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Steuerberatung

Außergewöhnliche Belastungen: Neuer Ansatz bei Ermittlung der zumutbaren Belastung

BFH 19.1.2017, VI R 75/14

Ab­wei­chend von der bis­he­ri­gen durch die Recht­spre­chung ge­bil­lig­ten Ver­wal­tungs­auf­fas­sung, wo­nach sich die Höhe der zu­mut­ba­ren Be­las­tung aus­schließlich nach dem höheren Pro­zent­satz rich­tet, so­bald der Ge­samt­be­trag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 S. 1 EStG ge­nann­ten Gren­zen über­schrei­tet, ist die Re­ge­lung so zu ver­ste­hen, dass nur der Teil des Ge­samt­be­trags der Einkünfte, der den im Ge­setz ge­nann­ten Grenz­be­trag über­steigt, mit dem je­weils höheren Pro­zent­satz be­las­tet wird. Die Ent­schei­dung hat weit­rei­chende Be­deu­tung, da Steu­er­pflich­tige nun in der Re­gel früher und in größerem Um­fang steu­er­lich ent­las­tet wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte für das Streit­jahr 2006 zu­sam­men mit sei­ner Ehe­frau in der ge­mein­sa­men Ein­kom­men­steu­er­erklärung Krank­heits­kos­ten i.H.v. 4.148 € als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen erklärt. Da der Ge­samt­be­trag der Einkünfte der Ehe­leute über 51.130 € lag, be­rech­nete das Fi­nanz­amt die zu­mut­bare Be­las­tung un­ter An­wen­dung des in der Si­tua­tion des Klägers höchstmögli­chen Pro­zent­sat­zes von 4 %. Die Krank­heits­kos­ten der Ehe­leute wirk­ten sich nach dem Ab­zug der zu­mut­ba­ren Be­las­tung nur noch mit 2.069 € steu­er­min­dernd aus.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BFH das Ur­teil auf und änderte den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2006 da­hin­ge­hend, dass die zu­mut­bare Be­las­tung mit 1.409 € berück­sich­tigt wird.

Die Gründe:
Der Klage ist in­so­weit statt­zu­ge­ben, als bei der Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung 2006 die zu­mut­bare Be­las­tung mit 1.409 € an­zu­set­zen ist und da­mit zusätz­li­che Krank­heits­kos­ten i.H.v. 664 € als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen zu berück­sich­ti­gen sind.

Bei der nun ge­stuf­ten Er­mitt­lung (im Streit­fall 2 % bis 15.340 €, 3 % bis 51.130 € und 4 % erst in Be­zug auf den die Grenze von 51.130 € über­stei­gen­den Teil der Einkünfte) erhöhten sich die zu berück­sich­ti­gen­den Krank­heits­kos­ten um 664 €. Maßge­bend wa­ren ins­be­son­dere der Wort­laut des § 33 Abs. 3 S. 1 EStG, der für die Frage der An­wen­dung ei­nes be­stimm­ten Pro­zent­sat­zes ge­rade nicht auf den "ge­sam­ten Ge­samt­be­trag der Einkünfte" ab­stellt, so­wie die Ver­mei­dung von Härten, die bei der Be­rech­nung durch die Fi­nanz­ver­wal­tung ent­ste­hen konn­ten, wenn eine vor­ge­se­hene Stufe nur ge­ringfügig über­schrit­ten wurde.

Das Ur­teil be­trifft zwar nur den Ab­zug außer­gewöhn­li­cher Be­las­tun­gen nach § 33 EStG, ist aber im An­wen­dungs­be­reich die­ser Vor­schrift nicht auf die Gel­tend­ma­chung von Krank­heits­kos­ten be­schränkt. Die Ent­schei­dung hat weit­rei­chende Be­deu­tung, da Steu­er­pflich­tige nun in der Re­gel früher und in größerem Um­fang durch ih­nen ent­stan­dene außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen steu­er­lich ent­las­tet wer­den.

Hin­ter­grund:
Der Ab­zug außer­gewöhn­li­cher Be­las­tun­gen ist nach § 33 Abs. 1 u. 3 EStG nur möglich, wenn der Steu­er­pflich­tige mit über­durch­schnitt­lich ho­hen Auf­wen­dun­gen be­las­tet ist. Eine Zu­mut­bar­keits­grenze ("zu­mut­bare Be­las­tung") wird in drei Stu­fen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem be­stimm­ten Pro­zent­satz des Ge­samt­be­trags der Einkünfte (abhängig von Fa­mi­li­en­stand und Kin­der­zahl) be­mes­sen (1 bis 7 %). Der Pro­zent­satz beträgt etwa bei zu­sam­men­ver­an­lag­ten Ehe­gat­ten mit einem oder zwei Kin­dern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).

Nach dem Ur­teil des BFH wird jetzt nur noch der Teil des Ge­samt­be­trags der Einkünfte, der den im Ge­setz ge­nann­ten Stu­fen­grenz­be­trag über­steigt, mit dem je­weils höheren Pro­zent­satz be­las­tet. Da­nach er­fasst etwa der Pro­zent­satz für Stufe 3 nur den 51.130 € über­stei­gen­den Teil­be­trag der Einkünfte. Bis­lang gin­gen hin­ge­gen Fi­nanz­ver­wal­tung und Recht­spre­chung da­von aus, dass sich die Höhe der zu­mut­ba­ren Be­las­tung ein­heit­lich nach dem höheren Pro­zent­satz rich­tet, so­bald der Ge­samt­be­trag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 S. 1 EStG ge­nann­ten Gren­zen über­schrei­tet. Da­nach war der höhere Pro­zent­satz auf den Ge­samt­be­trag al­ler Einkünfte an­zu­wen­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
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