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Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung

FG Köln 22.10.2014, 4 K 582/12

Der BFH hat die Zulässig­keit tatsäch­li­cher Verständi­gun­gen grundsätz­lich an­er­kannt. Es ent­spricht auch ständi­ger BFH-Recht­spre­chung, dass eine tatsäch­li­che Verständi­gung grundsätz­lich für beide Par­teien bin­dend ist. Dar­aus er­gibt sich ein­deu­tig, dass sie grundsätz­lich nicht ein­sei­tig wi­der­ru­fen wer­den kann und zwar auch dann nicht, wenn der Steu­er­pflich­tige bei Ab­schluss der tatsäch­li­chen Verständi­gung nicht steu­er­lich be­ra­ten war.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine inländi­sche GmbH. Ihre Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin ist eine in Großbri­tan­nien ansässige Ge­sell­schaft. Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand ist der Kauf un­sor­tier­ter Bar­geld­bestände in Form von Münzen und Bank­no­ten ver­schie­de­ner Währun­gen, die vor­wie­gend im Rah­men von Spen­den- und Hilfs­ak­tio­nen durch wohltätige Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Flug­ge­sell­schaf­ten ge­sam­melt wur­den und der Um­tausch in Euro bei den je­wei­li­gen Na­tio­nal­ban­ken.

Die Kläge­rin hatte die durch­geführ­ten Leis­tun­gen bis­her aus­schließlich als steu­er­freie Geld­ver­kehrs­leis­tun­gen nach § 4 Nr. 8 b UStG be­han­delt. Nach ei­ner Be­triebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2008 ver­trat das Fi­nanz­amt die An­sicht, dass die Kläge­rin zwei ge­trennt von­ein­an­der zu be­ur­tei­lende Haupt­leis­tun­gen er­bringe, zum einen die sons­tige Leis­tung "Sor­tie­rung" und zum an­de­ren die sons­tige Leis­tung "Um­tausch". Die sons­tige Leis­tung "Sor­tie­rung" und die Ne­ben­leis­tung Trans­port zum Fir­men­sitz sah die Behörde als eine steu­er­bare und man­gels Be­frei­ung mit dem Re­gel­steu­er­satz zu ver­steu­ernde steu­er­pflich­tige Leis­tung an. In­fol­ge­des­sen be­han­delte sie 80 % des Ge­samt­um­sat­zes als steu­er­pflich­tige sons­tige Leis­tun­gen.

Im Rah­men des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens fand eine Be­spre­chung statt, in de­ren Ver­lauf eine ein­ver­nehm­li­che Re­ge­lung der­ge­stalt ge­trof­fen wurde, dass das Ent­gelt "Pro­vi­sion" für den Prüfungs­zeit­raum und die nach­fol­gen­den Zeiträume zu 50% auf sons­tige steu­er­pflich­tige Leis­tun­gen "Fund­rai­sing" und "Sor­tie­ren" und zu 50 % auf nach § 4 Nr. 8 b UStG sons­tige steu­er­freie Leis­tun­gen "Um­tausch" auf­zu­tei­len sei. Es er­ging ein geänder­ter Be­triebsprüfungs­be­richt. Kurze Zeit später mel­dete sich ein Steu­er­be­ra­ter beim Fi­nanz­amt und teilte mit, dass im Auf­trag der Kläge­rin eine An­frage an das Fi­nanz­mi­nis­te­rium NRW hin­sicht­lich der um­satz­steu­er­li­chen Be­hand­lung des Sor­ten­ge­schäfts für die Ver­gan­gen­heit und die Zu­kunft ge­stellt wor­den sei. Die ge­trof­fene Ei­ni­gung über die um­satz­steu­er­li­che Be­hand­lung des Sor­ten­ge­schäfts sei da­mit hinfällig ge­wor­den.

Nach­dem das Fi­nanz­mi­nis­te­rium NRW der Kläge­rin mit­ge­teilt hatte, dass es die Rechts­an­sicht nicht teile, dass die Leis­tung der Kläge­rin ge­genüber ih­ren Kun­den als ein­heit­li­che Leis­tung, die ins­ge­samt gem. § 4 Nr. 8 b UStG von der Um­satz­steuer be­freit ist, zu be­ur­tei­len sei, sah sich die Kläge­rin den­noch nicht mehr an die ge­trof­fene Ver­ein­ba­rung ge­bun­den. Das FG gab der ge­gen die Um­satz­steu­er­be­scheide für die Jahre 2004 bis 2008 ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Die Sa­che ist beim BFH un­ter dem Az.: V B 159/14 anhängig.

