beim Überg­ang großer Un­ter­neh­mens­vermögen ei­ner Kor­rek­tur, denn nach Auf­fas­sung des Ge­richts führt die Ver­scho­nungs­re­ge­lung schon we­gen der Höhe der steu­er­be­frei­ten Beträge zu mit­un­ter großen Un­gleich­be­hand­lun­gen der Er­wer­ber be­trieb­li­chen und nicht be­trieb­li­chen Vermögens.

Die der­zei­tige Pri­vi­le­gie­rung be­trieb­li­chen Vermögens er­ach­tet es je­doch für un­verhält­nismäßig, so­weit sie über den Be­reich klei­ner und mitt­le­rer Un­ter­neh­men hin­aus­greift, ohne eine sog. Bedürf­nisprüfung vor­zu­se­hen.

Hin­weis: Das Ge­richt gibt dem Ge­setz­ge­ber auf, präzise und hand­hab­bare Kri­te­rien zur Be­stim­mung der Un­ter­neh­men fest­zu­le­gen, für die eine Ver­scho­nung ohne eine sol­che Bedürf­nisprüfung nicht mehr in Be­tracht kommt.

Gemäß der Ent­schei­dungs­begründung bleibt es dem Ge­setz­ge­ber un­be­nom­men, sich an der Emp­feh­lung der EU-Kom­mis­sion vom 6.5.2003 in Be­zug auf die De­fi­ni­tion von Kleinst­un­ter­neh­men so­wie der klei­ne­ren und mitt­le­ren Un­ter­neh­men (2003/361/EG, ABl. L 124/36 vom 20.5.2003) zu ori­en­tie­ren. Da­nach gehören zu den klei­nen und mitt­le­ren Un­ter­neh­men sol­che, die we­ni­ger als 250 Ar­beit­neh­mer be­schäfti­gen und die ent­we­der einen Jah­res­um­satz von höchs­tens 50 Mio. Euro er­zie­len oder de­ren Jah­res­bi­lanz­summe sich auf höchs­tens 43 Mio. Euro beläuft.

Laut BVerfG ist der Ge­setz­ge­ber je­doch nicht ver­pflich­tet, die An­ge­mes­sen­heit der Un­gleich­be­hand­lung zwi­schen begüns­tig­ten und nicht begüns­tig­ten Vermögensüber­tra­gun­gen durch eine ex­akte Be­stim­mung des Krei­ses klei­ner und mit­telständi­scher Un­ter­neh­men und durch die Be­gren­zung der Ver­scho­nung ohne Bedürf­nisprüfung auf diese si­cher­stel­len. Möglich ist nach sei­ner Auf­fas­sung auch, eine ab­so­lute Ober­grenze fest­zu­le­gen. Ex­em­pla­ri­sch ver­weist das Ge­richt dazu auf den Re­gie­rungs­ent­wurf des Ge­set­zes zur Si­che­rung der Un­ter­neh­mens­nach­folge vom 30.5.2005, in dem eine Förde­rungshöchst­grenze von 100 Mio. Euro vor­ge­se­hen war.

Festlegung der begünstigten Vermögensarten wird nicht beanstandet

Zwar ist die die Fest­le­gung der begüns­tig­ten Vermögens­ar­ten nicht zu be­an­stan­den. So schei­det die Min­dest­be­tei­li­gung von über 25 % bei Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten bloße Geld­an­la­gen aus. Bei ei­ner Be­tei­li­gung von über 25 % durfte der Ge­setz­ge­ber von ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Ein­bin­dung des An­teils­eig­ners in den Be­trieb aus­ge­hen.

Auch die ge­ne­relle Begüns­ti­gung des Er­werbs von An­tei­len an Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten ist mit dem Gleich­heits­satz ver­ein­bar. Sie fin­det ihre Grund­lage in der un­ter­schied­li­chen zi­vil­recht­li­chen Be­hand­lung des Vermögens von Per­so­nen- und Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten. In­so­weit be­wegt sich der Ge­setz­ge­ber im Rah­men sei­nes Ein­schätzungs- und Ty­pi­sie­rungs­spiel­raums. Und auch bei land- und forst­wirt­schaft­li­chen Be­trie­ben durfte der Ge­setz­ge­ber von ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Ein­bin­dung jeg­li­cher Be­tei­li­gung aus­ge­hen, denn diese Be­triebe wer­den zu­dem in be­son­ders ho­hem Maße als Fa­mi­li­en­be­triebe ohne größere Ka­pi­tal­de­cke geführt.

Lohnsummenregelung: Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten gleichheitswidrig

Auch die Lohn­sum­men­re­ge­lung ist im Grund­satz mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz ver­ein­bar. Da­mit wird das le­gi­time Ziel ver­folgt, Ar­beitsplätze zu er­hal­ten. Al­ler­dings verstößt die Frei­stel­lung von Be­trie­ben mit nicht mehr als 20 Be­schäftig­ten ge­gen Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach den Ausführun­gen des BFH wei­sen weit über 90 % al­ler Be­triebe in Deutsch­land nicht mehr als 20 Be­schäftigte auf. Be­triebe können da­her fast flächen­de­ckend die steu­er­li­che Begüns­ti­gung ohne Rück­sicht auf die Er­hal­tung von Ar­beitsplätzen be­an­spru­chen, so dass die Grenze ei­ner zulässi­gen Ty­pi­sie­rung über­schrit­ten und das Re­gel-Aus­nahme-Verhält­nis der ge­setz­ge­be­ri­schen Ent­las­tungs­ent­schei­dung in sein Ge­gen­teil ver­kehrt wird.

Hin­weis: So­fern der Ge­setz­ge­ber an dem ge­genwärti­gen Ver­scho­nungs­kon­zept festhält, wird er die Frei­stel­lung von der Lohn­sum­men­pflicht auf Be­triebe mit ei­ni­gen we­ni­gen Be­schäftig­ten be­gren­zen müssen.

Behaltensfrist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Die sog. Be­hal­tens­frist von fünf oder sie­ben Jah­ren ist nach Auf­fas­sung des BVerfG im Grund­satz mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz ver­ein­bar, zu­mal sie durch Lohn­sum­men­re­ge­lung und Ver­wal­tungs­vermögens­test an­ge­mes­sen ergänzt wird.


Umfangreiche Einbeziehung von Verwaltungsvermögen ist gleichheitswidrig


Dem­ge­genüber er­ach­tet das BVerfG die Re­ge­lung über das Ver­wal­tungs­vermögen nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG ver­ein­bar. Das BVerfG hält zwar die Ziele des Ge­setz­ge­bers, nur pro­duk­ti­ves Vermögen zu fördern und Um­ge­hun­gen durch steu­er­li­che Ge­stal­tung zu un­ter­bin­den, für le­gi­tim und auch an­ge­mes­sen. Dies gilt je­doch nicht, so­weit begüns­tig­tes Vermögen mit einem An­teil von bis zu 50 % Ver­wal­tungs­vermögen ins­ge­samt in den Ge­nuss der steu­er­li­chen Pri­vi­le­gie­rung ge­langt. Es ver­mag kei­nen tragfähi­gen Recht­fer­ti­gungs­grund für eine der­art um­fang­rei­che Ein­be­zie­hung von Vermögens­be­stand­tei­len, die das Ge­setz ei­gent­lich nicht als förde­rungswürdig an­sieht, zu er­ken­nen.

Das Ziel, steu­er­li­che Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten zu un­ter­bin­den, wird mit der Re­ge­lung laut BVerfG kaum er­reicht, zu­dem begüns­tigt sie die Ver­la­ge­rung von pri­va­tem in be­trieb­li­ches Vermögen eher. Auch ist kein spürba­rer Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chungs­ef­fekt er­kenn­bar, denn der An­teil des Ver­wal­tungs­vermögens ist auch für die An­wen­dung der 50 %-Re­gel zu er­mit­teln. Schließlich kann die Re­ge­lung nicht mit der Ty­pi­sie­rung von § 13b Abs. 4 ErbStG in Ein­klang ge­bracht wer­den, wo­nach je­des Un­ter­neh­men über nicht begüns­ti­gungsfähi­ges Ver­wal­tungs­vermögen im Um­fang von 15 % des ge­sam­ten Be­triebs­vermögens verfügen soll.

Steuerentlastungen über nicht gerechtfertigte Steuergestaltungen wie die Cash-GmbH

Schließlich ist ein Steu­er­ge­setz nach den Ausführun­gen des BVerfG ver­fas­sungs­wid­rig, wenn es - über den aty­pi­schen Ein­zel­fall hin­aus - Ge­stal­tun­gen zulässt, mit de­nen Steu­er­ent­las­tun­gen er­zielt wer­den können, die es nicht be­zweckt und die gleich­heits­recht­lich nicht zu recht­fer­ti­gen sind. Dies ist der Fall bei Ge­stal­tun­gen, wel­che die Lohn­sum­men­pflicht durch Be­triebs­auf­spal­tun­gen um­ge­hen, wel­che die 50 %-Re­gel in Kon­zern­struk­tu­ren nut­zen und bei so­ge­nann­ten Cash-Ge­sell­schaf­ten, die al­ler­dings seit 8.6.2013 re­gelmäßig nicht mehr begüns­tig­tes Be­triebs­vermögen dar­stel­len.

§§ 13a und 13b ErbStG insgesamt verfassungswidrig

Die vom BVerfG fest­ge­stell­ten Gleich­heits­verstöße er­fas­sen die Be­triebs­vermögens­begüns­ti­gun­gen in §§ 13a und 13b ErbStG ins­ge­samt - und zwar so­wohl für die Ur­sprungs­fas­sung des Erb­schaft­steu­er­re­form­ge­set­zes vom 24.12.2008 als auch für alle Fol­ge­fas­sun­gen.
Auch § 19 Abs. 1 ErbStG, der die Be­steue­rung begüns­tig­ten wie nicht begüns­tig­ten Vermögens glei­chermaßen be­trifft, ist in der Ver­bin­dung mit §§ 13a und 13b ErbStG für un­ver­ein­bar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären.

Fortgeltung des Erbschaftsteuerrechts bis 30.6.2016 - aber kein Vertrauensschutz

Die ge­nann­ten Nor­men gel­ten bis 30.6.2016 fort. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, bis spätes­tens zu die­sem Zeit­punkt eine Neu­re­ge­lung zu tref­fen. Al­ler­dings begründet die Fort­gel­tung der ver­fas­sungs­wid­ri­gen Nor­men kei­nen Ver­trau­ens­schutz ge­genüber ei­ner bis zur Ur­teils­verkündung rück­wir­ken­den Neu­re­ge­lung, die ei­ner ex­zes­si­ven Aus­nut­zung der gleich­heits­wid­ri­gen §§ 13a und 13b ErbStG die An­er­ken­nung ver­sagt.

Erbschaftsteuerbescheid nur noch vorläufig

Das BMF hat be­reits auf das Ur­teil des BVerfG rea­giert und die Fi­nanz­ver­wal­tung an­ge­wie­sen, Erb­schaft- und Schen­kung­steu­er­be­scheide nur noch vorläufig fest­zu­set­zen.


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