Die Gründe:
Die Klage war in­so­weit begründet, als die Kläge­rin eine Her­ab­set­zung des um­satz­steu­er­pflich­ti­gen An­teils der er­hal­te­nen Pro­vi­sio­nen von 80% auf 50% be­gehrt hatte. Der darüber hin­aus ge­hende An­trag auf vollständige Be­frei­ung der Pro­vi­sion von der Um­satz­steuer war da­ge­gen un­begründet.

Zwi­schen den Be­tei­lig­ten war bei der Be­spre­chung eine bin­dende tatsäch­li­che Verständi­gung über den steu­er­pflich­ti­gen An­teil der Umsätze der Kläge­rin i.H.v. 50 % zu­stande ge­kom­men, an die die Be­tei­lig­ten ge­bun­den sind. Der BFH hat die Zulässig­keit tatsäch­li­cher Verständi­gun­gen grundsätz­lich an­er­kannt. Da jede Verständi­gung über steu­er­lich re­le­vante Tat­sa­chen zu­gleich auch die Höhe des Steu­er­an­spruchs be­ein­flusst und da­her eine trenn­scharfe Ab­gren­zung zwi­schen Tat­frage und Rechts­frage nicht in al­len Fällen nach ab­strak­ten Maßstäben im Vor­hin­ein möglich ist, ist eine Verständi­gung über sich aus Sach­ver­halts­fra­gen er­ge­bende Rechts­fol­gen nicht zu be­an­stan­den, wenn diese in einem so en­gen Zu­sam­men­hang mit Tat­sa­chen ste­hen, dass sie sach­ge­rech­ter­weise nicht aus­ein­an­der­ge­ris­sen wer­den können. Un­zulässig bleibt eine Verständi­gung über reine Rechts­fra­gen.

Eine Verständi­gung über reine Rechts­fra­gen ha­ben die Be­tei­lig­ten nicht ge­trof­fen. Auch wenn in die Ein­ord­nung der Leis­tun­gen so­wohl tatsäch­li­che als auch recht­li­che As­pekte ein­ge­flos­sen sein mögen, so stand sie doch in einem so en­gen Zu­sam­men­hang mit dem kom­ple­xen Ge­samt­sach­ver­halt und auch sei­nen ein­zeln zu be­ur­tei­len­den Teil­sach­ver­hal­ten, dass die tatsäch­li­che und recht­li­che Be­ur­tei­lung sach­ge­rech­ter­weise nicht ge­trennt wer­den konnte und die Ein­be­zie­hung recht­li­cher Fol­ge­run­gen in die tatsäch­li­che Verständi­gung da­her zulässig wäre.

Es ent­spricht auch ständi­ger BFH-Recht­spre­chung, dass eine tatsäch­li­che Verständi­gung grundsätz­lich für beide Par­teien bin­dend ist. Dar­aus er­gibt sich, dass sie grundsätz­lich nicht ein­sei­tig wi­der­ru­fen wer­den kann und zwar auch dann nicht, wenn der Steu­er­pflich­tige bei Ab­schluss der tatsäch­li­chen Verständi­gung nicht steu­er­lich be­ra­ten war. Die tatsäch­li­che Verständi­gung war im vor­lie­gen­den Fall auch nicht durch eine wirk­same An­fech­tung auf­ge­ho­ben wor­den. Denn die Kläge­rin hatte einen An­fech­tungs­grund nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Dass sich der Ge­schäftsführer der Kläge­rin auf­grund von Verständi­gungs­pro­ble­men mögli­cher­weise über die Reich­weite der tatsäch­li­chen Verständi­gung ge­irrt ha­ben mochte, führte nicht zu ei­ner An­fech­tungsmöglich­keit we­gen Irr­tums nach § 119 BGB, denn die Kläge­rin wurde von steu­er­lich fach­kun­di­gen Be­ra­tern ver­tre­ten. Letzt­lich wäre eine An­fech­tung aber zu spät erklärt wor­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text des Ur­teils ist erhält­lich un­ter www.nrwe.de - Recht­spre­chungs­da­ten­bank des Lan­des NRW.

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